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Bürgerstiftung | 28. April 2018
„Armut ist in Haltern nicht sichtbar. Aber es gibt sie“
Die Bürgerstiftung Haltern hilft da, wo Unterstützung schnell
und unbürokratisch gebraucht wird.
Wer die Arbeit der Bürgerstiftung unterstützen möchte,
hier die Kontenverbinden: Stadtsparkasse Haltern am See
IBAN DE09 4265 1315 0000 0885 00
BIC WELADED1HAT
Volksbank Haltern eG
IBAN DE50 4266 1330 0140 8008 00
BIC GENODEM1HLT
Die Daten der Stifter, Spender und Unterstützer werden
nicht weitergegeben.
Beate Mertmann schenkt auf der
Terrasse ihres Hauses Kaffee nach.
An diesem freundlichen Frühlings-
nachmittag im April berichtet die
1. Vorsitzende der Bürgerstiftung
Haltern der LokalLust über die aktu-
elle Arbeit der Stiftung und über ge-
sellschaftliche Veränderungen, die
auch vor Haltern nicht Halt machen.
Dabei sollte der Kaffee noch eine
symbolische Rolle spielen.
„Immer wieder stoßen wir bei
unserer Arbeit auf Armut, die sich
mitten unter uns versteckt und von
außen kaum wahrgenommen wird.
Menschen, das sind Rentnerinnen
und Rentner, Alleinerziehende, ver-
mehrt auch Familien mit Kindern
und einem so geringen monatlichen
Einkommen, dass die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben nur sehr
eingeschränkt oder gar nicht mehr
möglich ist“, so Beate Mertmann.
Fürs „Überleben“ würde es noch rei-
chen, doch jede Ausgabe außer der
Reihe, und sei sie noch so gering,
wird zumechten Problem. „Man ver-
abredet sich nicht mehr in der Stadt,
weil man sich beispielsweise die
Tasse Kaffee (Beate Mertmann zeigt
dabei auf die gedeckte Kaffeetafel
auf dem Tisch) nicht leisten kann. In
der Nachbarschaft werde das oft gar
nicht wahrgenommen, „wer macht
seine Notlage schon gern öffentlich?
Das führt ganz schnell zur Isolation
und in den Familien leiden oft die
Kinder am meisten darunter, da es
in der Schule und im Freundeskreis
zur Ausgrenzung führt“.
Schnell hat Beate Mertmann
Beispiele parat, bei denen die Bür-
gerstiftung geholfen hat. Beispiels-
weise einem Ehepaar. Die Frau ist
krebskrank, vertrug die Chemothe-
rapie sehr schlecht. Der Arzt emp-
fahl ein Zusatz-Medikament. Das
zahlt die Krankenkasse nicht. Die
Eheleute konnten das beim besten
Willen nicht zahlen.
Oder hier: „Eine alleinerziehen-
de Mutter mit zwei Kindern, die
von Hartz 4 lebte, wollte aus dieser
Situation raus und eine Umschu-
lung machen. Da sie während der
Ausbildung dem Arbeitsmarkt nicht
zur Verfügung stand, hätte sie kein
Hartz-IV-Geld mehr bekommen.
Das Ausbildungsgehalt war 400
Euro weniger – mit zwei Kindern
unmöglich zu stemmen.“ Die Bür-
gerstiftung unterstützte die Familie
während der Ausbildung, die Mutter
bekam sofort eine Festanstellung,
ist „raus“ aus Hartz IV. „Wir haben
schon mehreren Halternern gehol-
fen, ihr Leben selbst zu gestalten.
Jedes Mal wäre das an irgendwel-
chen
Ausführungsverordnungen
gescheitert. Wir Bürgerstifter sind
auf jeden stolz. Und gesamtgesell-
schaftlich gesehen ist das Geld sehr
gut investiert!“
Gelegentlich komme Kritik, dass
sich die Bürgerstiftung damit zum
Reparaturbetrieb verfehlter Sozi-
alpolitik mache, sagt Mertmann.
„Das müsste doch auf politischer
Ebene geändert werden, heißt es
dann. Aber a) kann kein Staat der
Welt eine Rundum-Versorgung leis-
ten und b) würde das Beschränken
auf politische Forderungen den
akut Betroffenen nicht helfen. Ziel
unserer Bürgerstiftung ist dage-
gen: Notlagen in der eigenen Stadt
erkennen, schnell, direkt und un-
bürokratisch helfen oder Projekte
unterstützen, die gut sind für die
Menschen, die hier leben.“
Wer in der Bilanz der 2006 ge-
gründeten Bürgerstiftung Halter-
ner für Halterner nachsieht, stellt
schnell fest, dass unbürokratisch
groß geschrieben wird. Für direkte
und effektive Hilfe von Mitbürgern
Der Vorstand der Bürgerstiftung Haltern mit v.l. Franz-Josef Berheide, Anne Tappe,
Beate Mertmann, Christoph Sebbel und Leo Vortkamp.
wurden bereits über 280.000 Euro
ausgegeben. Da alle Verwaltungs-
und sonstige Arbeit ehrenamtlich
erledigt wird, lag der Kosten-Abzug
von allen Einnahmen und Werbung
noch nie über 1%!
Wie erfahren die Verantwort-
lichen der Stiftung von den Men-
schen, die in diese Notlagen gera-
ten sind? „Wir haben ein sehr gutes
Netzwerk, mal werden wir von
Schulen oder Kindergärten auf be-
sondere Situationen hingewiesen,
es kommt aber auch vor, dass be-
hördliche Stellen an uns verweisen,
da sie aufgrund der Gesetzeslage
diesen Menschen nicht helfen kön-
nen. Auch arbeiten wir mit allen
Wohlfahrtsverbänden in der Stadt
gut und vertrauensvoll zusammen“.
Der Stiftungsvorstand entscheidet
dann über eine Unterstützung. Die
Menschen bleiben in jedem Fall
anonym, kein Außenstehender er-
fährt, wer Mittel aus der Bürgerstif-
tung bezieht.
Finanziert wird all das aus den
Erträgen
des
Stiftungskapitals,
das sich derzeit auf knapp 540.000
Euro beläuft und aus Spenden.
„Die Spenden sind bei der derzei-
tigen Zinslage natürlich besonders
wichtig“, sagt Beate Mertmann und
hofft, dass die auch weiterhin aus-
reichend fließen. Denn zu tun gibt
es für die Bürgerstiftung in Haltern
auch zukünftig noch genug.
Beate Mertmann schenkt noch
mal Kaffee nach.
Text: Hans-Jürgen Abenath
Foto: Frank Schürmann