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24. März 2018
Vivian Seedorf
„Ich bin eine Farbenfetischis-
tin“, schmunzelt Vivian See-
dorf und zieht eine Schublade
auf. Und tatsächlich reiht sich
hier Farbdose an Farbdose.
Allein die geschätzten 20 ver-
schiedenen Blautöne kann
nur ein geschultes Auge unter-
scheiden.
Geschult ist das Auge von Vi-
vian Seedorf auf alle Fälle, malt
sie doch bereits seit 2006 auf
Porzellan. Und ihre Liebe zur
Farbe ist an den vielen Unikaten
sichtbar, die in ihremAtelier aus-
gestellt sind. Vasen, Schmuck-
anhänger, Ostereier: allesamt
filigrane Eyecatcher, die in der
Vitrine, auf dem Esstisch oder
am Fenster sehr gut zur Geltung
kommen.
Vivian Seedorf studierte in
Salzburg Germanistik und Publi-
zistik, kam 1984 nach Deutsch-
land und setzte hier in Bochum
das Studium der Skandinavistik,
Publizistik und Volkswirtschaft
fort. Während dieser Zeit inte-
ressierte sie sich für Hinterglas-
malerei und Töpferei und ent-
deckte schließlich ihre Liebe zur
Porzellanmalerei.
„Ich fand Porzellanmalerei
schon immer toll“, erinnert sich
die Künstlerin an die Anfänge
ihres Schaffens. Seit 2006 bil-
dete sie sich bei verschiedenen,
mitunter preisgekrönten Por-
zellanmalerinnen aus und fährt
fort: „Ich habe mir zu Anfang
noch Backofenfarbe gekauft,
die gerne für Kindergeburtstage
genutzt wird, kam aber mit drei
Kindern nicht wirklich oft zum
Malen.“ Dennoch hat die Por-
zellanmalerei der gebürtigen
Österreicherin nichts gemein
mit Tassen bemalen auf einem
Kindergeburtstag.
„Ich habe zuerst auf Papier
geübt“, so die eloquente Dors-
tenerin. „Ich kann mir aber eher
eine Landschaft auf einer Vase
als auf dem Papier vorstellen“,
erzählt sie weiter. „Ich brauche
eine Vase oder eine Tasse in
der Hand, um sie zu bemalen.
Beim Malen auf einer Leinwand
fehlt der Kick. Anders ist das bei
der Porzellanmalerei, wenn ich
nach dem Brennen den Ofen
aufmache und dann erst sehe,
ob die Arbeit gelungen ist. Än-
derungen sind dann nicht mehr
möglich.“
Hat sich die Porzellanmale-
rin für ein Muster entschieden,
zeichnet sie das Motiv freihand
mit einem Grafitstift oder sie
überträgt die Vorlage mit Grafit-
papier auf den Rohling.
So gewährleistet sie im Ge-
gensatz zum freien Zeichnen,
dass alle Teile identisch bemalt
sind, was bei einem Gedeck
zum Beispiel sehr wichtig ist.
Anschließend trägt die Holster-
hausenerin die Farben von hell
nach dunkel auf, wobei nach je-
der Farbe ein Brand im 820 Grad
heißen Brennofen erfolgt. So
ein Brand kann schon mal acht
Stunden dauern.
Die verschiedenen Farben
mischt sich Vivian Seedorf je-
des Mal mit dem Farbpulver und
einem speziellen Malmedium
neu an. Für jede Farbe nimmt
die Künstlerin einen eigenen
Pinsel aus Marderhaar, den
sie, auf in Nelkenöl getränkten
Läppchen, in kleinen liebevoll
bemalten Döschen aufbewahrt.
Die Federn, mit denen sie die fei-
nen Linien zeichnet, sind im Ge-
gensatz zu den Pinseln so fein,
dass sie kaum mit bloßem Auge
zu erkennen sind und in den
Döschen untergehen würden.
„Mich reizt es zusätzlich ne-
ben dem Bemalen auch die
Oberfläche des Porzellans mit
modernen Techniken zu behan-
deln“, so Vivian Seedorf. Und so
sieht man nicht nur die Schön-
heit der Vase, sondern man fühlt
zusätzlich die Reliefs oder den
Goldrand, so wie bei den Ge-
burtstellern, die die Malerin im-
mer wieder gerne gestaltet. Sie
kennt sich aus mit der Geschich-
te des Tellers: Noch vor 400 Jah-
ren durften Wöchnerinnen nicht
das Geschirr der eigenen Küche
benutzen. Stattdessen wurde
ihnen ihr Essen auf Holzbret-
tern gereicht, die immer weiter
verziert wurden und damit die
gewaltige Leistung der Geburt
würdigten. So sieht es auch Vi-
vian Seedorf und malt daher mit
Vergnügen individuelle Geburt-
steller: mit Goldrand, mit spezi-
ellen Motiven, aber immer mit
persönlichen Daten. Eine einzig-
artige Erinnerung an einen ein-
zigartigen Tag.
„BeimMalen kann ich sehr gut
abschalten“, so die dreifache
Mutter. „Ich muss aber aufpas-
sen, dass ich mich rechtzeitig
stoppe. Manchmal ist weniger
mehr und der nicht gemalte
Strich, macht das Bild.“ So un-
terbricht sie immer wieder ihre
Arbeit, begutachtet ihr Werk,
lässt es ein wenig ruhen, um
dann mit einem anderen Blick-
winkel weiter daran zu arbeiten.
Stets positive Reaktionen er-
hält die Kunstmalerin auf Kunst-
handwerkermärkten oder auch
Hier sind die unterschiedlichen Farb-
verläufe innerhalb der Blüten gut zu
erkennen
Mit ruhiger Hand trägt Vivian Seedorf die Farben auf
in Münster beim „Koffermarkt“,
auf dem wortwörtlich aus dem
Koffer heraus angeboten und
verkauft wird. „Ich höre immer
wieder (gerne), wie toll meine
Unikate sind, dennoch geben
viele Menschen dafür kein Geld
aus und schätzen oft die zeitin-
tensive Arbeit nicht, die hinter
den Unikaten steckt“, bedauert
Vivian Seedorf.
Zurzeit renoviert die Porzel-
lanmalerin ihr Atelier in Hol-
sterhausen und ist, wenn ihr
momentan noch die Zeit dafür
bleibt, mit ihren beiden Hunden
„Curly“ und „Charly“ aktiv im
Hundesport unterwegs. Aber
ihre große Leidenschaft ist und
bleibt die Porzellanmalerei.
Ab Ende März wird sie ihr
Atelier fertig haben, sodass In-
teressenten gerne bei ihr un-
ter 0177/8484733 anrufen und
die Exponate in Ruhe ansehen
können. Und mit etwas Glück
können Sie der Künstlerin dann
auch ein wenig beim Arbeiten
zusehen.
Fotos: Christian Sklenak