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G E SUNDHE I T
S PE Z I A L
S O N D E R V E R Ö F F E N T L I C H U N G
„Redebedarf“
– Die Burnout-Beratung
Wohin gehen Männer, wenn sie
reden möchten? Und wohin ge-
hen Frauen? Diese Fragen stellte
sich Christiane Reitmeyer, be-
vor sie ihre Beratungsräume am
Brauturm 2 in Alt-Wulfen einrich-
tete.
Beim Betreten des in Grün-Weiß
gehaltenen Zimmers mit weißen
Korbstühlen hat man als Frau
das Gefühl, mit einer Freundin in
einem kleinen französischen Café
zu sitzen. Aber direkt hinter der
Stoffwand sieht es anders aus:
Vom Bodenbelag, den Gardinen
und der Einrichtung ist hier ori-
ginalgetreu eine urige Kneipe mit
Tresen aufgebaut. Die Frage, wer
wohl welchen Raum wählt, stellt
sich in den meisten Fällen sicher-
lich nicht.
„In einer gemütlichen Atmosphä-
re redet es sich viel leichter und
ungezwungener, als wenn ich mit
einem Block vor meinem Klienten
sitze und Punkt für Punkt abfra-
ge“, so Christiane Reitmeyer.
Seit Sommer letzten Jahres
bietet die 29-Jährige in ihren
Räumen am Brauturm Burnout-
Vorsorge, Nachbetreuung nach
einem Klinikaufenthalt, systemi-
sches Coaching und Resilienztrai-
nings an. Diese drei Säulen ihrer
Beratung vermischen sich, so
dass sie beim Reden und Zuhören
verschiedene Techniken aus al-
len Bereichen anwendet.
„Resilienztrainerin“,
„Burnout-
Beratung und -Vorsorge“ hört
sich kompliziert an, lässt sich
aber verständlich erklären.
„Resilienz ist die Fähigkeit eines
Menschen, mit widrigen Um-
ständen und Situationen um-
zugehen“, beschreibt die junge
Beraterin diesen Begriff. „Wie
ein Stehaufmännchen kann ein
resilienter Mensch zwar umge-
stoßen werden, wie jeder andere
auch. Er schafft es jedoch relativ
schnell, wieder in die aufrechte
Position zurückzukommen.“ Das
Besondere an Resilienz ist, dass
es eine erlernbare Fähigkeit ist.
Dazu bietet die sympathische
Lembeckerin neben Einzelge-
sprächen zur Burnout-Beratung
auch Resilienztrainings in Grup-
pen an. Im Anschluss an diesen
Kurs sind die Teilnehmer in der
Lage sich bei Stress eine Auszeit
zu nehmen und sich in den Zu-
stand des erlernten Wohlgefühls
zu versetzen. So lassen sich im
Alltag die erlernten Fähigkeiten
immer weiter ausbauen. Eine
ganz einfache Grundübung ist
zum Beispiel das „Sich-selber-
im-Spiegel-anlächeln“. Aus ei-
nem anfänglichen schiefen Grin-
sen wird relativ schnell ein echtes
Lächeln und sofort wird der Per-
son suggeriert: „Ich lächle, also
geht es mir auch gut.“
Die Resilienz steht auf sieben
Säulen. Dazu gehört unter an-
derem die Akzeptanz, Dinge, die
nicht zu ändern sind, so anzu-
nehmen, wie sie sind und Gege-
benheiten, die änderbar sind, zu
überdenken.
Als weitere Säule der Resilienz sei
die Verantwortung genannt, sein
eigenes Wohlbefinden im Blick
haben. Dafür auch mal „Nein“ zu
sagen oder loszulassen und zu
überlegen, was man in seinem
Leben ändern möchte oder muss.
Wenn etwas im Leben nicht so
läuft, wie man es sich wünscht,
weiß ein resilienter Mensch, dass
er selbst Änderungen herbeifüh-
ren muss.
Aber auch der Optimismus spielt
eine große Rolle. Resiliente Men-
schen sind optimistisch. Das
heißt jedoch nicht, dass sie im-
mer davon ausgehen, dass alles
perfekt läuft. Sie gehen vielmehr
davon aus, dass nicht immer alles
schiefgeht, fokussieren sich nicht
auf das Negative.
Sie sehen in jeder Situation
positive Aspekte. So kann bei-
spielsweise der Verlust einer Ar-
beitsstelle als Chance erkannt
werden, noch einmal einen ganz
neuen Weg einzuschlagen.
Viele Burnout-Klienten fokussie-
ren sich jedoch auf das Negative.
Je öfter sie nicht mehr gehetzt,
ausgebrannt und müde sein wol-
len, umso mehr werden sie es –
selbsterfüllende Prophezeihung
ist das Stichwort. Im medizini-
schen Sinne gibt es die Diagnose
„Burnout“ nicht. Eine Psychothe-
rapie ist daher auch nur für Per-
sonen sinnvoll, bei denen eine
Depression diagnostiziert wird.
Viele Vorstufen der Depression,
die auf ein Burnout-Syndrom
hindeuten – zum Beispiel körper-
liche Beschwerden wie Magen-
oder Kopfschmerzen, Müdig-
keit, Niedergeschlagenheit oder
Schlaflosigkeit – können im Rah-
men einer Burnout-Beratung be-
handelt werden. Dies geschieht