Graf Westerholt | 28. April 2018
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Die Ermordung des Grafen Otto
von Westerholt-Gysenberg in den Borkenbergen
Karwoche 1920! Auf dem Schloss des Grafen Otto von Westerholt- Gysenberg in Sythen
rastete der Pöbel. Die Rote Armee war bis Haltern vorgedrungen, während die wenigen
Reichswehrabteilungen im ehemaligen Kriegsgefangenenlager von Dülmen auf das Ein-
treffen von Verstärkungen warteten.
Haus Sythen lag zwischen den
Fronten, im Niemandsland. Auf
Bitten des Grafen hatte eine
Reichswehrbesatzung in das
Schloss verlegt werden sollen.
Doch vorher schon kamen feindli-
che Truppen von Haltern her, teil-
weise auf Kähnen der Stadtmüh-
le. „Alles, was einigermaßen Wert
hatte, wurde auf Lastwagen von
der Roten Armee fortgeführt“, so
der frühere Seppenrader Lehrer
Bernhard Brinkmann in seinem
Artikel „Der Mordstein in den Bor-
kenbergen – Der Tod des Grafen
Otto von Westerholt-Gysenberg“.
Die Grafenfamilie fand Schutz in
dem einsam gelegenen Waldwär-
terhaus Nosthoff in den Borken-
bergen. Das Schloss des Grafen
wurde verwüstet. Noch mehr aber
schmerzte dem Grafen das ver-
stärkte Wildern in seinen gelieb-
ten Borkenbergen ...
Auf einem Spaziergang mit seiner
Frau und zwei Töchtern im Linnert
schickte der Graf an einer Brücke
über den Sandbach seine Ange-
hörigen zurück. Er wollte nach
den Jungfischen in den Fisch-
teichen sehen und gegen 20 Uhr
zurückkommen. Als der Graf bis
Mitternacht nicht zuhause eintraf,
machten sich mehrere Bediens-
tete zunächst vergeblich auf die
Suche. Am frühen Morgen begann
unter Führung des Waldwärters
Nosthoff die erneute Suche.
An den Fischteichen entdeckten
sie Sandspuren eines Hinkenden
(der Graf hatte ein Beinleiden), et-
was weiter Nagelschuh-Abdrücke
von zwei Männern, die aber nicht
in Richtung des Sythener Heim-
wegs, sondern in die entgegen-
gesetzte Richtung nach Hullern
verliefen. Kurz vor dem Rauhen
Berg entdeckte der Förster zwei
Einschläge von Revolverkugeln
in einer Birke. Später stellte sich
heraus, dass hier Graf Otto zwei
Signalschüsse abgegeben hatte,
um seine Förster herbeizurufen.
Schweigend arbeiteten sich die
Männer über die Heidehügel da-
hin, den Spuren nach. Plötzlich
sprang der kleine Jagdhund des
Grafen aus dem Heidekraut! Die
trübe Ahnung wurde bald zur Ge-
wissheit. Der Turm des kleinen
Heidedorfes Hullern tauchte im
Morgendunst auf. Dann fanden
sie den Grafen in einer Blutlache
liegend. Das Gesicht zur Erde, bei-
de Arme wie zum Schutz vor dem
Gesicht verschränkt. Ein kleines
Einschussloch in den Rücken und
eine faustgroße Ausschusswunde
in der Herzgegend zeigte, dass der
Mörder sein Opfer von hinten nie-
dergestreckt hatte; ebenfalls zeig-
te der Hinterkopf eine klaffende
Wunde, wie von einem Säbelhieb.
Seltsamerweise steckte die Waffe
des Grafen in der Tasche.
Polizei und Mordkommission
wurden benachrichtigt. Da auch
auf einen Kampf zwischen den
Mördern und dem Grafen nichts
hindeutete, vermutete der zustän-
dige Staatsanwalt einen Mord aus
politischen Gründen. Weil am Tag
nach dem Mord beim Appell des
Reichswehrbataillons in Hullern
zwei Mann fehlten, verdächtigte
man die beiden Fahnenflüchtigen
als Mörder. Diese waren aber am
Mordtag mit anderen Kamera-