Lokallust Dorsten - page 8

8
Nur ein Stern
das erste Mal gesehen habe. Weil er für mich heller strahlt als alle anderen. Er
lässt sich nicht wegschieben. Schon gar nicht, wenn ich zwischen Berlin, Frank-
furt, Hongkong, New York und – ja, Dorsten, pendele. Jede Woche eine andere
Stadt, jede Woche eine neue Aufgabe, ich liebe meinen Job, aber manchmal
möchte ich ankommen. Gebe ich natürlich nicht zu. Global-Player. Hört sich
doch gut an, oder? Da, wo ich denke, dass ich angekommen bin, meine ich,
mich wohlzufühlen.
Nur manchmal, wenn ich so daliege, in einem dieser Hotelbetten, allein mit
drei Kissen, von denen ich ohnehin nur eines auswähle, um darauf meinen Kopf
zu betten – und mich schlaflos hin und her wälze, fällt er mir wieder ein. Mein
Stern. Völliger Quatsch. Sagt der Verstand. Völlig normal. Sagt das Herz. Geh
raus, schau, ob du ihn auch hier entdecken kannst. Kann ich nicht. Will ich nicht.
Vielleicht ist es alles auch nur Einbildung. Eine überinterpretierte Erinnerung.
Weil Sterne ja nicht wirklich eine Bedeutung haben. Kinderkram halt. Doch
dann gehe ich raus, schaue in den Himmel und, wenn der es zulässt und sich
keine Wolken vor die funkelnden Sterne schieben, sehe ich ihn. Und erinnere
Ein Stern. Mein Stern. Der, den ich kenne, der
mich berührt, der mir eigentlich seit Jahren
zeigt, wo und wie und dass es weiter geht, wo
mein Zuhause ist, wo ich mich fallen lassen
kann, wo mich viele kennen, wo ich sein kann,
wie ich bin, einfach mal ankommen kann, los-
lassen, Ich sein. Dorsten? Meine Heimatstadt.
Ja. Aber: Will ich mir nicht eingestehen. Diese
Stadt in Verbindung mit meinem Stern? Niemals.
Und überhaupt – er ist ein Stern. Nur ein Stern.
Und – doch – ein Teil meines Lebens. Er lässt
mich einfach nicht los. Er ist immer da. Dorsten
auch nicht. Die Stadt, in der ich aufgewachsen
bin. Und in der ich heute noch lebe. Trotz dieser
ganzen Reiserei zwischendurch.
Mein Stern hat etwas Mystisches. Für mich.
Ja, wer will, kann es ebenso interpretieren. Oder
drüber lachen. Egal. Er ist da. Lange schon. Im-
mer. Bei mir. Auch wenn ich ihn selbst so oft ver-
dränge. Er lässt sich einfach nicht verdrängen.
Die ganzen Jahre nicht. Seitdem ich als Kind
nachts aus meinem Fenster geschaut und ihn
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...56
Powered by FlippingBook