Lokallust Dorsten - page 18

18
Karnevalistinnen von der Feldmark
Mitte Dezember wird in manchen
Dorstener Familien der Endspurt
zum Weihnachtsfest eingeläutet.
Jennifer Dreckmann kann sich
entspannt zurücklehnen: „Das
Programm steht.“ Aber sie hat da-
bei nicht das Christfest im Sinn,
sondern jene Termine, die ihr grö-
ßeren Stress bescheren: Weil die
fünfte Jahreszeit 2016 sehr früh
beginnt, stehen die drei närrischen
Sitzungen der Frauenkarnevals-
gruppe St. Johannes in der Feld-
mark bereits Ende Januar auf dem
Programm, am 27., 29. und 30. Und
deshalb üben sich 27 Frauen zur-
zeit in der Disziplin Multitasking.
Sie sind nicht nur mit Plätzchenba-
cken und Geschenkekauf beschäf-
tigt, sondern der Weihnachtszeit
planerisch um einige Wochen
voraus. Sie feilen an Sätzen, Wit-
zen und Sketchen, studieren Cho-
reographien ein und probieren
Kostüme an. Vieles vollzieht sich
im Verborgenen, nämlich bei den
Proben im geräumigen Partykeller
unter dem Haus von Familie Dreck-
mann; Hausherr Dieter Dreckmann
weiß, wann er dort unten nichts zu
suchen hat. Er ist im Übrigen - wie
viele Ehemänner - bei den Auffüh-
rungen ein geschätzter Helfer hin-
ter den Kulissen; die dekorativen
Teile haben sie selbst hergestellt.
Seine Ehefrau Elisabeth hat 2014
nach 20 Jahren die Leitung der
Karnevalsgruppe an ihre Schwie-
gertochter Jennifer übergeben:
„Ich weiß diese Aufgabe bei ihr
in den besten Händen“, sagt die
61-Jährige heute. Ungeachtet des
Personalwechsels an der Spitze
ist den fröhlichen Frauen aus der
Feldmark der Party- und Proben-
keller als karnevalistisches Zuhau-
se erhalten geblieben. Dort wird
die Gruppe am 28. Januar einen
ausgelassenen Mädelsabend fei-
ern. Dann ist die Premiere des neu-
en Programms überstanden, es ist
Zeit für Manöverkritik, für letzte
Korrekturen und für den Sekt.
Auch bei der Weiberfastnacht
tags zuvor am Mittwoch, 27. Ja-
nuar, in der Traditionsgaststätte
Maas-Timpert wollen die Frauen
unter sich sein - bei der Premiere
des neuen Programms ist nur
weibliches Publikum gern gese-
hen. Die dazugehörigen Ehemän-
ner und Freunde warten brav in der
Wirtschaft nebenan, bis zu später
Stunde ihre Dienste als Chauffeur
abgerufen werden. Aber am Frei-
tag und Samstag, 29. und 30. Janu-
ar, sind auch die Herren der Schöp-
fung im Saal willkommen, wo
Vorsitzende Jennifer Dreckmann
um 19.11 Uhr die Sitzung eröffnet.
Von demMoment an werden die 27
Frauen keine ruhige Minute mehr
haben. Jede steht in einer oder
mehreren Rollen auf der Bühne,
spielt, singt und tanzt, während im
Hintergrund unter Hochdruck die
nächste Nummer vorbereitet wird.
Womöglich rettet auch Marianne
Elisabeth Dreckmann (re.) hat vor
einigen Jahren die Weichen Rich-
tung Zukunft gestellt und das Amt
der Vorsitzenden auf ihre Schwie-
gertochter Jenny Dreckmann über-
tragen.
Feldmärker
Frauen gehen
zum Lachen
in den Keller
Winter, die Frau
mit den prima
Kostüm-Ideen
und der flin-
ken Nadel, mit ein paar Stichen ei-
nen Auftritt. Um die Technik muss
sich die Gruppe nicht kümmern,
das erledigt das Team von Profi-
sound Dorsten.
Die Karnevalistinnen entwickeln
Ehrgeiz bei der Programmgestal-
tung: „Wir haben schon ziemlich
hohe Ansprüche an uns selbst“,
erklärt die 32-jährige Vorsitzende.
Der Abend soll rundherum ko-
misch sein, auf keinen Fall peinlich.
Kein Mitglied soll sich blamieren
mit einem Auftritt, an den sich
später keiner erinnern will. Der
kritische Blick auf das Erschei-
nungsbild der anderen („zieh’ was
anderes an“) und das offene Wort
(„lass’ den Satz besser weg“) sind
daher fester Bestandteil der Pro-
benarbeit, erklärt Jennifer Dreck-
mann. Das funktioniert nur, wenn
die Chemie innerhalb der Gruppe
stimmt. Sie verbindet unterschied-
liche Charaktere, Talente und Al-
tersgruppen miteinander - die äl-
teste Karnevalistin ist 67 Jahre, die
jüngste 16. Das Programmentsteht
in einer Gemeinschaftsleistung,
daher legt die 32-Jährige wie ihre
Vorgängerin Wert darauf, dass zur
Begrüßung und zum Abschluss die
ganze Truppe auf der Bühne steht.
Auch Pannen werden gemeinsam
gmeistert. Programmänderungen
aus dem Stegreif haben schon
manchen Abend gerettet, die mei-
sten Patzer bleiben dem Publikum
verborgen, weil die Feldmärker
Karnevalistinnen im Krisenfall pro-
fessionell reagieren.
Für die Närrinnen vergeht der Som-
mer mit dem Sammeln von Ideen,
Austausch und Absprachen, was
sich motivationsfördernd in unter-
schiedlichen Eisdielen vollzieht. Da-
rüber hinaus trifft man sich bei den
Terminen von Schützenverein oder
Kirchengemeinde - die Schnittmen-
gen der Feldmärker Gruppen sind
groß. Im September beginnt die
ernsthafte Arbeit am neuen Pro-
gramm, das sich aus vielen Quellen
speist. Eine davon ist der Alltag in
der Feldmark und das Leben in der
Kirchengemeinde, die Geistlichkeit
bleibt nicht verschont. Die lokalen
Befunde werden liebevoll, aber
spitzzüngig verarbeitet zum St. Jo-
hannes-Tratsch, der ersten Num-
mer des Abends. Allgemein gilt:
Witze unterhalb der Gürtellinie sind
tabu, sagt Elisabeth Dreckmann,
auch die Politik wird meistens aus-
gespart. In diesem Jahr, verrät sie,
lieferte der Fußballskandal den
Karnevalistinnen
verführerische
Steilvorlagen. Gern bedienen sich
die Karnevalistinnen auf der Suche
nach witzigen Vorlagen aus dem
Fernseh-Fundus. Heidi Klums Top-
modell-Suche stand Pate für „St.
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,...56
Powered by FlippingBook