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Die Sehnsuchtsstifterin
Text: Martina Jansen
Fotos: privat
All ihre Erfahrungen, Gefühle
und Grenzsituationen wäh-
rend der Wanderungen hat
Gabriele Reiß in dem Buch
„Steinreich, vogelfrei – Ein
Weg wie kein anderer. Zwei
Frauen überqueren die Alpen“
niedergeschrieben. Sie möch-
te ihren Lesern Mut machen
loszugehen, die Freiheit zu
erleben und ihren Träumen zu
folgen. Weitere Infos über die
Alpen-Abenteurerin, ihre Stre-
cke und Termine ihrer Vorträ-
ge finden Sie auf der Webseite
gabriele-reiss-wandert.de
alles und wenn man es geschafft
hat, dann schäumt man über vor
Endorphinen. Daher sind Gefühls-
ausbrüche wie Weinen oder aus-
gelassenes Gelächter aufgrund
der Anstrengungen ganz normal.“
Gabriele Reiß hat nicht nur ihre
körperlichen Grenzen erfahren.
Ihr Kopf wurde frei, sie hatte Zeit
genug nachzudenken. So sieht sie
die Reise unter vielen verschie-
denen Aspekten: Entschleuni-
gung, Solidarität, Aufbruch, Ge-
meinsamkeit, „Ent-Lastung“. Aber
auch real hat sie sich von Last
befreit. So wurde ihr Rucksack
I
hr Umzug in guten Händen
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Möbelspedition
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von Etappe zu Etappe leichter.
Das Anfangsgewicht von zehn Kilo
schrumpfte bis zur Venetien-Etap-
pe auf sechs Kilo. Dennoch ist sie
notfallmäßig bestens ausgerüstet
und Garderobe braucht sie wenig.
„Ich wasche meine Kleidung oft
durch und habe
nur wenig Aus-
wahl. Und dort
oben sehen mich
fremde Menschen
ja eh nur einmal.“
Im
Sommer
wird sich die ge-
bürtige
Gelsen-
kirchenerin wie-
der auf den Weg
machen und im
Alleingang
den
Alpenfluss
Inn
abwandern. Und
– was Sie, liebe
Leserin, lieber Le-
ser, jetzt vielleicht
nicht verwundert
– entgegen der
„üblichen“
Tour
von der Quelle zur
Mündung,
star-
tet Gabriele Reiß
an der Donau und folgt dem 520
Kilometer langen Fluss bis zum
„Überlauf“ des Lunghinsee in
der Schweiz. Die Idee spukt der
64-Jährigen schon lange im Kopf
herum – genaugenommen seit sie
mit 20 Jahren Hermann Hesses
Erzählung „Siddhartha“ las. In
diesem Roman findet ein Mönch
die Erleuchtung amFluss. Erleuch-
tung strebt die Wanderin nicht an,
aber sie möchte wie Siddhartha
vom Fluss lernen und ihm Zeit
ihres Lebens schenken. Auch aus
dieser Reise wird ein Buch entste-
hen, mehr wird hier jedoch noch
nicht verraten.
„Ich bin gespannt, wie sehr sich
der Fluss auf meiner langen Reise
verändern wird. Mal habe ich ihn
auf der rechten, ein anderes Mal
auf der linken Seite, mal fließt
der Inn gemächlich, dann wieder
schneller, er verändert seine Far-
be und fließt durch verschiedene
Landschaften.“ Gabriele Reiß gibt
ihrem Körper prinzipiell die Zeit,
die er für die Wanderung benöti-
gt, begrenzt sie dennoch auf sie-
ben Wochen. Einmal wird sie ihre
Reise unterbrechen, um bei der
Einschulung ihrer Enkelin dabei
zu sein, danach macht sich die
„Sehnsuchtsstifterin“ wieder auf
ihren langen, einsamen Weg.
Gabriele Reiß (links) und Heike Krüger
Der Weg des Eulensteins. Die Strecke benannten Gabriele Reiß und
Heike Krüger nach einem Stein, welchen Sie am Start der Tour als
Maskottchen aufnahmen.