Lokallust Dorsten - page 13

Ich traf Marion Taube bei einer
Pressekonferenz zur Vorstellung
der Idee des Bürger-Stadtparks
und erlebte eine Frau, die für ihr
Projekt brannte. Mit ihr bekam
eine „trockene“ Pressekonfe-
renz Unterhaltungswert.
Da lag es nahe diese enthusi-
astische Frau zu fragen, ob sie
mir für die Heute-treffe-ich-Ge-
schichte zur Verfügung stehen
würde.
Die 54-Jährige lud mich da-
raufhin zu Tee und Kaffee in
ihren „Taubenschlag“, wie sie
ihr Haus am Waldrand liebevoll
bezeichnet, und erst nach drei
Stunden verließ ich es wieder.
Marion Taube hat viel zu erzäh-
len. Sehr viel! Und sie erzählt
es so lebendig, dass ich ihr sehr
gerne zugehört habe.
Dabei sprach sie kaumnur von
sich, sondern immer von dem
Team, mit und in dem sie gear-
beitet hat. Sie sprach von den
verschiedenen Menschen um sie
herum und von der Dankbarkeit,
dass sie dies alles erleben durfte.
Und sie sprach von den Anfän-
gen ihrer beruflichen Karriere.
Die junge „Taube“ war damals
schon anders. Sie lebte Anfang
der Achtziger Jahre mit einer
Freundin in einer der ersten
Frauen-WGs Dorstens. Dennoch
wollte sie raus. Raus in die weite
Welt. Dorthin, wo die Künstler
waren. Dorthin, wo sie sich aus-
tauschen konnte. Dorthin, wo
sie Möglichkeiten hatte Kunst zu
studieren: Marion Taube wollte
nach Hamburg. Heute brauchen
Abiturienten einen Tastenklick
und sie bekommen die Infos der
Universitäten, die sie benötigen.
Das war damals natürlich noch
nicht so. So trampte die 20-Jäh-
rige nach Hamburg und hielt sich
drei Tage mit 50 DM über Wasser.
„Ich bin heute noch Marion Sar-
tory dafür dankbar, dass sie es
mir ermöglichte bei der Starfri-
seurin Marlies Möller Haarmodel
sein zu dürfen. Ich hatte dann
zwar eine Dauerwelle, aber da-
für auch Geld in der Tasche.“
Drei Tage brauchte die Abituri-
entin in Hamburg, danach stand
„Man muss trachten seine
Träume zu verwirklichen,
um zu erkennen, was sie
wirklich wert sind“.
(James A. Michener)
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28. Oktober 2017
Heute treffe ich …
für sie fest: „Ich werde Kunst-
geschichte, Politikwissenschaft
und Sinologie, die Chinawissen-
schaft, studieren.“ Der Katho-
likin gefiel – und gefällt immer
noch - die asiatische Kultur und
Philosophie,
die sich auf
die Schönheit
der einfachen
Dinge
be-
schränkt.
Das ganze
Studium über
jobbte sie beim NDR als Redak-
tionsassistentin. Tagesthemen
und Tagesschau waren ihre Be-
reiche und ihr erster „großer
Meister“ war Hanns Joachim
„Hajo“ Friederichs. „Es war ein-
fach wunderbar ihn getroffen zu
haben“, schwärmt Marion Taube
noch heute von dem Journa-
listen und Moderator.
Die Studienzeit ging vorbei,
der Abschluss war in der Tasche,
Marion Taube kehrte nach Dor-
sten zurück und hielt die Augen
offen. Als Fügung sah die frisch
gebackene Kunsthistorikerin die
Internationale Bauausstellung
Emscher Park imJahre 1989. „In-
dustriekultur“ war damals noch
ein Fremdwort, als Geschäfts-
führer Karl Ganser Marion Taube
zu sich als Referentin für Presse
und Öffentlichkeitsarbeit holte
und ihr zur IBA-Halbzeit später
die Leitung des für sie neuge-
gründeten Bereiches Kunst und
Kultur übertrug. Bei Karl Ganser,
ihrem zweiten „Meister„ habe sie
gelernt: „Nein‘ zu jedem Mittel-
maß zu sagen und stattdessen
Fragen zu stellen nach den be-
sten Alternativen!
Nach diesen zehn Jahren hieß
es für die mitt-
lerweile zwei-
fache
Mutter
erst
einmal:
Du r cha tmen
mit Mann und
Kindern
da-
mals noch im
Revier lebend. Jedoch nicht
lange. Bereits nach einem Mo-
nat wurde aus dem bewussten
Durchatmen eine kurzfristige
„Schnappatmung“, wie die Lem-
beckerin es bezeichnet. Das Tele-
fon schellte und kein Geringerer
als Karl-Heinrich Müller, Gründer
der Museumsinsel Hombroich in
Neuss, begrüßte sie am Telefon,
lud sie zu sich ein und bot ihr den
Posten als Geschäftsführerin an.
„Ich liebte diese Arbeit. Hier
wurde Kultur mit Natur in einem
Atemzug gedacht, Schönheit als
große Schlichtheit gelebt. Das
war für mich wie der Eintritt in
den Olymp“, schwärmt Mari-
on Taube noch heute. Müller
nennt sie ihren dritten und letz-
ten „Meister“. Kurze Zeit später
wurde sie Gründungs- und Mu-
seumsdirektorin der „Langen
Foundation“.
„Hier und auf der ehemaligen
Raketenstation
Hombroich
lernte ich großartige Menschen
kennen. Noch heute leben und
arbeiten hier Künstler, Literaten,
Komponisten und Wissenschaft-
ler aus verschiedenen Nationen
und Kulturkreisen.“
Es gibt für alles eine Zeit. Eine
Zeit zum Arbeiten und eine Zeit
für die Familie. Und diese Zeit
war für die Kuratorin 2005 ge-
kommen. Sie drehte ihr Lebens-
modell kurzerhand aus freien
Stücken um: Kochen, Garten,
Familie, das war nun der Mittel-
punkt ihres Lebens. Bis zu dem
Moment, alsMarion Taube hörte,
dass die alte Ursulinenklausur
abgerissen werden sollte. Da
erwachte in der „Freitaube“ wie-
der ihr Weg des zweiten Blicks
und die Fähigkeit, in Alterna-
tiven zu denken. Im Jüdischen
Museum fand sie ihren idealen
Partner zur Öffnung der Sinne
für Dorstens versteckte Schön-
heiten. Somit war 2013 die An-
stiftung zur Stadtentdeckung ge-
boren. Offene Gärten und offene
Ateliers fanden Interesse bei den
Dorstenern und zeigten von der
Sehnsucht nach Gemeinsamkeit
und Verbundenheit. Daraufhin
entstand zwei Jahre später auf
Initiative der „Anstifterin“ in Ko-
operation mit der Rotterdamer
Künstlergruppe Het Observa-
torium und in Zusammenarbeit
mit dem Lippeverband der Pol-
derPark, der Stadtpark auf Zeit
zwischen Kanal und Lippe. „Die
Resonanz und Akzeptanz der
Dorstener war überwältigend“,
erinnert sich meine äußerst an-
genehme Gesprächspartnerin.
„Damit haben wir nicht gerech-
net. Und von Tag zu Tag entwi-
ckelte sich der Polderpark durch
liebevolle Zuwendung der Bür-
ger immer weiter.“
Zwei Jahre ließ Marion Taube
das Erlebte sacken, jetzt steht
ein neues Projekt an. Da sie
nicht sucht, sondern findet, wie
sie erzählt, fand sie noch immer
unheimlich viel gute Energie un-
ter den Dorstenern und eine un-
erfüllte Sehnsucht nach einem
dauerhaften Stadtpark. So ent-
stand die „Stadtkrone„ als Park,
den die Bürger gestalten.
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