Wieviel wiegt unsere Seele

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Wieviel wiegt unsere Seele

Vorab möchte ich betonen, dass meine teilweise provokanten Fragen aus dem Jetzt und Hier entstanden sind und nicht meine persönliche Meinung widerspiegeln. Ich möchte damit weder die Gefühle unserer (gläubigen) Leserinnen und Leser verletzen, noch die Wissenschaft als Nonplusultra hinsichtlich dieser Frage hinstellen.

Die stillen Gedenktage stehen wieder bevor. Dazu gehört auch der Tag Allerseelen, an dem in der Katholischen Kirche an die Verstorbenen gedacht wird. Für die Kirche steht damit fest, dass die Seele existiert und 40 Tage nach dem Tod in den Himmel geht. Wo befindet sie sich während dieser Zeit? Hat sie sich dann bereits vom verstorbenen Körper gelöst? Wo befand sie sich bis dahin? Zwischen den Organen? In den Organen? Oder schwebt sie über der verstorbenen Person und war bis zum Tod mit ihr, für uns unsichtbar, mit ihrem Gehirn oder möglicherweise ihrem Herzen verbunden? Befindet sich die Seele vielleicht sogar in der Aura, die jeden Menschen umgibt?
Der amerikanischer Arzt MacDougall stellte Anfang des 20. Jahrhunderts in Experimenten fest, dass ein Sterbender nach dem letzten Atemzug rund 21 Gramm weniger wiegt. Diese 21 Gramm waren seiner Meinung nach nicht das restliche Atemvolumen oder Flüssigkeitsverlust, sondern es fand darin den Beweis, dass wir eine Seele haben. Da er seine Versuche nur mit einer sehr kleinen Anzahl von Sterbenden durchgeführt hatte und auch wohl Fehler im Versuchsaufbau vorlagen, akzeptiert die Wissenschaft seine These nicht.
Gibt es die Seele dann auch nicht? Wenn nicht, warum halten sich dann hartnäckig Begriffe wie „mit Herz und Seele“, Seelenwärmer, seelisches Gleichgewicht, alte Seele, Seele baumeln lassen oder seelenverwandt?
Wenn ich die Seele wiegen kann, dann müsste ich sie doch auch sehen oder in der Hand halten können, oder? Obwohl, meine Gedanken sieht ja auch niemand und dennoch sind sie da. Sichtbar ist lediglich die Hirnfunktion beim Vorgang des Denkens, der Gedanke an sich bleibt zum Glück den Wissenschaftlern und Chirurgen (noch) vorenthalten.
Aber was ist eigentlich die Seele? Ist es das, was mich ausmacht, mich als einzigartiges Wesen, mich als Individuum mit meinen Gedanken und Gefühlen? Und ist die Seele gleichbedeutend mit Geist?

Der Gedanke an Auferstehung hilft sicherlich in der Trauerzeit, aber wie kann ich sie mir vorstellen? Wie sehe ich meine Lieben wieder? In ihrem leiblichen Körper wohl kaum. Erkennen sich Seelen auch ohne den passenden Leib? Und wer gehört familiär gesehen zu wem? Und wie sieht es in Patchworkfamilien aus? Gilt da das Recht des Älteren?
Buddhisten beispielsweise glauben hingegen, dass sich die Seele einen neuen Menschen sucht, um dort weiterzuleben. Reinkarnation kontra Auferstehung. Wie kann ich mir die Reinkarnation vorstellen? Sind alle Seelen nach Alter, Fähigkeiten oder erlebten Gefühlen sortiert und warten gemeinsam darauf, in neue Körper geschickt zu werden? Werden sie quasi recycelt? Wer ordnet an, wann, und wer bestimmt, welche Seele in welchem Körper wiedergeboren wird? Erhalte ich als neuer Mensch eine fertige Seele, komplett mit allen Emotionen und geistigen Erfahrungen? Dann hätte ja bereits vor mir eine Person exakt dieselben Gedanken gehabt und ich erlebe seine Erfahrungen noch einmal. Wo bleibt dann mein eigener Freiraum? Mein eigenes Denken? Meine eigenen Gefühle? Oder setzt sich die neue Seele aus Teilen alter Seelen zusammen und wird dadurch immer wieder neu gestaltet, so wie es einige Esoteriker annehmen? Ist sie von Anfang an fertig und gefüllt oder lerne ich dazu? Ist eine Babyseele dann leichter als die eines Erwachsenen?
Möglicherweise zieht sich beim Tod eines Menschen das Universum die Energie aus der Seele und speichert sie. Bei den hundert Milliarden Menschen, die bisher auf unserer Erde gelebt haben, müssten alle Seelen zusammen ein unvorstellbares Gewicht haben. Machen sie vielleicht die Antimaterie aus? Materie und Antimaterie vernichtet sich gegenseitig, übrig bleibt jedoch immer etwas Materie, wodurch wir und alles um uns herum weiter existieren können. Dann wären aber zahlreiche Seelen verloren. Stammt daher vielleicht der Begriff der verlorenen Seelen?
Und die restlichen Seelen oder ihre Fragmente? Werden sie nach dem Gesetz des Universums wahllos wieder neu zusammengesetzt, da Energie nicht verloren geht, und meine Seele besteht aus Anteilen eines Ritters, einer Kräuterhexe und erschreckenderweise auch aus Seelenpartikeln eines Reality-Sternchens? Und haben Tiere ebenfalls eine Seele? Sind auch Anteile einer Löwenseele oder die eines Regenwurms in mir und sind im Gegenzug auch menschliche Seelenanteile im Steak vorhanden, das vor mir auf dem Teller liegt?
Bei diesen Gedanken bin ich aber jetzt wirklich raus.

Text: Martina Jansen
kostenlose Fotos: pexels

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