Zu Gast bei Kati Salamon und ihren „Schwestern“

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Zu Gast bei Kati Salamon und ihren „Schwestern“

Itsenäisyyspäivä - 100 Jahre finnische Unabhängigkeit

Fnnen sind gerne für sich, gerne in der Natur und auch gerne im Wald.

Und natürlich, wie kann es im Land der 100.000 Seen auch anders sein, am Wasser. Diese Naturverbundenheit zeigt sich selbst in finnischen Filmen, in denen kaum gesprochen wird. Dieses Land feiert seine 100-jährige Loslösung von Russland – und zehn finnische Frauen feiern in Dorsten mit.

Das war mal wieder ein Termin so ganz nach meinem Geschmack: Kaffee, Kuchen und eine äußerst sympathische Gastgeberin mit ihren neun Gästen. Ich bin zu Besuch bei Kati Salamon, die ihre „finnischen Schwestern“ eingeladen hat. „Es sind nicht meine leiblichen Geschwister“, erklärt sie mir, „aber da unsere Familien noch zum Teil in Finnland wohnen, sind wir alle zu „Ersatzschwestern“ geworden.

„Wir sind stolz Finnen zu sein“, laute die einhellige Meinung aller zehn Frauen am Tisch. „In Finnland ist die 100-jährige Unabhängigkeit ganz aktuell und allgegenwärtig“, erzählt stolz Kaarina Edel davon, dass das finnische Logo „Suomi 100“ überall im ganzen Land sichtbar ist. Und so stehen auch hier heute blau-weiße Fahnen auf dem Tisch.

Über 40 Jahre lang, einmal im Monat, immer mittwochs, treffen sich die finnischen Frauen jeweils bei einer anderen Gastgeberin. Dabei steht auf jeder Kaffeetafel immer das traditionelle Hefegebäck „Pulla“, das jede finnische Frau schon gebacken hat. Heute gibt es zusätzlich, neben anderen selbst gebackenen Kuchen, auch die „Joulutorttu“, die leckeren Weihnachtstörtchen. Das Rezept dazu finden Sie am Ende des Textes.

Foto oben rechts: Finnland, das Land der 100.000 Seen

 

Seit zehn Jahren sammeln die Frauen das Geld, das sie sonst für einen Blumenstrauß für die Gastgeberin ausgegeben hätten, und spenden es am Ende des Jahres armenischen Kindern in den armen Bergdörfern.


„Das Klischee über die Finnen lautet allgemein, dass wir wären still und introvertiert wären“, beginnt Kati Salamon und fährt fort: „Finnen sind gerne für sich und reden nicht viel mit fremden Menschen. Haben wir uns aber mit ihnen angefreundet, dann sind wir Finnen alle warmherzig und gastfreundlich.“ Ich habe jedoch schon von Anfang an einen anderen Eindruck, denn jede der anwesenden Frauen ist aufgeschlossen und lacht viel.

Kennengelernt haben sie sich alle über jemanden, der jemanden kennt, der eine Finnin kannte. Oder so wie bei Kirsti Nockmann, die einfach an der Tür schellte, hinter der eine Finnin wohnen sollte.

„Der Mittwoch ist uns heilig und wenn wir nicht ernsthaft krank sind, dann treffen wir uns auch und sprechen nur finnisch miteinander, denn wir möchten unsere Muttersprache nicht verlernen“, so Hannele Friedriszik. „Dennoch fallen wir in Finnland mit unserer Sprache auf“, verrät Kaarina Edel. „Es sind im Laufe der Jahre so viele neue Wörter dazugekommen, die wir gar nicht kennen. ‚Ihr sprecht komisch‘, wird uns daher immer wieder gesagt.“ Völlig akzentfrei spricht dagegen Sybille Marttunen. „Sybille hat einen Finnen geheiratet, spricht aber besser Finnisch, als wir alle“, erklärt Kati Salamon die fehlerfreie Aussprache ihres einzigen deutschen Gastes.

Foto oben rechts: Kati Salamon (rechts neben dem Pferd) mit ihren finnischen "Schwestern"

Die zehn Frauen aus Dorsten, Maria Veen, Raesfeld-Erle, Marl, Recklinghausen und Schermbeck halten die finnische Tradition in ihren Familien hoch. Nicht nur, aber besonders zu Weihnachten. „Der Heilige Abend ist bei uns der wichtigste Weihnachtstag“, erfahre ich von Hannele Friedriszik. „Dann wird viel gesungen und es kommt nicht das Christkind, sondern der Weihnachtsmann, der Joulupukki.“

Der Ablauf ist in allen finnischen Familien gleich und um 12 Uhr muss das Essen fertig und der Baum geschmückt sein. „Der Verkehr ruht, die Geschäfte schließen, denn Punkt 12 hört jeder Finne den Weihnachtsfrieden aus Turku, der live übertragen wird. Diese Tradition halten wir auch hier bei“, erwähnt Pirkko Zimmermann und alle Frauen nicken.
Um 16 Uhr gehen die Finnen zum Friedhof und danach – wen wundert’s? – ab in die Sauna. Die Sauna ist für einen Finnen unentbehrlich und es ist das einzige finnische Wort, das wir in unserem Sprachgebrauch übernommen haben. Hier wurden früher die Kinder geboren, denn es war der einzige saubere Ort, an dem es auch heißes Wasser gab. „Wenn Alkohol und Sauna nicht mehr helfen, dann stirbst du“, zitiert Hannele Friedriszik ein typisches finnisches Sprichwort. 

„Der Weihnachtsschinken und die Aufläufe bleiben am Heiligen Abend den ganzen Tag über stehen und jeder bedient sich nach Lust und Laune“, gibt Kirsti Gellert einen weiteren kleinen Einblick in die nordische Weihnachtstradition. „Auch der Weihnachtsmann, der mit seinen Wichteln bei den Nachbarn Geschenke verteilt, ist ein langer Brauch in Finnland“, ergänzt Pirkko Zimmermann. Und last, but not least darf auch der Reisbrei im Land der Elche und Rentiere nicht fehlen. Wer die einzige Mandel im Brei findet, der hat Glück im Neuen Jahr.

„Unsere finnischen Rituale gehören für uns genauso zu Weihnachten, wie die Weihnachtslieder in unserer Muttersprache  oder der Glögi, der Weihnachtsglühwein“, bestätigt Kati Salamon die Aussage ihrer „Schwester“ Pirkko. Am 2. Advent findet daher in der Johanneskirche in der Altstadt um 15:00 Uhr ein zweisprachiger Gottesdienst statt, der allen Frauen hier am Tisch sehr wichtig ist.

Foto oben rechts: Auch das Brandenburger Tor besuchten die Frauen auf einer ihrer Reisen

Neben dem Heiligen Abend ist der 6. Dezember jedes Jahr für alle Familien ein besonderer Tag. Bei einem großen Empfang im Präsidentenschloss in Helsinki werden zahlreiche finnische Sportler, Künstler oder auch Politiker geehrt und alle Finnen schauen sich die fünfstündige Liveübertragung gemeinsam mit der gesamten Familie an. „Das ist unsere ‚Oscar-Verleihung‘“, freuen sich die Anwesenden jetzt schon auf die Ausstrahlung.

Der diesjährige Nikolaustag hat jedoch einen noch höheren Stellenwert:  Finnland feiert zum hundertsten Mal seine Unabhängigkeit. „Ich bin stolz auf meinen Vater und all die anderen Männer, die für unsere Freiheit gekämpft haben.“ Dieser Stolz ist in der Stimme und in den Augen Arja Glomsdas deutlich zu erkennen. 

Kirsti Nockmann berichtet ebenfalls stolz über die Schulkinder, die extra für die Gräber der gefallenen Soldaten Kränze herstellen. „An jedem Grab steht ein junger Mann im damaligen Alter des Soldaten und hält Ehrenwache“, so Kirsti Nockmann weiter. Ich bekomme alleine von der Vorstellung schon eine Gänsehaut.

Alle zehn Frauen leben gerne hier in Deutschland und sind voll integriert. Mittlerweile ist Finnland nicht mehr so unbekannt wie damals, als die ersten Finnen nach Deutschland kamen. Anna-Liisa Bergemann erinnert sich: „Damals dachten die Deutschen noch, Finnland wäre ein armes Land“, und Arja Glomsda ergänzt lachend: „Oder sie dachten, bei uns laufen Eisbären über die Straßen.“

„Seit fast 70 Jahren stellen wir zwei Kerzen ins Fenster“, berichtet Aini Müller von einem weiteren Ritual in Finnland.
Eine Kerze fürs Vaterland und eine für die Heimat – ein schönes Ritual, nicht nur jetzt im Jubiläumsjahr.

Foto oben rechts: Vor dem Havis Amanda Brunnen in Helsinki

Joulutorttu – finnische Weihnachtstörtchen

Zutaten:

300 g Weizenmehl
300 g Butter
200 ml Wasser
1/2 Teelöffel Salz
Finnisches Pflaumenmus aus Trockenpflaumen eingekocht
Puderzucker

oder
alternativ zwei fertige Blätterteige aus der Kühlung
süßes Pflaumenmus, eventuell mit Zimt verfeinert
Puderzucker

Zubereitung:
Mehl mit 200 Gramm Butter, Salz und Wasser zu einem glatten Teig kneten und kurz im Kühlschrank ruhen lassen.
Anschließend den Teig ausrollen, die restliche kalte Butter in dünnen Scheiben auf eine Teighälfte hobeln, die Hälften zusammenklappen, ausrollen und den Teig erneut kühlen. Die ganze Prozedur noch zweimal wiederholen, nur auf diese Weise entsteht der Blätterteig.
Beim letzten Ausrollen den Teig in Quadrate teilen. Diese Quadrate an den Spitzen bis zur Hälfte einschneiden, jede zweite Spitze zur Mitte hin einschlagen und festdrücken.

Pflaumenmus in die Mitte geben, das Gebäck auf Backpapier legen und bei 180 Grad Umluft etwa 13 bis 15 Minuten backen, bis die Joulutorttu an den Rändern etwas Farbe annehmen.
Die Räder etwas abkühlen lassen und anschließend mit Puderzucker bestäuben.

Hyvää Joulua - Fröhliche Weihnachten

Rezept: Kati Salamon

Text: Martina Jansen
Fotos: Martina Jansen, privat und fotolia

Zurück