„Wir bekommen viel zurück“
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
„Wir bekommen viel zurück“
Ehrenamtliche Begleiter beim Kinder-und Jugendhospizdienst
„Unsere Arbeit ist sinnvoll“, sind sich die ehrenamtlichen Begleiter beim „Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher Lippe“ einig. „Wir schenken Kindern und Jugendlichen mit verkürzter Lebenszeit einen Teil unserer Zeit, bekommen aber viel mehr zurück.“
Obwohl die Situation für alle Beteiligten ernst ist, sind weder die betroffenen Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien noch ihre Begleiter ständig niedergeschlagen. „Im Gegenteil, wir sind lebensfroh, denn wir sehen deutlich, dass das Leben endlich ist, und so nutzen wir die Zeit, die uns bleibt, ganz bewusst. Und ganz bewusst leben wir deshalb auch im Hier und Jetzt“, betont Anja Jansen-Terboven, Koordinatorin des „Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Emscher Lippe“.
Hilde Hollstegge aus Dorsten ist eine der 25 aktiven EhrenamtlerInnen hier im Gladbecker Bezirk. „Nach meiner Pensionierung wollte ich gerne ehrenamtlich arbeiten“, beginnt sie. „Die generelle Hospizarbeit interessierte mich aus persönlichen Gründen, aber die Begleitung Erwachsener, die unmittelbar sterben werden, hätte ich mental sicher nicht so gut verkraftet.“
Bei Kindern mit einer lebensverkürzenden Diagnose sieht die Situation etwas anders aus: Selten ist ein Kind direkt lebensbedroht, sondern, wie der Name schon sagt, seine Lebenserwartung ist verkürzt. „Ich beschloss, diesen Kindern meine Zeit zu schenken, und absolvierte einen Befähigungskurs. Nach 100 Kursstunden erhielt ich ein Zertifikat, das deutschlandweit gültig ist“, fährt die ehemalige Lehrerin fort. Seitdem begleitet die 67-Jährige den gesunden zehnjährigen Bruder eines betroffenen Jungen.
„Ich bin gerne in der Familie der Jungen und habe durch die Situation dort meinen Blickwinkel geändert und weiß nun mehr zu schätzen, was ich in meinem Leben habe. Ich nehme nicht mehr alles als selbstverständlich hin“, ergänzt die lebensfrohe Dorstenerin.
Foto oben rechts: Hilde Hollstegge engagiert sich gerne im anbulanten Kinder- und Jugendhospizdienst
Dass sich Werte verschieben, das erfährt Anja Jansen-Terboven auch regelmäßig nach jedem Befähigungskurs von den Teilnehmern. „Ich höre sehr oft, dass der Kurs andere Menschen aus ihnen gemacht hat, sie werden demütiger und erleben den Alltag intensiver.“
Das liegt sicher auch an den Themen, mit denen sich die zukünftigen ambulanten Kinderhospizbegleiter beschäftigen und die sehr in die Tiefe gehen. So denken sie selbst unter anderem über ihre eigene Endlichkeit des Lebens nach. „Der Tod gehört zum Leben“, so Anja Jansen-Terboven, „und sobald wir dies verinnerlicht haben, können wir auch leichter damit umgehen.“
So erleben auch Familien und die betroffenen Kinder und Jugendlichen, die sich der lebensverkürzenden Diagnose stellen müssen, den Alltag intensiver. „Damit wir aber offen reden und unsere kostenlose Hilfe auf Augenhöhe anbieten können, müssen alle Seiten absolut ehrlich sein“, fährt die freundliche Koordinatorin fort.
Hilde Hollstegge begleitet nun seit zwei Jahren ihren Schützling und ist immer noch mit ganzem Herzen dabei, wie sie erwähnt. Etwas länger ist Helmut Leßner ehrenamtlich beim ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst tätig. So wie Hilde Hollstegge auch, suchte der Halteraner im Ruhestand eine sinnvolle Beschäftigung. „Ich bin nun einmal wöchentlich etwa drei Stunden in Barkenberg und begleite Nicklas. Nach neun Jahren gehöre ich fast schon zur Familie und wenn ich nicht selbst einen wichtigen Termin habe, dann geht Nicklas vor“, erzählt der 71-Jährige.
Foto oben rechts: Anja Jansen-Tervoven, koordiniert die Einsätze beim "Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher Lippe"
Durch die vielfältigen Angebote des Deutschen Kinder- und Jugendhospizdienstes auch für Geschwisterkinder, sind viele Gruppen mittlerweile stark verwurzelt, sodass sie auch noch übers Teenageralter hinaus gute Kontakte untereinander haben und sich regelmäßig treffen. „Auch betreuen wir die Familien und Geschwister über den Tod des betroffenen Kindes hinaus, wir lassen niemanden alleine“, bemerkt Anja Jansen-Terboven und Hilde Hollstegge ergänzt: „Es treten dann von jetzt auf gleich eine Leere und eine Stille auf, die viele Familien seit Jahren nicht mehr kennen. Damit müssen sie auch erst wieder lernen umzugehen. Wir sind dann da, denn gerade in dieser Situation würde das Geschwisterkind ja ansonsten nicht nur Bruder oder Schwester verlieren, sondern auch seine jahrelange Bezugsperson neben seinen Eltern.“
Die meisten Begleiter sind Frauen, aber der Hospizdienst würde sich auch sehr über weitere männliche Begleiter freuen. „Durch die belastenden Umstände zerbrechen viele Ehen“, bemerkt die Koordinatorin des Gladbecker ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes, „da fehlt oft der männliche Part, der den Jugendlichen auch schon mal eine ‚klare Ansage‘ macht.“
Als ambulanter Begleiter ist jeder herzlich willkommen, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder welcher Religion. Die zukünftigen ehrenamtlichen Helfer können sich selbst aussuchen, ob für sie eher eine Bürotätigkeit oder zum Beispiel die Mithilfe an den Infoständen in Frage kommt, oder ob sie lieber das kranke Kind, die Eltern oder ein Geschwisterkind begleiten möchten. Die medizinische Pflege übernehmen die ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer jedoch nicht.
Foto oben rechts: Ein starkes Team im "Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Emscher Lippe"
Schirmherr Björn Freitag stellte im Goldenen Anker in Dorsten einen Raum für die Infoveranstaltung am 30. Juli 2019 zur Verfügung. Der nächste Befähigungskurs beginnt am 9. September in Gladbeck, Kirchplatz 5.
Weitere Informationen erhalten Sie unter 02043 9872740 oder auf www.deutscher-kinderhospizverein.de
Sie möchten sich einbringen, haben aber momentan noch nicht die Zeit dazu? Dann kommen Sie beim 24-Stunden-Spendenlauf in Reken am 6. und 7. September in unser Team. Für ein geringes „Kostgeld“, das wir natürlich dem ambulanten Hospizdienst spenden, verpflegen wir Sie 24 Stunden lang – aufmunternde Worte und nette Gespräche inklusive.
Anmelden können Sie sich auf der Seite www.laufen-in-reken.de.
Bitte tragen Sie im Menuepunkt "Vereinsname" "Team Lokallust/Vereinsname"" ein. So können wir anhand der Starterliste erkennen, dass Sie sich für unser Team angemeldet haben.
Näheres können Sie der Ankündigung für den Sponsorenlauf entnehmen.
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak