Werner und Luise: Ab in den Süden

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Werner und Luise: Ab in den Süden

Kaum sind sie da, sind sie auch schon wieder weg.

„Zum Glück“, denkt sich jetzt vielleicht der eine oder andere Leser und hat dabei seine unliebsame Verwandtschaft im Kopf, die sich bei ihm einquartiert hat.

„Schade“, denken sicher die zahlreichen Naturfreunde, die das Paar gerne am Horst beobachten. Die Rede ist von Dorstens erstem Storchenpaar, das sich hier im Hervester Bruch vor einigen Jahren niedergelassen hat. Reiher, die ebenfalls in Dorsten anzutreffen sind, und Störche können beim Fliegen sehr gut auseinandergehalten werden: Reiher ziehen im Flug Hals und Beine an, Störche halten sie lang ausgestreckt.

Nach Ausweisung der Weideflächen im Hervester Bruch als Ausgleichsflächen für die Umgehungstraße’ ums Dorf Hervest, hatte Horst Papenfuß vom Hervester Heimatverein die Idee, eine Nisthilfe für Störche zu errichten. Gesagt, getan. „Unsere Vereinsmitglieder der ‚Mittwochstruppe" errichteten 2001 eine Nisthilfe“, erinnert sich Hans Fromm vom Heimatverein. Bereits ein Jahr später nahmen die ersten Störche, von den Hervestern Werner und Luise getauft, den Horst an. 

Der Kreis Recklinghausen wies das Gebiet als Naturschutzgebiet aus und ließ durch den Heimatverein Parkplätze und Plattformen errichten. Rote Fahrbahnmarkierungen rund um das Naturschutzgebiet sollen verhindern, dass motorisierte Naturfreunde quasi direkt bis ans Nest fahren. Leider „übersehen“ das jedoch immer wieder einige Mitmenschen, getreu dem Motto: „Sicher will ich zurück zur Natur, aber doch nicht zu Fuß!“

Aus zwei Brutpaaren im Jahre 1987 in ganz NRW sind mittlerweile über 200 geworden. Ein Erfolg diverser Naturschützer. So gelang es, neben dem erneuten Ansiedeln des Uhus, Mitarbeitern der Biostation Lembeck in Zusammenarbeit mit dem Hervester Heimatverein, auch das Storchenpaar hier heimisch werden zu lassen. Jedes Jahr aufs Neue fliegt es den vom Heimatverein weiterhin gepflegten Horst an und brütet dort. Störche sind nicht nur dem Partner, sondern auch ihrem Standort treu. Und so kann man von einer der hölzernen Plattformen mit großer Wahrscheinlichkeit jedes Jahr im Juni/Juli die Jungstörche mit bloßem Auge im Nest erkennen.

Vorher jedoch werden Werner und Luise jedes Jahr im Frühjahr nicht nur von den Mitgliedern des Heimatvereins ungeduldig erwartet. Zu dieser Zeit kommen sie zurück aus ihren Winterquartieren in Afrika, wobei immer mehr Störche mittlerweile auch in Südspanien überwintern. Nahrung finden sie dort auf Müllhalden mehr als genug. Das ist hier leider nicht immer gegeben. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus kleinen Tieren wie Fröschen, Mäusen, Schlangen, Insekten und auch Aas verschmähen sie nicht. Dieses Futter finden sie gewöhnlich auf feuchten Wiesen und an Teichen. Jedoch wird ihr Lebensraum immer weiter eingeschränkt, so dass Meister Adebar bereits 1984 und 1994 zum Vogel des Jahres in Deutschland gewählt wurde und damit als gefährdet galt.  

Warum freuen wir uns eigentlich, wenn wir Störche sehen? Junge Paare mit Nachwuchswünschen hoffen auf ein kleines Bündel, das ihnen der Storch vor die Türe legt, andere hingegen sind wahrscheinlich froh, dass der Storch so weit entfernt auf dem Nest sitzt und ihnen so nicht ins Bein beißen kann. Aber Spaß beiseite, die Mär vom Baby-Boten hält sich ziemlich hartnäckig, genauer gesagt seit dem 18. Jahrhundert. Selbst der Disney-Elefant Dumbo wird vom Klapperstorch zu Mrs. Jumbo ins Zirkuszelt getragen – allerdings mit etwas Flugverspätung aufgrund des erheblichen Gewichtes des kleinen Dickhäuters im Schnabel.
Ciconia ciconia, so der lateinische Name des Storches, ist besser unter dem Namen „Meister Adebar“ bekannt. „Auda“ bedeutet im Hochdeutschen Glück, „bera“ drückt aus, dass etwas gebracht wird: Adebar, der Glücksbringer.

200 Brutpaare gibt es laut Aussage des Leiters der Biologischen Station in Lembeck zur Zeit in NRW. Eines davon sind „HerrMann“ und Inge aus Deuten, neben den Brutpaaren auf den Rhader Wiesen und in Hervest. Die Naturschutzgruppe des Heimatvereins Deuten hat in diesem Frühjahr das Nest mit abgeschnittenen Weiden aufbereitet. Exakt am Tage der Hauptversammlung wurde daraufhin dort der erste Storch gesichtet.

Drei weitere Störche inspizieren anschließend noch das Nest, geblieben sind zum Schluss „HerrMann“ und Inge. Nachwuchs gab es dieses Jahr keinen, das war bei Werner und Luise anfangs auch nicht anders. Sie benötigten mehrere Anläufe, um erfolgreich ihre Jungen aufzuziehen. Vielleicht klappt es bei den Neuankömmlingen aus Deuten ja nächstes Jahr besser. Da sie einige Tage nicht am Horst gesichtet wurden, wird gemunkelt, dass sie sich möglicherweise bei ihren Verwandten in Hervest einige Ratschläge zur erfolgreichen Brut abholten. Wir werden es im nächsten Jahr sehen. 

Wenn Sie, lieber Leser, liebe Leserin, die Langbeiner noch in diesem Jahr zu Gesicht bekommen möchten, dann wird es Zeit, sich Richtung Horst zu begeben. Denn so langsam machen sie sich wieder bereit für den wochenlangen Flug in den Süden. Und bis Sie dann wieder das laute Schnäbelklappern hören, mit dem sich die Partner begrüßen, vergeht wieder mehr als ein halbes Jahr.

Text: Martina Jansen
Fotos: mirkograul/Fotolia.com

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