Weihnachten im fremden Land
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Weihnachten im fremden Land
Wie erleben Flüchtlinge in Dorsten die Weihnachtszeit?
Die Vorfreude auf Weihnachten wird bei uns bereits in der Adventszeit sichtbar. Die Innenstädte sind festlich beleuchtet, Weihnachtsmärkte laden zum Bummeln ein und in den weihnachtlich dekorierten Wohnungen riecht es nach Zimt, Orange und Tannennadeln. Diese Zeit ist etwas Besonderes und hat für Christen ihren Höhepunkt am Heiligen Abend, dem Tag der Geburt Jesu.
Doch wie erleben eigentlich die in Dorsten ansässig gewordenen Flüchtlinge Weihnachten? Sie kommen aus verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen Religionen, feiern Weihnachten nicht in unserem Sinne, haben aber dennoch ihre eigenen Feiertage und Traditionen, die ebenso hoch angesiedelt sind, wie das Fest zur Geburt Jesu bei uns.
Wie fühlen sich diese Menschen, die alles zurücklassen mussten, hier bei uns an den Festtagen?
Ich habe mich mit einigen Flüchtlingen getroffen und mit ihnen über unser Weihnachtsfest gesprochen. Mit Rafi aus Izmir, Aisato aus Guinea und Ismail aus Äthiopien, um nur einige zu nennen. Alle beteuern mir unisono, dass sie die Weihnachtsgeschichte der Christen kennen.
Zwischen der Bibel und dem Koran gibt es schließlich Parallelen. Während Maria Jesus in einem Stall in Bethlehem zur Welt bringt, erblickt Issa, der Sohn Maryams, am Stamm einer Dattelpalme das Licht der Welt. Auch im Koran gehört Jesus zu den Propheten, jedoch nimmt Mohammed hier den Platz des wichtigsten Propheten ein. Daher erleben Muslime unser Weihnachtsfest nicht religiös, sondern eher kulturell.
Christliche Rituale sind unseren arabischen Gästen bereits aus ihrer Heimat bekannt. So werden als Zeichen des Respekts und der Nächstenliebe in arabischen Ländern am Heiligen Abend Gottesdienste aus verschiedenen christlichen Kirchen live im Fernsehen übertragen. Ebenso ist es in islamischen Gegenden Tradition, seinen Mitmenschen eine Freude zu bereiten. So besuchen Muslime ihre Nachbarn und Freunde und wünschen ihnen ein frohes Fest und oftmals wird gemeinsam gegessen.
Mustafa Onur wird sich auch in Dorsten an diese Gepflogenheit halten und Baklava, das typische Blätterteiggebäck backen, eine CD mit Liedern aufnehmen und sie mit guten Wünschen an seine Nachbarn verschenken. Für den 42-Jährigen ist Dorsten Heimat geworden. „Ich liebe Dorsten, ich lebe gerne hier. Der Kanal erinnert mich sogar ein wenig an meine Heimatstadt Istanbul.“
Anders erleben Heidar und Gofran mit ihren drei Kindern Baquer, Ali und Raihana aus dem Irak diesen Tag. Sie sind gerade erst nach Dorsten gekommen und feierten statt Weihnachten Mohammeds Geburtstag, der für sie eine große Bedeutung hat. Mit Tee, Nüssen, Kürbis und dem Singen muslimischer Lieder verbrachten sie ihn dieses Jahr am 19. November. Auch Aisato, eine sunnitische Muslima aus Guineas Hauptstadt Conakry, feiert aufgrund ihres Glaubens eher die traditionellen muslimischen Feste.
Rafi hingegen traf sich noch im letzten Jahr zu Weihnachten in seiner Heimatstadt Izmir mit vielen befreundeten Christen. Traditionell ging die ganze Familie ins Kino und betete anschließend für Jesus. Dabei überlegten sie, welche guten oder schlechten Taten sie im vergangenen Jahr vollbracht haben. Rafi ist erst kürzlich in Deutschland angekommen. Noch ist alles neu für ihn und wie und mit wem der 22-Jährige in diesem Jahr die Festtage verbringen wird, das weiß er noch nicht.
Bei einigen islamischen Familien steht als Festbraten mittlerweile auch eine Weihnachtsgans oder ein Truthahn auf dem Tisch. So wie bei Ali. Der 50-Jährige verbringt diesen Tag mit seiner Familie bei gutem Essen und im Anschluss werden gemeinsam Spiele gespielt. „Bingo spielen wir besonders gerne“, so Ali.
Auch in der Vorweihnachtszeit haben viele Muslime keine Berührungsängste mit unseren christlichen Bräuchen. So besucht Isa gerne Weihnachtsmärkte und kennt daher geschmückte Weihnachtsbäume und typische Weihnachtslieder. Auch den Weihnachtsmann kennt der 30-Jährige. Noel Baba bringt seine Geschenke in der Türkei jedoch erst zu Silvester.
Ob Mohammeds Geburtstag, Opferfest, Ramadan oder Weihnachten, der 21-jährige Ismasil aus Äthiopien feiert die Feste, wie sie fallen. Auf diese Weise hat er in der kurzen Zeit, die er in Dorsten ist, bereits einige christliche und muslimische Freunde gefunden.
Aufgrund des islamischen Mondkalenders verschiebt sich der Geburtstag des Propheten Mohammed jedes Jahr. 2015 fiel er auf den 24. Dezember, sodass Christen und Muslime diesen Tag, das Fest des Friedens und der Freude gemeinsam feiern und gerade an diesem Tag zeigen konnten, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen friedlich und gut zusammenleben können.
Frohe Weihnachten
Yeni Yiliniz Kutlu Olsun
عیدتان مبارک
Foto oben rechts: Traditionell wird Baklava mit Tee und Nüssen serviert
Text: Martina Jansen
Foto: fotolia