Über den Treppengiebeln Dorstens
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Über den Treppengiebeln Dorstens
55 Jahre lang auf der Suche nach den besten Motiven
Eines der bekanntesten Bilder, wenn nicht sogar das Bekannteste, das die Stadt Dorsten zeigt, ist wohl das Werk des Fotografen Peter Koerber. Es zeigt den Marktplatz mit den zahlreichen markanten Giebeldächern der Stadt.
„Ich habe schon immer daran gedacht, unsere Treppengiebelhäuser der Altstadt mit anderen auffallenden Gebäuden darzustellen“, verrät der Dorstener. Diese Lesegeschichte gibt Ihnen liebe Leserin, lieber Leser, einen kleinen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Bildes sowie in das fotografisch-künstlerische Leben des stadtbekannten Fotografen.
Wie so oft im Leben entscheiden Zufälle oder gestellte und gelöste Aufgaben über das weitere Leben eines Menschen. Zum Glück drehte Peter Koerber vor gut 55 Jahren einen Film mit Brieffreunden aus und in England. Das Leben des Fotografen hätte sonst komplett anders aussehen können. Das Gelingen des Films war Bedingung seiner Mutter, um von ihr die Erlaubnis zu bekommen, eine Fotografenlehre zu beginnen.
Der junge Peter erbte sicherlich das Künstlerische und das „gute Auge“, das ein Fotograf benötigt, von seinem Großvater, einem ehemaligen Studienrat im Fach „Kunst“ am hiesigen Petrinum. Von daher bekam er 1963 problemlos einen Ausbildungsplatz bei „Foto Adrian“ in Dorsten, bei dem er als angehender Fotograf bereits während der Lehre eine hohe Verantwortung übernahm. „Ich fotografierte im Auftrag meines Chefs eigenständig Hochzeits- oder Jubiläumsfeiern, Schützenfeste und einiges mehr“, erwähnt Peter Koerber noch sichtlich stolz auf das Vertrauen, das ihm sein damaliger „Lehrmeister“ entgegenbrachte, und erinnert sich weiter an vergangene Zeiten: „Im Vergleich zu damals ist das Fotografieren heute um einiges leichter geworden. An einer Nachtaufnahme saß ich schon mal wegen der geringen Blende vier Stunden vor dem Motiv und kam dann im entscheidenden Moment die Bahn vorbei, musste ich wieder ganz von vorne beginnen. Das steht im absoluten Gegensatz zu der heutigen Technik, mit der selbst auf Smartphones gute (Nacht-) Aufnahmen entstehen. Gefallen die Aufnahmen nicht, dann werden sie am PC bearbeitet, oder gelöscht und es wird neu fotografiert – oder geknipst, was den Kern vielleicht besser trifft. „Bei uns mussten die Aufnahmen einfach auf Anhieb sitzen, wir konnten sie nicht nachbearbeiten. Dafür waren es dann aber auch Dokumente und Originale. Standen zwei Personen auf dem Foto nebeneinander, dann konnte man damals sicher sein, dass sich die Zwei auch wirklich gesehen haben“, schmunzelt der Fotograf über die heutigen Möglichkeiten ein Foto zu bearbeiten.
Foto oben rechts: Fotograf Peter Koerber
An seine Lehre schloss sich 1972 die Weiterbildung zum Fotografenmeister auf der Hochschule für Fotografie in Hamburg an. Da sich Peter Koerber schon immer für Technik interessierte, wählte er die Schwerpunkte Industrie und Architektur. Die Meisterprüfung setzte sich jedoch aus allen möglichen Interessensgebieten zusammen. So mussten die Meisterschüler, unabhängig von ihren gewählten Themen, 20 Fotos unterschiedlicher Motive präsentieren, die sie auch selber entwickeln mussten.
Mit Erhalt des Meisterbriefes zog es ihn fort aus Dorsten und der frisch gebackene Meister verbrachte mehr Zeit im Ausland, als in Deutschland. Seine Aufträge waren Fotos diverser Automatisierungsprozesse und Energieformen verschiedener großer Firmen, für die er weltweit unterwegs war. So machte er Aufnahmen in Kraftwerken, unter Tage, in Raffinerien und Industrieanlagen und selbst in Atomkraftwerken, in denen er teilweise verstrahlt wurde. Der Arbeitsschutz wurde damals leider noch nicht so ernst genommen. „Ich erinnere mich noch an daran“, so Peter Koerber, „dass ich einmal auf einen 96 Meter hohen Braunkohlebagger geklettert bin. Ungesichert, mit meiner 10 Kilogramm schweren Ausrüstung und das – heute absolut nicht mehr vorstellbar – während der Bagger in Betrieb war.“
Es waren interessante und erlebnisreiche Jahre, die der Fotografenmeister in der Welt verbrachte. Immer dabei sein 70-Kilo-Equipment. „Die Ergebnisse der Aufnahmen konnte ich erst nach der Entwicklung in einem Fachlabor in Deutschland sehen“, erinnert sich der Dorstener Fotograf an frühere Zeiten.
Heutzutage wird dagegen fast nur noch digital fotografiert. Damit sind die Ergebnisse sofort sichtbar. Auch Peter Koerber ist diesen technischen Schritt mitgegangen und setze seinen früheren Gedanken, Dorstens Giebeldächer zu fotografieren, in die Tat um. „Dabei nahm ich mir einige künstlerische Freiheiten heraus“, gesteht der Dorstener.Seine Idee verselbstständigte sich und das Foto bekam durch die gewählte Anordnung der Treppengiebelhäuser immer mehr Aussagekraft. „Ich wählte absichtlich den Marktplatz mit all den Stühlen und Sonnenschirmen, um das Leben dort zu zeigen, musste allerdings auch Bäume, Autos oder geschlossene Rollläden am PC bearbeiten.“ Damit ist das „Dorsten-Foto“ genau genommen auch kein Foto mehr, sondern ein Bild.
Foto oben rechts: Das "Stadtbild" gibt es in verschiedenen Ausführungen und Farbgebungen
Eine Reihe Gebäude mit Giebeldächern war dem Fotokünstler zu wenig, er wollte mehr von der Stadt zeigen. Also setzte er kurzerhand eine zweite Reihe darüber, in der nun auch das Jüdische Museum, die evangelische Kirche, der Kubus, das älteste Fachwerkhaus Dorstens sowie die „Paterskirche“ ihren Platz fanden.
Sein fertiges Werk stellte Peter Körber in verschiedenen Formaten und Rahmungen zusammen mit zahlreichen Fotos aus seinem riesigen Fundus gut drei Jahre lang in seiner Galerie im Saal der ehemaligen Gaststätte „Kleinespel“ aus. Zu Ehren seines Großvaters Franz Wolff, dessen Spitzname Lupus lautete, nannte erdie Galerie damals „Lupus Fotokunst“. Die offene Galerie wurde schnell zu einer „Kultstätte“, wie Peter Koerber sie bezeichnete. Jedes Bild einer universellen Serie, die es in den Ausführungen „farbig“, „farbenreduziert“ und „schwarz-weiß“ gibt, war und ist immer noch handsigniert und limitiert.
Foto oben rechts: Auch die schönen Giebeldächer unserer Nachbarstadt Haltern am See wurden von Peter Koerber in einem Bild verewigt
„Ich zeigte meine fertige Dorsten-Ansicht eines Tages einem Freund, der es daraufhin in zwei Meter Breite in sein Wohnzimmer hing. Punktgenau beleuchtet war es natürlich ein Eyecatcher und trug ebenfalls dazu bei, dass das Bild noch bekannter wurde.
Fotokunst hält inzwischen fast 200 Jahre und ist mittlerweile weltweit anerkannt. Der Preis seiner Werke ist daher auf den ersten Blick hoch, aber gerechtfertigt, bedenkt man die Arbeit, die dahintersteckt. Peter Koerber hat bei seiner speziellen Stadtansicht den Marktplatz quasi aufgeklappt und von Norden nach Süden, selbst noch um die Ecken herum, auf eine Ebene gebracht. Dabei musste er etliche Häuser dreimal fotografieren und sie anschließend am PC zu einem Haus zusammensetzen. „Einige Häuser konnte ich nur aus dem Fenster der gegenüberliegenden Wohnungen ablichten, ich musste bei allen Fotos auf die gleichen Lichtverhältnisse achten und zusehen, dass die Perspektive immer stimmte“, erinnert sich Peter Koerber an die Momente der Aufnahmen. Mittlerweile ist bei einigen seiner Bilder eine dritte Ebene hinzugekommen, oder, wenn es der Käufer wünscht, auch sein eigenes (Geschäfts-)Haus.
Ein Geschenk, das reichlich Aufmerksamkeit erlang, ließ der Fotokünstler unlängst anfertigen. Sein Bild, auf dem das Schloss Lembeck, die Kirche St. Agatha und das Alte Rathaus durch eine Brücke und dem angedeuteten Verlauf der Lippe verbunden sind, ließ er aus Stahl lasern. Jedes einzelne Detail ist auf der mit Absicht verrosteten Platte deutlich zu erkennen. Somit ist das zwei Meter große Kunstwerk wie geschaffen, um einen Garten wirkungsvoll in Szene zu setzen.
Zurzeit können Sie die Werke des Künstlers in den Geschäftsräumen des exklusiven Einrichtungshauses „Raumanzug“ Auf der Bovenhorst bewundern – und natürlich auch kaufen.
Peter Koerber kann auf ein arbeits- und abenteuerreiches Leben zurückblicken. Jetzt lässt er es etwas ruhiger angehen, ist aber in seinem Büro noch genau so kreativ wie eh und je. Und das alles mit der besten Sicht von seinem PC aus auf die die schönen Treppengiebel unserer Stadt.
Foto oben rechts und unten: Nach diesem Ursprungsbild wurde das Kunbstwerk aus Stahl gelasert
Text: Martina Jansen
Fotos: Peter Koerber