Trocken seit …
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Trocken seit …
Suchtfrei beginnt im Kopf
Trocken seit 22.5.2013. Zwei Worte und sieben Ziffern auf einem kleinen Stück Papier. Mehr brauchte Dieter Eickelkamp anfangs nicht, um zu zeigen, dass er keinen Alkohol mehr trinkt.
Ein Zurück gab es bei Dieter Eickelkamp von dem Moment an nicht mehr, als er sich entschloss einen Entzug zu beginnen. Mit seinem Alkoholproblem ist der Östricher stets offen umgegangen, hat aber nie die Schuld bei anderen gesucht. „Alkoholismus ist eine Krankheit. Aber Schuld daran ist nicht der Job, schuld ist nicht die Familie und schuld ist auch nicht das Wetter, Schuld daran, dass ich trinke und wo ich stehe, bin ich. Ganz alleine ich.“
Seinen Alkoholkonsum hätte der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann gut verheimlichen können, wenn er gewollt hätte. Er arbeitete von Zuhause aus, da sah niemand die Flasche Bier, die stets auf dem Schreibtisch stand. Es ist übrigens ein Trugschluss zu glauben, ein Alkoholabhängiger wäre verwahrlost, würde zwei Flaschen Schnaps am Tag trinken, einen Filmriss haben, umfallen und dann weitermachen. „Nicht die Menge, die du trinkst, macht dich zum Alkoholiker, sondern die Regelmäßigkeit. Ich hatte nie Ausfallerscheinungen und wusste genau, wenn ich von 11 bis 23 Uhr meine fünf Flaschen Bier trinke, dann habe ich einen durchgehenden Pegel von 0,3 Promille. Das merkt mir niemand an“, erzählt Dieter weiter.
Alkohol ist gesellschaftsfähig und wird immer und überall toleriert. Das Likörchen oder das Piccolöchen am Morgen, das Feierabendbierchen werden durch die Bezeichnungen zwar verniedlicht, aber es ist und bleibt, was es ist: Alkohol, der konsumiert wird.
„Wer sich unsicher ist, ob er alkoholabhängig ist, könne gerne den ‚Dieter-Test‘ machen“, möchte der 59-Jährige auf das Problem des regelmäßigen Trinkens aufmerksam machen. „Sagen Sie sich, ich trinke jetzt ein halbes Jahr keinen Alkohol mehr und hören Sie in sich, welche Ausreden kommen, jetzt nicht damit anfangen zu können. Schützenfest? Opas 90-er? Sparfest in der Stammkneipe?“
Dieter Eickelkamp brauchte diesen Test nicht, bei ihm hat es eines Morgens plötzlich klick gemacht. Ab da stand für ihn fest, dass er einen Entzug mit anschließender Nasenbleiche, wie die Langzeittherapie allgemein genannt wird, machen wird.
„Was ich während der Entgiftung gesehen habe, das war schon heftig“, berichtet Dieter weiter und ich bitte ihn nicht ins Detail zu gehen. „Keine Sorge“, verspricht er mir, „aber ich habe wirklich etliche Patientinnen und Patienten in der Klinik richtig leiden sehen. Daher muss der Entzug bei starken Alkoholikern auch unbedingt medikamentös unter Aufsicht stattfinden. Sonst droht eventuell ein tödlicher Schock, da der geschwächte Körper diese Tortur nicht durchhält.“
Text oben rechts: Dieter Eickelkamp redet ganz offen über seine ehemalige Alkoholsucht
An die drei Wochen der Entgiftung schloss sich bei Dieter Eickelkamp eine viermonatige Therapie an, bevor er in ein neues Leben startete. „Menschen, die sich zum ‚Saufen‘ verabreden, verführen labile, trockene Alkoholiker, die kein stabiles Umfeld haben, anfangs immer wieder zum Trinken. Ohne meine Freunde und auch ohne meinen starken Willen hätte ich jetzt sicher auch wieder die Flasche Bier in der Hand. Zum Glück hat mich mein Umfeld gut aufgefangen und niemand wollte mich mit Sätzen wie ‚Ach komm, ein Bier kann doch nicht schaden‘ zum Trinken animieren“, ist Fitti, wie ihn seine Freunde nennen, heute noch dafür dankbar.
Das anfangs erwähnte einlaminierte Stück Papier war ein guter Einstieg in Gespräche, ohne mich erklären zu müssen“, blickt Dieter noch einmal zurück. „Anfangs machte ich mir für jeden trockenen Tag einen Strich auf eine Tapetenrolle, später wurden es Wochen, dann Monate und nun weiß ich nicht mehr, wo die Rolle ist.“
Nach der Entlassung aus der Therapie suchte sich Dieter Eickelkamp Ehrenämter, wie beispielsweise den Einkaufs- oder Friedhofsbegleitdienst für Senioren im Auftrag der Malteser Dorsten. Möchten Sie kostenlos zum Einkaufen oder zum Besuch eines Grabes auf dem Friedhof Ihrer Wahl gefahren werden, dann melden Sie sich doch bitte bei Andrea Schreiber unter der Telefonnummer 02362 7960858.
Foto oben rechts: Dieter Eickelkamp, glücklich ohne Alkohol
Eine Flasche Bier (500 Milliliter) enthält fast 20 Gramm reinen Alkohol. Schon zwei Flaschen Bier täglich haben deutliche Gesundheitsschäden an Herz, Leber und Gehirn zur Folge.
Wenn Sie selbst oder Angehörige Hilfe bei einer (möglichen) Alkoholabhängigkeit benötigen, dann wenden Sie sich gerne in Dorsten an das Blaue Kreuz, die Anonymen Alkoholiker oder an den Kreuzbund.
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak