Stürze im Alter - kann ich sie vermeiden?
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Stürze im Alter - kann ich sie vermeiden?
Einmal nicht aufgepasst, ein falscher Schritt, Wechselwirkungen der eingenommenen Medikamente, nasses Laub auf der Straße oder unbeleuchtete Wege und schon ist es passiert: Wir fallen. Was für die Jüngeren meistens ohne Folgen bleibt, kann für die ältere Generation ganz anders aussehen. Knochenbrüche, Kopfverletzungen und die ständige Angst vor einem weiteren Sturz könnten die Folge sein.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, ist die Vorsorge das A und O. Die beliebten offenen Schlappen anstelle von festen Hausschuhen, haben weder Schnürsenkel, noch Klettverschlüsse. Also nicht bücken, einfach rein und loslaufen – und hier liegt auch schon die Gefahr. „Durch das schnelle Reinschlüpfen bekommt der Schlappen Geschwindigkeit, der Fuß kommt jedoch nicht so schnell mit, landet auf der Absatzkante des Schuhes und knickt weg. Kaum jemand kann sich da noch halten“, weiß Dr. med. Marco Michels aus seinem medizinischen Berufsalltag. Er führte daher als Sturzprophylaxe auf seiner Station „Stoppersocken“ ein, die an jene Patienten verteilt werden, die, aus welchen Gründen auch immer, keine festen Hausschuhe am Bett stehen haben. „Damit senken wir erheblich die Anzahl der Stürze und der damit verbundenen Knochenbrüche“, fährt der Facharzt für Geriatrie fort.
Also sollte auch zu Hause gelten: Weg mit den „Latschen“, her mit „Stoppersocken“ oder Pantoffeln mit fester Kappe. Und im gleichen Zuge sollten Sie auch überlegen, ob Sie nicht besser Läufer und Brücken entfernen. Sie bergen eine dreifache Gefahr: Sie rutschen weg, die Teppiche werden zur Stolperfalle oder Sie treten genau auf die Kante der Brücke. Der Sturz erfolgt auch hier schneller als die Reaktion und Sie knicken dann, ebenso wie beim falschen Schuh, weg.
Auch die allgemeine Standfestigkeit im Alter ist durch teilweise gestörte Nervenfunktionen, zum Beispiel bei dem Diabetes, nicht mehr so gewährleistet, wie in jungen Jahren. Die Impulse verteilen sich nicht mehr auf alle zehn Zehen gleichmäßig, sodass das Gehirn nicht mehr hundertprozentig den Stand der Füße einordnen kann. Um dennoch etwas sicherer zu stehen, empfiehlt Dr. Michels, die Füße etwas weiter auseinander zu stellen oder einen Rollator zu benutzen. Bewegen Sie sich zusätzlich im Alltag, dann kräftigen Sie Ihre Muskeln und trainieren Ihr Gleichgewicht.
Rutschfeste Matten im Bad, Haltegriffe an den Wänden, neben dem festen sicheren Stand ist auch das gute Sehen besonders im Alter wichtig. Was Sie rechtzeitig sehen, können Sie auch besser einschätzen. Auch die Pflege der Zähne sollten Sie jetzt nicht vernachlässigen. Es verwundert Sie jetzt vielleicht, dass auch kranke oder fehlende Zähne die Gründe für Stürze sein können. Menschen mit Zahnproblemen essen seltener rotes Fleisch, da sie es nicht mehr kauen können. Das führt zu einer Unterversorgung mit Vitamin B12 und der Folsäure, die für die Nervenfunktion und das gute Gedächtnis verantwortlich sind. Bereits ein Glas Multivitaminsaft täglich könnte den Mangel schon beheben. Sorgen Sie noch zusätzlich, und das nicht nur nachts beim Toilettengang, für eine ausreichende (indirekte) Beleuchtung Ihrer Wohnung, so haben Sie schon einen guten Teil dazu beigetragen, Ihr Sturzrisiko zu senken.
In manchen Fällen ist es aber mit der oben genannten Vorsorge alleine nicht getan. Fast jeder dritte Senior stürzt im Laufe eines Jahres. Die gesundheitlichen Gründe dafür werden häufig unter dem Begriff
„Schwindel“ zusammengefasst. „Wichtig ist für mich dabei zu erfahren, um welchen Schwindel es sich handelt“, so Dr. Marco Michels. „Ist es ein Drehschwindel oder Schwankschwindel? Treten zusätzliche Beschwerden auf? Aus diesen Informationen kann ich Ursachen ausschließen oder die Diagnosen stellen“, erklärt der Dorstener Chefarzt weiter. „So kann die zeitgleiche Einnahme verschiedener Medikamente zu Schwindelanfällen führen.“
Auch Blutdruckmedikamente erreichen erst nach Wochen ihre volle Wirkung. So kann es sein, dass die Medikamente, auf die die Patienten anfangs eingestellt werden, zu niedrig dosiert sind. Also messen Sie regelmäßig ihren Blutdruck, dessen oberer Wert zwischen 120 und 140 liegen sollte. Ist er deutlich zu niedrig, kann der Schwindel vorprogrammiert sein, Ihnen wird schwarz vor Augen und Sie sacken in sich zusammen.
Gegen das Schwarzwerden vor Augen beim schnellen Aufstehen schützen Kompressionsstrümpfe, die verhindern, dass das Blut zu schnell in die Beine versackt – und daher im Kopf fehlt. Alternativ dazu können Sie sich auch langsam etappenweise und nicht zu schnell aufrichten.
Foto oben rechts: Schwindel kann verschiedene Ursachen haben
„Hier bei uns im St. Elisabeth-Krankenhaus ist neben der medizinischen Versorgung auch die gemeinsame Gruppentherapie wichtig, damit die Patienten merken, dass auch andere Menschen stürzen. Der psychische Aufbau ist damit ebenso wichtig, wie der physische.
"Und wenn es doch passiert ist und vor uns liegen Vater oder Mutter, die gefallen sind. Was sollten wir Angehörigen dann tun?"
„Das kommt darauf an, ob der Gestürzte noch ansprechbar ist, ansonsten sofort die Notfallnummer 112 wählen“, bringt es Dr. Marco Michels auf den Punkt. Das gilt ebenso beim Schlaganfall, bei dem man ebenfalls stürzen kann. „Ist der Angehörige nicht mehr in der Lage seinen Namen zu nennen, klingt seine Stimme anders oder hat er Mühe zu lächeln, dann zögern Sie nicht. ‚Zeit ist Hirn‘, also rufen Sie sofort den Krankenwagen. ‚Kommt von alleine, geht von alleine‘ ist die denkbar schlechteste Einstellung“, warnt der Geriater davor, zu lange zu warten, bevor der Rettungsdienst gerufen wird. Bleiben Sie bei Ihrem Angehörigen und reden ihm gut zu, versuchen Sie aber dennoch so viele Informationen wie möglich für den Notarzt zu sammeln: WO geschah der Sturz, WAS geschah, WELCHE Verletzungen sind aufgetreten, WELCHE Medikamente wurden eingenommen? Versuchen Sie auf keinen Fall, die Person an ihren Armen hochzuziehen, um sie aufzurichten. Sollte ein Schlaganfall vorliegen, so kugeln Sie das Schultergelenk sehr schnell aus, da die Muskeln dort nicht mehr arbeiten und der Schmerz nicht bemerkt wird. Fassen Sie die Person, besser unter den Achseln und versuchen Sie, ihr so hoch zu helfen. Bei schweren Verletzungen oder Blutungen am Kopf, bewegen Sie sie jedoch nicht, verständigen Sie den Notarzt und decken sie zu.
Bei den obengenannten und weiteren Sturzursachen können Sie Vorsorge treffen oder medikamentös behandelt werden, sodass Sie wieder aktiver am Leben teilnehmen können. Auch die digitale Technik schreitet auf dem Senioren-Sektor immer weiter voran und unterstützt diese Selbstständigkeit. So gibt es mittlerweile den Hausnotruf mit Fall- Detektor oder den Rollator mit GPS Tracker, der Alarm schlägt, sobald sich der Senior in kritischen Bereichen des Straßenverkehrs bewegt.
All diese Erneuerungen dienen der Sicherheit der älteren Leute, überwachen sie jedoch auch ein Stück. Und so hat dieser digitale Fortschritt wie so oft zwei Seiten: Segen und Fluch zugleich.
Foto oben rechts: Martina Jansen sprach mit Dr. med. Marco Michels, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Fachbereich Medizin im Alter, am St. Elisabeth-Krankenhaus Dorsten
Dr. med. Marco Michels
Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Fachbereich Medizin im Alter
Sekretariat: Sandra Jandziol
Tel. : 02362 29-54902
Email: s.jandziol@kkrn.de
Text: Martina Jansen
Fotos: privat und fotolia