Paddock-Trail auf dem Pferdegut Tüshaus
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Paddock-Trail auf dem Pferdegut Tüshaus
Das Nonplusultra der artgerechten Pferdehaltung
Das Thermometer zeigt gerade mal zwei Grad an, als ich mich mit Margarete Tüshaus auf ihrem Hof in Deuten treffe. Eine Temperatur, bei der Menschen rote Ohren und Hände bekommen und unruhig auf der Stelle treten. Den Pferden, die auf dem weitläufigen Gelände grasen, scheint die Temperatur nicht das Geringste auszumachen. „Sie spüren die Kälte nicht“, erklärt mir Margarete, „ihr Winterfell bildet eine isolierende Luftschicht über der Haut.“
Und tatsächlich ist in allen kleinen Tiergruppen Ruhe zu spüren. Hier auf dem Tüshaus-Gut leben sie artgerecht in Herden und verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit der gemächlichen Futteraufnahme an den verschiedenen Heuraufen. Die Hofbesitzerin führt mich über das Gelände. Überall zeugen noch alte Stallungen und Gebäude von der mehr als 600-jährigen Geschichte des Hofes. Alte Tradition, eine typische Hofidylle mit einem Prachtexemplar von Hahn, der stolz auf dem Misthaufen scharrt und seine Hennen zusammenhält, sowie eine moderne Pferdehaltung, all das vereint der Pferdehof Tüshaus. „Mein Großvater Max betrieb hier einst ein Pferdegestüt. Als Vorsitzender des ‚westfälischen Pferdestammbuchs‘ lenkte und dokumentierte er die Geschicke der Pferdezucht in Westfalen“, erinnert sich Margarete und fährt fort: „Danach übernahm mein Vater den Hof und führte hier einen Bullenmastbetrieb in konventioneller Landwirtschaft.“
2008 kam die studierte Agrarbiologin aus Köln zurück in ihre Heimatstadt und übernahm fünf Jahre später den Hof. Schnell war für sie klar, dass sich mit ihr der Kreis wieder zum einstigen Pferdehof schließen sollte. Als Ausbilderin der Alexander-Technik wollte sie einen Lebensraum für Tiere und Menschen schaffen, in dem Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden in ihrer natürlichen Lebensweise eine Einheit bilden. Neu war zu diesem Zeitpunkt die Haltungsweise „Paddock-Trail“, die Margarete Tüshaus auf ihrem Hof umsetzte.
Foto oben rechts: Margarete Tüshaus ist die strahlende Besitzerin einer wunderschönen Stute
„20 Stuten und 20 Wallache leben nach Geschlechtern getrennt im Sozialverband und sind das ganze Jahr über draußen anzutreffen“, erklärt sie mir und stellt auch gleich meine Annahme richtig, dass Pferde nachts zum „Schlafen“ in ihre Box müssen. „Pferde sind nachtaktive Tiere und auch nachts mit der Futtersuche beschäftigt.
Die Pferde unserer Einstallerinnen und Einstaller haben zwar neben einer großen Sandfläche eine Liegehalle, die sie jederzeit aufsuchen können, dies aber meist nur bei großer Sonnenbestrahlung tun. Ansonsten legen sie sich selten hin und halten ihren Powernap im Stehen mit einem Bein etwas angewinkelt.“
Beim Paddock-Trail sind die fünf Futterstellen auf einer Länge von 600 Metern verteilt. Etwa 750 Heuballen mit einem jeweiligen Gewicht von 300 Kilo werden jährlich dort unter Netzen verteilt, sodass die Tiere ihr Futter erarbeiten müssen. Neben der Bewegung, die die Tiere dadurch haben, leiden sie auch selten an Koliken, da der Stoffwechsel durch die ganztägige Futteraufnahme besser funktioniert.
Kommunikation zwischen den einzelnen Tieren findet ständig statt. Bei Stuten eher beim Fressen, Wallache „reden“ gerne beim Spielen miteinander. Dass die Rangordnungen dabei stets eingehalten werden, dafür sorgen jeweils die Leitstute sowie der Leitwallach.
Ein neues Pensionspferd hat in der Integrationsbox die Möglichkeit, seine Artgenossen zu beschnuppern, bevor es im Durchschnitt nach drei bis sieben Tagen zur Herde darf. In wenigen Monaten ist es hier integriert und hat seinen Platz innerhalb der Herde gefunden. „Wir sehen bei einigen Pferden, wie sich ihr Wesen ändert“, erzählt mir Margarete. „Scheue Tiere werden selbstbewusster, dominante Pferde müssen sich dem Leittier unterordnen.“
Foto oben rechts: Hier auf dem Hof finden die Stuten und Wallache schnell ihren Platz innerhalb der Herde
Für Margarete war ja wie bereits erwähnt klar, dass auf dem Gut wieder Pferde leben sollten, ohne zu wissen, warum sie so dachte. „Als ich später erfuhr, dass die Wiesen früher Rekrutierplätze für Pferde waren und sie zu Kriegszeiten von hier in den Tod geschickt wurden, berührte mich das sehr. Nun leben hier ihre Nachfahren ein Jahrhundert später im natürlichen Herdenverband“, freut sich Margarete.
Die Nachfrage nach dieser natürlichen Form von Tierpension ist sehr hoch, allerdings müssen Einstaller hierbei auch umdenken. „Ein Pferd ist zufrieden, wenn es den ganzen Tag bei seinen Artgenossen sein darf. Sein Besitzer spielt in seiner Welt bei dieser freien Art von Beherbergung wohl eher eine untergeordnete Rolle“, weiß die Hofbesitzerin. „Dafür müssen sie auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie in den Urlaub fahren und ihr Pferd zwei Wochen nicht sehen“, fährt sie fort. Die Reiterinnen und Reiter sind hier auch darauf vorbereitet, im Winter mit Gummistiefeln und Kopflampe ihr Pferd zu suchen und zu hoffen, dass es dann Lust hat, auch zu kommen. „Ich führe immer lange Gespräche mit neuen Besitzern. Denn unter ihnen soll eine Harmonie herrschen und auch ihre Einstellung muss zur Philosophie des Hofes passen. So soll die Ausbildung für unsere vierbeinigen Pensionsgäste ohne Restriktionen fürs Pferd, sondern auf natürliche Art mit Respekt vor dem Pferd geschehen.
www.pferdegut-tueshaus.de
Foto oben rechts: Auch Margarete Tüshaus‘ Stute Haifa ist auf dem zehn Hektar großen Gut untergebracht
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat