Kuschelalarm in Schermbeck
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Kuschelalarm in Schermbeck
Tiere verstehen uns auch dann noch, wenn uns die Worte fehlen
Ein Blick in die großen dunklen Kulleraugen reicht. Ich bin sofort verliebt und kann meinen Blick nicht mehr von Yeti lassen. Aber der hübsche Kerl ist bereits vergeben. Er gehört Sabine Hartmann, Entspannungstherapeutin und Coach aus Dorsten. Der dreijährige, preisgekrönte Alpakahengst lebt zusammen mit Norman, King und weiteren Alpaka-Hengsten auf der Lopaka Ranch von Holger und Simone Lorei in Schermbeck und ist ein absoluter Kuschelmagnet.
„Die Tiere vertrauen mir und ich kann mich voll auf sie verlassen. Daher nehme ich Yeti oder einen der anderen Hengste gerne mit zu Wanderungen oder zu meiner tiergestützten Therapie in Seniorenheime oder in Einrichtungen für behinderte Menschen“, erzählt Sabine Hartmann. „Gerade alte, behinderte oder demenzkranke Personen haben keine Scheu vor den friedlichen Alpakas und streicheln sie gerne. Sie kennen diese Tiere nicht und haben daher auch keine schlechten Erinnerungen“, fährt sie fort.
Da Alpakas Latrinengänger sind und somit immer gemeinsam einen festen Ort für ihr „Geschäft“ aufsuchen, sind sie quasi stubenrein. Daher kann die Dorstener Therapeutin sie gefahrlos mit in die Einrichtungen nehmen, ohne zu befürchten, hinter ihnen herwischen zu müssen.
Die etwas kleineren Verwandten der Lamas leben hauptsächlich in Peru und Bolivien und das am liebsten in einer Herde. Sie zählen zu der Familie der „Neuweltkamele“, da sie keinen Höcker haben. Ihre sehr feine, weiche und warme Wolle ist sehr begehrt und wird auch als „Vlies der Götter" bezeichnet.
Foto oben rechts: Ein tolles Team: Sabine Hartmann und Alpka Norman
Trotz ihres ruhigen und friedlichen Charakters sollte allerdings nicht vergessen werden, dass Alpakas immer noch wilde Tiere sind und das Anfassen an sich gegen ihre Natur ist. Aber durch die Arbeit mit Sabine sind die neugierigen Vierbeiner an Menschen gewöhnt. Nähert man sich ihnen behutsam, kommen sie bereitwillig mit schnellen Trippelschritten näher, geben ihrer Besitzerin sogar ein Küsschen und lassen sich auch von Fremden anfassen. Jedoch immer vorsichtig seitlich am Hals, denn sie zucken zurück, wenn eine Hand sie oben am Kopf streicheln möchte. Dieser Reflex ist noch vorhanden, als Schutz vor dem Kondor, ihrem ärgsten Feind in Peru, der naturgemäß aus der Luft angreift.
Zu der tiergestützten Therapie kam Sabine Hartmann vor drei Jahren eher durch Zufall, als sie von ihrem Bruder von der Lopaka Farm der Familie Lorei erfuhr. Ihr Interesse war geweckt und sie nahm Kontakt zu Simone Lorei und deren Tochter Talina auf. Beide Frauen brachten Sabine das nötige Fachwissen bei, das sie für ihre Therapie und die Wanderungen braucht. Seitdem verbindet sie eine Freundschaft, die auch beim heutigen Treffen deutlich wird.
Foto oben rechts: Ein Küsschen vom Alpakahengst
Tiertrainerin Talina Lorei bildet die Alpakas zusätzlich für den Therapieeinsatz aus. Die charakterstarken Tiere lernen, bei ihr am Halfter zu gehen und sich bei Geräuschen nicht zu erschrecken. Denn gehen sie einmal durch, heißt es schnell zu sein, um die Tiere, die durchaus Geschwindigkeiten von 50 bis 60 Kilometern in der Stunde schaffen, wieder einzufangen.
Die Alpaka-Hengste lassen sich problemlos von Sabine Hartmann leiten. „Da sind die Weibchen schon schwieriger. Sie zicken arg rum und spucken auch, wenn ihnen etwas nicht passt“, weiß sie aus eigener Erfahrung. „Daher stehen sie mit ihren Fohlen ein paar Kilometer weiter auf der Wiese von Holger und Simone und werden nicht für die Therapie oder Wanderungen mitgenommen“, fährt die Tierfreundin fort.
Die Alpakawiese liegt mitten im Schermbecker Wolfsgebiet und so ist es für die Besitzer der Herde immer schwerer, für die Sicherheit ihrer Tiere zu sorgen. Abgesehen von den hohen Kosten für Schutzzäune ist die Arbeit auch viel zeitintensiver geworden, denn die Tiere müssen zu ihrem Schutz abends eingesperrt und morgens wieder freigelassen werden.
Foto oben rechts:Die Weibchen stehen getrennt von den Hengsten auf einer eigenen Wiese
Sabine Hartmann liebt ihre Arbeit und den Umgang mit Menschen. Die gelernte Palliativschwester musste ihren Beruf leider wegen Rückenproblemen aufgeben, vermisst ihn jedoch sehr. „Ich konnte meine Patienten in ihren letzten Tagen oder Monaten noch in ihrer schweren Lebens-Situation begleiten, sie zur Ruhe kommen lassen. Aber trotz des schwierigen Themas war es für mich eine schöne Aufgabe.“
Auch jetzt noch beschäftigt Sabine Hartmann das Thema Ruhe und Entspannung und sie gibt ihre Erfahrungen gerne weiter. Ob auf einer tiergestützten Therapie für alte oder behinderte Mitmenschen, als Burn-out-Coach für stressgeplagte Mitmenschen oder auf Alpakaspaziergängen zur Entspannung, Sabine Hartmann bietet verschiedene Möglichkeiten sich auf diese Kuscheltiere einzulassen. Da ausgewachsene Alpakas eine Rückenhöhe von etwas weniger als einem Meter haben, bieten sie zudem eine sehr gute Voraussetzung für Handicapwanderungen mit Rollstuhlfahrern.
Auf allen Wanderungen gilt es, sich ganz auf „sein“ Alpaka einzulassen, sich zu entspannen. Unruhe bemerkt es sofort und meidet dann den Körperkontakt. Sind Sie jedoch entspannt und ganz bei ihrem Begleittier, bilden Sie das körpereigene Kuschelhormon Oxytocin, das zusätzlich Angstgefühle und Stress reduziert. Dies spürt auch das Alpaka. Mit etwas Glück beginnt es dann zu summen und trägt so zu einer weiteren Beruhigung und einem unvergesslichen Erlebnis bei.
Sabine Hartmann kommt ursprünglich vom Bauernhof und hatte immer Tiere um sich. „Daher macht mir meine Arbeit mit Tieren auch wahnsinnig Spaß. Und zusätzlich fahre ich mich selbst runter und werde ruhiger“, erzählt sie. „Auch mein Mann Jens geht oft mit in die Einrichtungen und ist jedes Mal überwältig, wenn er sieht, wie Menschen mit Demenz aufblühen und vielleicht nach langer Zeit mal wieder zwei oder drei Worte sprechen, wenn sie die Alpakas streicheln. Dann weiß ich, dass ich für mich die richtige berufliche Entscheidung getroffen habe.“
www.et-hartmann.com
Foto oben rechts: King ist ein gern gesehener Gast in Senioreneinrichtungen
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat