Julia Holz, eine wahre Kämpferin
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Julia Holz, eine wahre Kämpferin

Eine Geschichte, die Mut macht
„Ihre Tochter wird nie wieder selbstständig leben können.“ Für Marlene und Norbert Holz kam diese Aussage der Krankenhausärzte völlig unerwartet. Am Morgen war Julia noch ganz normal zur Schule gegangen, nichts deutete darauf hin, dass dieser Tag ihr Leben grundlegend ändern würde. Doch Julia Holz war und ist eine Kämpferin und hat nicht nur sich selbst bewiesen, dass sie sehr wohl selbstständig sein kann.
Ich habe Julia in der Physiopraxis getroffen und ihre freundliche, offene Art fiel mir sofort auf. So bin ich mit ihr ins Gespräch gekommen und erfuhr ihre Geschichte, die mich tief berührte. „Ich war 15 Jahre alt und hatte Pläne und Träume, wie jedes andere junge Mädchen in meinem Alter. In der Schule stolperte ich aber eines Tages, fiel drei Stufen hinunter und landete im Dorstener Krankenhaus, wo ich stationär aufgenommen und mein Bein geschient wurde“, erzählt mir Julia von ihrem Sturz, der 28 Jahre zurückliegt. „Beim späteren Haarewaschen beugte ich mich über das Waschbecken, verlor den Halt und stürzte erneut. Nachts wurde dann bei mir ein Anriss der Halsschlagader festgestellt, wobei nicht klar ist, ob dies eine Folge des Sturzes in der Schule oder im Krankenhaus war.“
Julia wurde sofort in die Uniklinik nach Essen verlegt. Dort diagnostizierten die Ärzte einen Schlaganfall und entfernten einen Teil ihrer Schädeldecke, um den Hirndruck zu senken. „Ab da weiß ich erst einmal nichts mehr, denn ich lag fünf Wochen auf der Intensivstation im Koma und musste nach einem Multiorganversagen wiederbelebt werden. Als ich wieder wach wurde, musste ich alles während meiner Reha, die 351 Tage dauerte, neu erlernen: Schlucken, sprechen, essen, trinken, laufen“, erzählt Julia mir in einem Tonfall, der zeigt, dass sie ihr Schicksal angenommen hat. Es ist für mich kaum zu glauben, wie es dem Teenager damals erging und welch starke, lebensbejahende Frau heute vor mir sitzt.
Foto oben rechts: Julia Holt, eine starke, lebensbejahende Frau

Nach Beendigung der Reha konnte Julia nicht mehr zurück in ihre alte Schule. Ihren Abschluss machte sie daher in einer Schule für körperbehinderte Schülerinnen und Schüler und fand nach einem Lehrgang in einem Berufsförderwerk eine feste Anstellung in der Wulfener Werkstatt für Menschen mit Behinderung. „Hier arbeite ich an der Rezeption, kümmere mich um alle Bürotätigkeiten und fühle mich nach 20 Jahren immer noch wohl“, strahlt Julia. Julias Tag ist lang, um 15 Uhr hat sie Feierabend, danach warten noch fünf zusätzliche Bewegungseinheiten jede Woche auf sie. So gehört neben Physio- und Ergotherapie für die 43-Jährige auch noch therapeutisches Reiten zum festen Programm. „Das gehört für mich einfach selbstverständlich zu meinem Leben dazu“, betont Julia. „Wenn ich Urlaub habe, dann fehlt mir das richtig. Und außerdem merke ich es hier auch sofort“, lacht sie und zeigt auf ihre Bauchmuskeln.
Foto oben rechts: Julia beim therapeutischen Reiten

Durch ihren Ehrgeiz und ihren Willen, wieder auf die Beine zu kommen, hat sich Julia nach anderthalb Jahren aus dem Rollstuhl herausgekämpft. „Das war für mich wieder ein weiteres Stück Selbstständigkeit“, ist sie auch heute noch zu Recht stolz auf jeden Erfolg, den sie durch ihr Training erreicht hat. Heute noch benutzt Julia zwar noch einen Gehstock, hat Gesichtsfeldeinschränkungen auf der linken Seite und ihre linke Hand ist noch gelähmt, aber die Hervesterin ist fein mit ihrem Schicksal. Auch dass sie manchmal einen Lachflash bekommt, der bei ihrer Erkrankung nicht ungewöhnlich ist und den Julia nicht stoppen kann, nimmt sie gelassen hin. „Ich mache das Beste aus meiner Situation, verbringe Zeit mit meinem Freund, treffe mich mit Freunden, lerne Spanisch oder schreibe meinen zahlreichen Brieffreundschaften. Ich werde zwar manchmal schief angesehen, wenn ich lache oder wenn ich laufe, aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und meinen Schlaganfall ungeschehen machen. Früher taten die Blicke und Bemerkungen weh, jetzt stören sie mich nicht mehr. Bevor jemand über mich urteilt, soll er erst einmal das durchgemacht haben, was ich erlebt habe“, bringt es Julia auf den Punkt.
Foto oben rechts: Julia hat bewiesen, dass sie sehr wohl selbstständig ist
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat