Judy Reynolds, eine bodenständige Olympionikin

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Judy Reynolds, eine bodenständige Olympionikin

Irlands erfolgreichste Dressurreiterin fühlt sich in Holsterhausen zuhause

Was glauben Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, was wohl die erfolgreichste irische Dressurreiterin nach Dorsten verschlagen hat? Sie tippen auf die Liebe? Stimmt, aber nicht die Liebe zu ihrem Mann – Patrick Heavey kannte Judy Reynolds bereits vorher –, sondern ihre Leidenschaft zu Pferden und dem Dressursport ließ Dorsten für sie zur neuen Heimat werden.

Judy Reynolds ist in Irland quasi auf dem Pferderücken groß geworden. Bereits als Fünfjährige liebte sie das Reiten und diese Liebe hielt an. „Schule, Hausaufgaben, ab aufs Pferd, so sah mein Tag auf dem Bauernhof meiner Eltern oder bei der Reitbeteiligung am Schulpferd aus“, erzählt Judy. Mit 16 Jahren konzentrierte sie sich aufs Dressurreiten, arbeitete in der Logistikfirma ihrer Eltern, um sich ihr Hobby finanzieren zu können, und studierte zeitgleich Musikwissenschaften.

Judy war ehrgeizig und trainierte daher mit der international bekannten Ausbilderin Gisela Holstein, Mutter der erfolgreichen Reiterin Heike Holstein, und gewann schließlich alles, was es in Irland zu gewinnen gab. „In Irland ist das Dressurreiten erst in den letzten Jahren so groß geworden, die besten Reiterinnen sind jedoch in Deutschland zu finden“, weiß die Holsterhausenerin. „Ich kann nur besser werden, wenn ich mich mit guten Reiterinnen messe“, fährt sie fort.

 

Mit 21 Jahren packte sie daher ihre Koffer und zog 2001 für eine Saison nach Landsberg in Bayern, um dort mit Anna Merveldt, einer ebenfalls irischen Olympionikin, zu trainieren und sich weiterzuentwickeln. „Ich habe in dem Alter nicht nachgedacht, hatte keine Angst vor dem, was kommt. Ich habe meine Pferde in den LKW gepackt und bin einfach losgefahren. Nach zwei Tagen landete ich in Bayern mitten im Schnee. Das war für mich Neuland und ein echtes Erlebnis“, erinnert sich die freundliche Reiterin. „Ich wollte eine Saison bleiben und dann zurückkehren, schließlich wartete ja auch Patrick auf mich“, erzählt sie.
Gesagt, getan, aber der Ehrgeiz besser zu werden war größer, sie fuhr im nächsten Jahr wieder Richtung Süden und so wurden aus einer Saison sechs Aufenthalte in Bayern. „Patrick wohnte inzwischen auch in Landsberg, aber wir haben oft eine Fernbeziehung geführt“, so die Dressurreiterin. „Wir sind jetzt 18 Jahre zusammen, haben aber insgesamt nur acht Jahre gemeinsam verbracht.“

Judys Trainerin Anna Merveldt zog um nach Italien, aber ihre Schülerin wollte nicht mit. Sie suchte einen neuen Trainer, denn das goldene Reitabzeichen reichte Judy Reynolds nicht, sie wollte mehr. In Reitmeister Johann Hinnemann aus Voerde fand die 38-Jährige schließlich den perfekten Trainer für sich. Alle sechs Wochen fuhr sie von da an für vier oder fünf Tage von Bayern aus nach Voerde, um intensiv zu üben. „Johann Hinnemann macht mich auf meine Fehler aufmerksam und hilft mir, sie auszumerzen, ich sehe mich selbst ja immer nur von oben. Meine Augen am Boden sind die von meinem Coach Patrick“, erklärt Judy. „Ich kann immer nur sagen: Gut gemacht, Schatzi“, wirft er lachend ein. „Was Judy aber genau falsch macht, das kann ich ihr nicht vermitteln, ich bin ja schließlich kein Reiter.“

Foto oben rechts: Große Freude bei Judy Reynolds über einen Turniersieg

Die langen Fahrten von knapp zehn Stunden fehlten jedoch für die Trainingszeiten, sodass 2009 ein Umzug zum Niederrhein anstand. Das Paar war nun wieder räumlich getrennt, denn der 39-Jährige brachte erst noch sein Studium in Bayern zu Ende, zog dann ein Jahr später ebenfalls nach Voerde, bevor das junge Paar wieder getrennt wurde.

Patrick arbeitete in Irland, seine Frau lebte anderthalb Jahre in Frankreich. Dort ritt sie zusammen mit der Weltranglisten zweiten, der Springreiterin Jessica Kürten, in der Nähe von Paris Pferde der Familie Rothschild ein. Das Heimweh nach Deutschland war jedoch so stark, dass das Paar zusammen in Dorsten landete und hier jetzt auch bleiben möchte. „Hier haben wir Freunde und Johann Hinnemann kann mir weiterhin den nötigen Feinschliff vor Turnieren geben“, ist Judy Reynolds mit der jetzigen Wohnsituation voll zufrieden.

„Am liebsten reitet Judy Stuten und Wallache“, so Patrick, „Hengste hat man nicht immer so gut unter Kontrolle.“ Ihr bestes Pferd im Stall ist der 17-jährige Wallach Vancouver K, auch JP genannt. Seit elf Jahren reitet sie ihn und erreichte mit ihm bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro den 18. Platz in der Einzelwertung, belegte bei der EM 2019 in Rotterdam den fünften Platz und qualifizierte sich mit ihrer jungen irischen Mannschaft erstmals für die Olympischen Spiele in Tokio.

Mit JP steht Judy Reynolds zurzeit auf Platz 15 der Weltrangliste im Dressurreiten. Dieser Rang ist gekoppelt ans jeweilige Pferd. „Vancouver entscheidet alleine, wann er nicht mehr möchte – wir zwingen ihn nicht. Er gehört wie unsere Hunde zur Familie und daher wollen wir, dass es ihm gut geht. Trotz des siebenstelligen Wertes, den Vancouver besitzt, bleibt er daher unverkäuflich“, betont Patrick Heavey. Um auch mit weiteren Pferden einen oberen Platz in der Weltrangliste zu erreichen, trainiert die Weltklassereiterin auch andere Pferde aus ihrem Stall. „Allerdings erkenne ich frühestens nach fünf Jahren, wie gut das Pferd ist. Hier bringt uns dann ein guter Charakter und wenig Talent weiter, als ein Pferd mit viel Talent und einem weniger guten Charakter. Wichtig ist auch das Vertrauen. Das Pferd muss gerne bei Turnieren antreten, daher ist es uns anfangs nicht so wichtig, wie wir mit neuen Pferden auf Turnieren abschneiden. Die Basis muss von Anfang an stimmen, denn Pferde vergessen nichts“, bringt Judy es auf den Punkt.

Foto oben rechts: Mit diesem Truck risen Judy Reynolds und Ehemann Patrick Heavey mit ihren Pferden um die Welt

Trotz ihrer großen Erfolge ist Judy Reynolds sehr bodenständig geblieben. Das liegt sicher auch daran, dass sie nicht nur für ihre Erfolge hart arbeiten musste. Auch dafür, dass sie überhaupt die Möglichkeit zum Trainieren bekommt, muss sie finanziell gesichert sein. Die Preisgelder bei den Olympischen Spielen oder Europameisterschaften sind bei Weitem nicht so hoch, wie allgemein angenommen wird.

Um ihre Ziele auf ein gesundes finanzielles Fundament zu stellen, reitet Judy zurzeit acht Pferde, unter anderem auch für andere Besitzer, ein, gibt Reitunterricht für fortgeschrittene Erwachsene mit dem Fokus auf den Reitsport und fliegt für Trainingsstunden, die sie gibt, alle sechs Wochen nach Irland. Auch, um dort weiterhin Kontakt zur irischen Reiterszene zu halten, und ihren Landsmänninnen das weiterzugeben, was sie selbst lernte.

„Durch unsere Pferde haben wir Orte gesehen, für die wir uns sonst nicht entschieden hätten“, schwärmt Coach Patrick. „Ob Doha in der Wüste Katars oder mitten im Central Park in New York direkt neben einem Rihanna-Konzert, es waren traumhafte Aufenthalte“, ergänzt seine Frau.

Wochenende oder geregelten Feierabend haben die zwei selten, aber das vermissen sie auch nicht. Die Leidenschaft für den Pferdesport entschädigt sie ausreichend. „Ich möchte nichts anderes machen“, ist sich die sympathische Reiterin sicher.

Foto oben rechts: Judy Reynolds bei den European Championchips im August 2018 in Rotterdamm

Text: Martina Jansen
Fotos: Katharina Lachs und Christian Sklenak

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