Heute treffe ich die Strickfans aus Rhade
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Heute treffe ich die Strickfans aus Rhade
Tausche Mann gegen Garn
Wie sieht Ihrer Meinung nach ein Handarbeitstreff aus? Ältere Damen sitzen beim Tee, hin und wieder auch beim Eierlikör, häkeln Topflappen oder stricken Handschuhe. Aber genau das trifft auf den „Offenen Stricktreff Rhade“ absolut nicht zu.
Altersmäßig gemischt, angefangen von der 30-jährigen Julia Ruhland bis zur über 80-jährigen Agnes Sturny treffen sich etwa 15 Strickfans in Rhade, um in lustiger Runde etwas Individuelles herzustellen.
Ins Leben gerufen hat diesen Treff vor zwei Jahren Caroline Tinnefeld in den Räumen ihres Pflegebüros in der Debbingstraße 9. Bis 2011 leitete sie ein Seniorenheim, wechselte dann aber in die ambulante Pflege. „Wir haben regelmäßig mit unseren Bewohnern gehandarbeitet, das fehlte uns doch sehr“, erinnert sie sich an das Zustandekommen des Treffs. „Auch Waltraud Stagneth, meine Mitarbeiterin vom ersten Tage an, vermisste das gesellige Zusammensein beim Stricken oder Häkeln. Also haben wir einen Aufruf gestartet und zum ‚offenen Stricktreff‘ eingeladen.“ Caroline Tinnefeld erzählt weiter, dass fast alle Frauen, die beim ersten Mal das Angebot wahrgenommen haben, auch geblieben sind. Dennoch sind neue Gesichter immer gerne gesehen. Interessierte Strick-Fans können sich gerne unter 02866 187082 oder 0171 7540553 melden.
Alle Frauen fühlen sich wohl hier, zumal hinter ihnen die Regale gefüllt sind mit der aktuellen Wollkollektion. Elke Krella strickt gerade an einer bequemen Hose für die Couch und vergisst sogar manchmal vor lauter Unterhaltung weiterzuarbeiten. Ihr geht die Arbeit flott von der Hand, so wie allen hier. Oft müssen sie nicht mehr auf die Nadeln schauen, so sehr ist ihnen das Stricken schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Agnes Sturny, die Älteste in der Runde, weiß schon gar nicht mehr, wie lange sie schon strickt. „Ewig“, vermutet sie daher. Sie ist die Ansprechpartnerin, wenn es um Socken geht. Abend für Abend sitzt sie zu Hause in ihrem Sessel und strickt und strickt und strickt. Rund 20 Stunden braucht sie für ein Paar und kaum ist es fertig, ist auch schon ein Abnehmer dafür da.
Foto oben rechts: Caroline Tinnefeld (3. von links) öffnet für den Stricktreff die Räume ihres Pflegebüros
So unterschiedlich die Frauen am Tisch sind, so verschieden sind auch ihre Handarbeiten. Doris Gewert arbeitet seit einiger Zeit an einer Decke. „Bis Weihnachten wird sie leider nicht mehr fertig, aber bis dahin kann sie mir zumindest schon die Füße wärmen“, schmunzelt sie. Fertig geworden ist hingegen Caroline Tinnefeld mit ihrer Kuscheldecke, die nach extrem viel Arbeit aussieht. Ihr aktuelles Teil ist ein „Lappen“, wie Schals hier generell bezeichnet werden. Mit dicken Nadeln wächst er so schnell, dass es keine Frage ist, ob er noch vor dem Winter fertig wird.
Julia Ruhland, die Jüngste am Tisch, strickt immer im Wechsel für sich und ihre 3-jährige Tochter. Ein fliederfarbenes Jäckchen, in dem viel Arbeit und Liebe stecken, ist ihrer Tochter mittlerweile zu klein. „Ich kann mich aber davon noch nicht trennen“, meint sie mit einem Blick auf das Unikat.
Julia Ruhland ist eine Teilnehmerin der ersten Stunde und hat sich das Stricken selbst beigebracht, dennoch wird hier niemand dabei alleine gelassen. „Wir helfen uns gegenseitig und wenn jemand Lust zu Stricken hat, aber über keine Grundkenntnisse verfügt, dann bringen wir es ihr schon bei“, verspricht Caroline Tinnefeld, die sich sofort verbessert. “Ich sprach jetzt von ‚ihr‘, aber natürlich sind auch Herren hier willkommen. Mein Mitarbeiter Alexander Volkstein hat eine tolle Nana gehäkelt. Er ist Linkshänder und irgendwie ähnelte das Häkeln daher etwas dem Boxen. Aber das Ergebnis ist klasse.“
Beim Blick in die Runde fällt mir letztendlich dann doch noch ein Topflappen ins Auge. Waltraud Stagneth häkelt das komplette Mobiliar einer Puppenstube, inklusive Herd mit einem Topf voll Möhrengemüse - und dem obligatorischen Topflappen daneben.
Auch wenn alle Frauen hier für ihr Leben gerne stricken und ihr letztes Knäuel Wolle geben, so hat sich während des Gespräches doch herausgestellt, dass ihr Motto “Tausche Mann gegen Garn“ dann letztendlich doch nicht so ganz ernst gemeint ist.
Text: Martina Jansen
Fotos: Martina Jansen, privat