Feuerrote Veteranen

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Lembecker Feuerwehr pflegt zwei Schmuckstücke der Fahrzeugtechnik

So ein Feuerwehreinsatz in den 1950er Jahren war eine ziemlich holprige Angelegenheit. Angetrieben von einem tuckernden Diesel jagte das Löschfahrzeug über die Landstraße. Auch wenn der Tacho gerade einmal 70 Stundenkilometer zeigte, wurden die Insassen gut durchgeschüttelt. Währenddessen brauchte der Fahrer starke Arme, denn so modernes Zubehör wie eine Servolenkung war in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch längst kein Standard.

In der heutigen Zeit gleichen moderne Fahrzeuge mehr rollenden Computern, und das gilt insbesondere für die elektronisch hochgezüchteten Feuerwehrlaster der Moderne. Da wirkt so ein altes „Schätzchen“ wie das 64 Jahre alte Löschfahrzeug der Lembecker Feuerwehr schon etwas betulich und eher dekorativ. Doch das täuscht, versichern Bernhard Nottebohm, Thomas Hortmann und Bernhard Mast. „Die Oma ist voll einsatzbereit!“ Die drei Männer bringen zusammen viele Jahrzehnte Erfahrung als Löschzugführer mit und wissen um die Qualitäten des signalroten Mercedes LF311.

Foto oben rechts: (v. l.) Thomas Hortmann, Bernhard Mast und Bernhard Nottebaum pflegen die historischen Fahrzeuge mit Leidenschaft

So bringt „Oma“ im Ernstfall 2500 Liter Wasser mit an den Einsatzort. Damit konnte sie jahrzehntelang mit moderneren Fahrzeugen durchaus mithalten. Auch wenn die genormten Einsatzwagen im 21. Jahrhundert größere Tanks besitzen, könnte der OIdtimer auch heute noch mit Erfolg zu einem Brand ausrücken. „Die Schläuche, die Pumpen, alles ist absolut in Ordnung“, erklärt Löschzugführer Thomas Hortmann. „Als das Fahrzeug 1958 nach Lembeck kam, war es in Dorsten und der Herrlichkeit erst das zweite moderne Tanklöschfahrzeug überhaupt.“ Die beiden ehemaligen Löschzugführer Bernhard Nottebaum und Bernhard Mast können sich selbst noch auf Einsätze mit der Oma erinnern. „Ja klar, das war unser Fahrzeug damals“, erinnert sich Nottebaum. Seit 1969 ist er bei der Lembecker Feuerwehr, und mit dem alten Mercedes zu so manchem Brand ausgerückt. „Außer Oma hatten wir einen alten Opel Blitz aus den 30er Jahren, da kam uns der Mercedes schon deutlich moderner vor“, verrät er mit einem Schmunzeln.

Heute wird das liebevoll restaurierte und instand gehaltene Löschfahrzeug vor allem zur Repräsentation eingesetzt. „Wir sind mit Oma schon ganz schön rumgekommen“, erzählen Nottebohm und Mast. Die beiden fangen sofort an zu sammeln: „Wir waren schon in Dänemark. Und der Schweiz. Und Holland, und Belgien, und Polen, und England… eigentlich schon fast überall“ berichten sie. Auf internationalen Feuerwehrtreffen und bei Besuchen in den Partnerstädten ist die „Oma“ seit 25 Jahren immer ein höchst willkommener Blickfang.

Foto oben rechts: Das LF3121 ist heute noch in einem Top-Zustand

Eigentlich hätte die rüstige Oma schon 1994 auf Reisen gehen sollen, aber ausgerechnet die erste Sternfahrt scheiterte. „Leider konnten wir nicht los – der Turbolader war kaputt“, erinnert sich Thomas Hortmann. So etwas kann mit dem ältesten Löschfahrzeug der Lembecker Feuerwehr nicht passieren. Denn „Oma“ ist bei weitem nicht die Alterspräsidentin in der Fahrzeughalle. Dieser Titel gehört der alten Feuerwehrspritze, die in diesem Jahr ihren hundertsten Geburtstag feiern darf. Was heute eher an eine romantische Kutschfahrt denken lässt, war zu ihrer Zeit der ganze Stolz der 1911 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr. Zum ersten Mal verfügte Lembeck um eine Saug- und Druckspritze auf einem Landfahrgestell. Das von zwei Pferden zu ziehende Gerät war bei seiner Ankunft 1922 ein echtes Ereignis: „Die Spritze kam mit dem Zug am Bahnhof Wulfen an. Dann wurde sie in einer richtigen Prozession hier hergebracht“, berichtet Thomas Hortmann. „Die Blaskapelle von Harmonie Lembeck lief vorweg, und jeder im Dorf wollte die tolle neue Spritze sehen.“ Genau wie „Oma“ könnte auch die Spritze heute noch ein Feuer löschen, allerdings mit reichlich mehr Aufwand. „Bevor sie benutzt werden kann, muss man heute erst einmal die Räder einige Tage wässern“, erklärt Bernhard Mast. Damals konnte die Spritze aber mit zwei Pferden und sechs Feuerwehrleuten zum Einsatz rollen. Der Rest des Löschzuges kam auf dem Fahrrad hinterher. Vor Ort war die Spritze schnell zu einer handbetriebenen Pumpe umgebaut, mit dem man Löschwasser aus einem Teich ansaugen konnte.

Foto oben rechts: Die historische Landfahrspritze von 1922

Heute geht das natürlich dank moderner Technik viel besser, und normalerweise werden alte Fahrzeuge auch irgendwann aussortiert. Dass sowohl die Kutsche als auch die Oma bis heute erhalten geblieben sind, ist vor allem glücklicher Zufall. So tauchte die Lembecker Spritze unter wunderlichen Umständen irgendwann im Schaufenster eines Dorstener Kaufhauses auf, und die „Oma“ wurde einfach nicht aussortiert. „In der Halle war halt genug Platz, da hat sie nicht gestört“, lacht Mast. Eins ist jedenfalls klar – auch in Zukunft müssen die beiden Feuerwehrveteranen nicht fürchten, auf dem Schrott zu landen.

Foto oben rechts: "Oma" verfügt über eine leistungsfähige Pumpe

Text: Oliver Borgwardt
Fotos: Christian Sklenak

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