Ein Leben mit vielen Kontrasten
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Ein Leben mit vielen Kontrasten
Kim Wiesweg ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Dorsten
Sie ist jung und sie ist selbstbewusst, sie ist hübsch und sie trägt Verantwortung. Und schon erfülle ich das Schubladendenken, das leider immer noch oft anzutreffen ist: Junge Frauen sind noch nicht selbstbewusst genug, sie werden durch Vitamin B in das Amt gehievt, hübsche Frauen sind nicht klug und können daher auch keine Verantwortung im Beruf tragen. Diesen alten Vorurteilen begegnet Kim Wiesweg bereits seit ihrer Jugend. Und so stelle ich jetzt auch direkt klar: Kim Wiesweg trägt Verantwortung, weil sie das Basiswissen hat, hübsch ist sie obendrein. Sie ist selbstbewusst und gebildet, weil sie es schon früh gelernt hat, daher besetzt sie nun bereits in jungen Jahren die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten.
Die junge Dorstenerin bringt gute Voraussetzungen mit, um die Aufgaben, die an sie gestellt werden, zu erfüllen. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Schulsozialarbeiterin studierte sie und erzielte den Abschluss Bachelor of Social Management, mit dem Abschluss des Masters in Soziologie ist sie gerade per Fernstudium in Vorbereitung.
„Während meiner Arbeit in der Schulsozialarbeit, der stationären Jugendhilfe, der ambulanten Familienhilfe sowie in Wohngruppen für Mädchen und Jungen fiel mir bereits auf, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht vollständig existiert. Frauen und Mädchen müssen immer noch etwas besser sein als männliche Bewerber, um einen Job zu bekommen, müssen immer noch gut aussehen, um beachtet zu werden und werden oft über ihren Kleidungsstil definiert“, bedauert Kim Wiesweg. Auch privat stieß das engagierte Mitglied der „Grünen“ immer wieder auf das Thema und engagierte sich daher bereits in ihrem früheren Wohnort Reken und dann in Dorsten politisch mit dem Schwerpunkt Frauen- und Queerpolitik und soziale Gerechtigkeit. Von daher kam die Stellenausschreibung der Stadt Dorsten nach dem Ausscheiden der langjährigen Gleichstellungsbeauftragten Vera Konieczka für die 25-Jährige gerade richtig.
„Das Thema ist spannend und wichtig und interessiert mich natürlich sehr. Ich bin jetzt zwar gefühlt weit weg von der Basis und leiste nun mehr Verwaltungsarbeit, aber meine praktischen Erfahrungen sind mir bei meiner täglichen Arbeit doch sehr hilfreich.“
Ich bediene dann jetzt direkt noch ein weiteres Klischee, die alte Redensart „Neue Besen fegen gut“, und so organisierte Kim Wiesweg nach 36 Jahren das Programm der jährlichen Frauenkulturtage nicht mehr im gewohnten Rahmen. „Nach Rücksprache mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen verteilen wir nun die einzelnen Aktionen nicht mehr über drei Wochen, sondern über das ganze Jahr.“ Zum Termin des Weltfrauentages am 8.März fanden zwar der „Walk in a Dress“, die Ausstellung „Was bedeutet es für mich, eine Frau zu sein“ sowie ein Kabarett und ein feministisches Theaterstück statt, die Veranstaltungen tragen jedoch nicht mehr den Namen „Frauenkulturtage“.
Aber nicht nur der Name der Veranstaltungen, auch die Stellenbezeichnung an sich wurde bereits vor Jahren geändert. So wurde aus der Frauenbeauftragten die Gleichstellungsbeauftragte. Die Bezeichnung sagt es schon: Die Gleichstellungsbeauftragte ist natürlich nicht nur Ansprechpartnerin für Frauen, sondern auch für Männer, die sich diskriminiert fühlen. „Aber vorrangig besteht weiterhin auf dem Gebiet der strukturellen Benachteiligung von Frauen Veränderungsbedarf. Daher versuchen wir früh genug darüber mit Mädchen und Jungen zu sprechen, damit es im besten Fall erst gar nicht zu den verkehrten Anschauungen kommt. Denn es ist mir wichtig, dass jeder Mensch irgendwann tatsächlich die Möglichkeit hat, so zu sein, wie sie oder er es möchte“, betont Kim und sie fährt fort: „In einer kürzlich durchgeführten Studie wird deutlich, dass viele Frauen unserer Gesellschaft ihr Selbstbewusstsein immer noch über ihren Körper definieren, Männer dagegen über Härte und Coolness. Ich möchte gerne mit dazu beitragen, diese Einstellung zu ändern.“
Geplant hat Kim Wiesweg für dieses Jahr noch eine Zusammenarbeit mit dem Dorstener Frauenhaus zum Thema sexuelle Gewalt, sie möchte aber auch das Schöne am Frausein zeigen und sie positiv darstellen. So wird die Gleichstellungsbeauftragte in Kooperationen Buchlesungen sowie einen Tag im Atlantis ausschließlich für Kinder und Frauen organisieren. „Zudem findet neben dem FemRock-Festival am 11. März 2023, auf dem ausschließlich Bands auftreten, die mindestens eine Frau in ihrem Team haben, im August dieses Jahres auch wieder das ‚Red Ballon Festival‘ statt, an dem auch die Band ‚Chasing Dreams‘ auftreten wird“, verrät sie schon die Pläne für die nahe Zukunft. Und sie verrät mir noch mehr: „Ich kann jetzt schon sagen, dass mein Beruf meine Berufung ist.“
So korrekt Kim Wiesweg im Beruf ist, umso lockerer ist sie privat. „Ich bin superironisch und lache viel“, erzählt sie. Zumindest davon, dass sie viel lacht, konnte ich mich selbst überzeugen. Auch Yoga und Crossfit, eine Mischung aus Kraftsport und Gymnastik, sind auf den ersten Blick starke Kontraste. Aber gerade das macht mich aus und ich brauche genau diese Gegensätze“, fährt sie fort und erzählt mir, dass sie vor fünf Jahren nach Dorsten gezogen ist. Aber nicht der Liebe wegen, wie es oft der Grund ist, sondern aufgrund des oben genannten Sportes. „Er wird nicht oft angeboten und es haben sich hier dadurch zum Glück viele Freundschaften für mich ergeben, die ich jetzt nicht mehr missen möchte.“
Neben dem Sport nimmt auch die Musik viel Platz im Leben der Dorstenerin ein. Mit etwa fünf Jahren bekam sie Gesangs- danach Gitarrenunterricht. Seit einiger Zeit singt Kim in einer Band. Wer jetzt jedoch meint, es geht in Richtung Schlager, der irrt sich gewaltig. „Ich bin für Gesang und Geschrei in der Band ‚ Chasing Dreams‘ zuständig“, lacht die Sängerin der Alternative Rockband, die sich während der Pandemie gründete.
Zum Ende unseres Gespräches betont die Dorstenerin: „Ich fühle mich wohl in Dorsten und bin angekommen, privat als auch dienstlich.“
Text: Martina Jansen
Fotos: privat