Der Wunschzettel
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Der Wunschzettel
Liebes Christkind ….
Belustigt, aber auch etwas wehmütig beobachte ich meine beiden Enkel. Flink huschen ihre Finger übers Handy und übers Tablet, scrollen hier schnell weiter und wischen dort mehrfach nach rechts. So werden heute also Wunschzettel geschrieben?! Ich verliere mich in Gedanken, bin plötzlich wieder jung und sehe mich mit meinem kleinen Bruder zur Adventszeit am Tisch sitzen.
Fast körperlich ist bei mir jetzt die Aufregung vorhanden, die uns überkam, als wir jede Spielzeugwerbung, die wir irgendwo zu sehen bekamen, mitnahmen. Auch spüre ich fast noch unsere Ungeduld, bis endlich der Briefträger die neuen Kataloge ins Haus brachte. Wir wussten sofort, wo wir suchen mussten. Hastig blätterten wir dutzende Seiten auf einmal durch: Kleidung für Damen, Herren, Kinder und Unterwäsche - dann waren wir endlich am Ziel unserer Wünsche: beim Spielzeug!
Die ersten Seiten mit Puppen, Kaufladenzubehör und anderem Mädchenschnickschnack gehörten mir, die Autoseiten durfte gerne mein Bruder haben. Aber natürlich nur dann, wenn auf seiner Seite kein Spielzeug abgebildet war, das mich interessierte. Die Seiten danach waren unwichtig für uns, die blätterten wir erst ganz zum Schluss durch, wenn uns keine anderen Wünsche mehr einfielen und unsere Wunschzettel noch Platz hatten. Die verschiedenen Experimentierkästen nahm ich dann jedes Mal zum Schluss noch mit, aber Bügelperlen und Malen nach Zahlen standen so absolut gar nicht auf meiner Wunschliste. Auch Brettspiele mussten wir uns nicht wünschen, die gehörten einfach zu jeder Familie dazu. So quasi als Grundausstattung.
Nachdem ich die Katalogseiten annähernd gerecht verteilt hatte, begann unsere eigentliche Arbeit. Stundenlang, ach was sage ich, tagelang schnitten wir unsere Wunschobjekte aus und klebten sie auf einen großen, von uns handverzierten Wunschzettel. Dabei war die Reihenfolge der Wünsche natürlich absolut wichtig, und so wurden sie nach „Dringlichkeit“ auch aufgeklebt. Ich weiß noch, dass damals sowohl die einen Meter große Lauflernpuppe, als auch die erste männliche Puppe auf den Markt kamen, aber das war für mich unerheblich, denn ich hatte ja meine Susi und meine Susi war halt meine Susi. Damit sie nicht alleine blieb, wünschte ich mir jedoch für sie eine Schwester. Natürlich mit dem Hinweis fürs Christkind, dass Susis kleine Schwester dunkle Haare haben und ihr Puppenwagen so aussehen sollte, wie aufgeklebt, aber mit dem Kissenbezug des Bildes vom Wagens darunter bezogen sein sollte. Einfach habe ich es dem Christkind wohl damals nicht gemacht.
Foto oben rechts: ©Adobe Stock.de/ iloli
Ich erinnere mich immer mehr an Details aus dieser Zeit. Ich weiß nicht, ob es die Klebstifte heute noch gibt, wenn ja, dann weiß sicher der eine oder andere, was ich jetzt meine: Nachdem ich jedes Mal die zu üppig aufgetragenen Klebereste mit den Fingern weggewischt hatte, waren nicht nur meine Finger schwarz verschmiert gewesen, auch das ursprünglich weiße Papier sah nicht mehr wirklich ansehnlich aus. Um es zu vertuschen, malte ich Herzchen und Sterne über und um die auffälligsten Klebestellen. Schöner wurde mein Wunschzettel dadurch aber leider auch nicht. Warum aus weißem Klebstoff am Ende eine schwarze Masse wurde, das werde ich bei Gelegenheit einmal versuchen zu ergründen.
Nachdem ich etliche Bilder wieder entfernt hatte, da ich noch schönere Fotos in anderen Prospekten fand, war der Wunschzettel dann irgendwann proppenvoll. Doch am Ende des Briefes fand sich erstaunlicherweise immer noch ein kleines freies Plätzchen für die lieben Grüße an den Engel mit den vielen goldenen Locken. In freudiger Erwartung wurde der Wunschzettel dann nach Engelskirchen abgeschickt. Ob er je angekommen ist, habe ich aber bis heute nicht erfahren.
Foto oben rechts: ©Adobe Stock.de/ babsi_w
Text: Martina Jansen