Das Leben ist wie eine Ballonfahrt
von Martina Jansen
Das Leben ist wie eine Ballonfahrt
Manchmal muss man erst Ballast abwerfen, um wieder steigen, fliegen, träumen und lachen zu können.“
In einem Alter, in dem es andere Frauen etwas langsamer angehen, gibt Ingrid Bußkamp-Höll aus Hervest erst richtig Gas. Heißluftballonführerschein (PPL-D-Lizenz), Komparsin bei SAT.1, regelmäßiges Fitnesstraining, selbstverständlich noch mit den drei Enkeln spielen und ganz nebenbei auch noch Keyboard-Unterricht geben. Aber das ist vermutlich immer noch nicht alles.
Bereits mit 17 Jahren war die heute 62-Jährige aktiv im Luftsportverein Dorsten (Segelflugplatz Dorsten), aber wie das so ist: Der damals zukünftige Ehemann interessierte sich nicht für ihr Hobby und mit Kindern ist es zusätzlich schwierig, dort regelmäßig aktiv zu sein, da die Teamarbeit viel Zeit in Anspruch nimmt. Also entschied sich die junge Mutter dafür, erst einmal ausschließlich für ihre Familie da zu sein und das Hobby des Segelfliegens geriet in Vergessenheit.
Erst Jahrzehnte später, nach dem Tod ihres Mannes, lernte die sportliche Hervesterin einen neuen Partner kennen, der sich ebenfalls für den Luftsport, allerdings für das Ballonfahren, begeisterte. So kam es dann zwangsläufig dazu, dass Ingrid Bußkamp-Höll zunächst als sogenanntes „Erdferkel“ den Heißluftballon mit dem Auto verfolgte und einige Zeit später, nach ihrer ersten Fahrt im Korb, die Ballontaufe erhielt.
Als Sinnbild für das Feuer, das sie in die Luft gehoben hat, wurden dabei ihre Haare angezündet und anschließend mit Sekt gelöscht. So wurde die „Heißluftgräfin Ingrid – tollkühne Himmelsfee von der 4600 Fuß-Fahrt hoch über Stadtlohn“, wie die gebürtige Dorstenerin nun hieß, in den Adelsstand gehoben. Zu guter Letzt wurde ihre Stirn noch mit Erde bestrichen, als Dank dafür, dass sie wieder heile auf dem Boden gelandet ist.
Aus einer Weinlaune heraus bei einem Landungsfest 2009, beschloss die nunmehr Adelige ebenfalls Ballonfahrerin zu werden.
So absolvierte sie eine Ausbildung, die sich je nach Wetter und Saison auf etwa zwei Jahre erstreckte. Zunächst aber folgte ein sehr umfangreicher theoretischer Lehrgang bei einer anerkannten Flugschule. Im Anschluss hieran mussten dann noch mindestens 20 Stunden Fahrzeit mit 50 Starts und Landungen sowie 20 Aufrüstungen des Heißluftballons nachgewiesen werden, bevor Ingrid Bußkamp-Höll endlich am 5. Juli 2011 die Prüfung bei der Bezirksregierung Münster ablegen konnte.
„Die Theorie war sehr umfangreich“, erinnert sie sich, „neben Meteorologie, Luftrecht, Luftverkehrs- und Flugsicherungsvorschriften, Navigation, Technik, Aerostatik und Verhalten in besonderen Fällen lernten wir auch, welche Höhen wir in bestimmten Flugräumen einzuhalten haben.“ So ist das Überfliegen von Pferdekoppeln oder Schweineställen nur mit einem sogenannten „Flüsterbrenner“ gestattet, damit die sensiblen Tiere nicht in Panik geraten.
Das Lebensmotto der junggebliebenen Frau resultiert aus ihrer Leidenschaft des Heißluftballonfahrens: „Das Leben ist wie eine Ballonfahrt. Manchmal muss man erst Ballast abwerfen, um wieder steigen, fliegen, träumen und lachen zu können.“
Aber Ballonfahren ist ja nicht das einzige (ungewöhnliche) Hobby dieser aktiven Frau. Wenn Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, das Gesicht der Dorstenerin bekannt vorkommt, dann vielleicht aus verschiedenen TV-Serien. Vor mehr als 20 Jahren fuhr sie ihren jüngsten Sohn, der damals noch keine Fahrerlaubnis besaß, zu einem Casting nach Bottrop. Ingrid hatte keinerlei Ambitionen, sich selbst casten zu lassen. Aber „Mitgehangen, mitgefangen“ und da sie nun schon einmal da war, wurde sie überrumpelt, gleich mitgecastet und anschließend auch prompt für Komparsenrollen gebucht.
So spielte sie bei „Zwei bei Kalwass“ einen „Kurschatten“, bei „Richter Alexander Holt“ die Geliebte des Freundes ihres Sohnes und in einer Pilotsendung, die jedoch leider niemals ausgestrahlt wurde, die Schulfreundin Heiner Lauterbachs. In der Sendung „Jugendliebe“ mit Inka Bause wurde ihre tatsächliche Jugendliebe „Sergio“ in Italien gesucht und gefunden. Vor laufender Kamera kam es dann nach 40 Jahren zu einem tränenreichen Wiedersehen genau auf dem Campingplatz, auf dem Ingrid mit ihren Eltern einen unvergessenen Sommerurlaub verbracht hatte.
Vor etwa drei Jahren bekam sie dann das einmalige Angebot, in der neuen SAT.1-Serie „Auf Streife“ mitzuspielen (zu sehen montags bis freitags 14:00 und 15:00 Uhr). Da dort nur ausgebildete Polizeikräfte mitspielen, wurde Ingrid Bußkamp-Höll als Ingrid Hall, wie sie in der Serie heißt, gebucht. Denn mit 43 aktiven Jahren im gehobenen Polizeidienst bei der Kreispolizeibehörde Recklinghausen, genauer: der Kripo, war und ist sie für die Rolle prädestiniert. „Wir Polizisten drehen in Köln ohne Drehbuch. Wenn wir im Streifenwagen sitzen, die Klappe fällt und wir den Funkspruch erhalten, dann fahren wir zum Drehort und spielen dort einfach die Realität nach, die meine Kollegen fast täglich in ihrem Job erleben.“
Bei dieser Herausforderung ist schauspielerisches Talent gefragt. Das scheint die ehemalige Kripobeamtin zu haben, sonst wäre sie nicht immer wieder seit Beginn der 500 Folgen dabei. Mittlerweile hat sie auch eine Komparsenrolle in der Zusatzserie um 18:00 Uhr „Auf Streife – Die Spezialisten.“
Wenn die Polizistin Ingrid Hall einmal in Pension gehen sollte, dann kann sich die Dorstener Powerfrau gut vorstellen, Skripte für weitere Sendungen zu schreiben. Erlebt hat sie sicherlich genug – Fantasie und Energie hat sie ohne Zweifel.
Foto oben rechts: Sonnenuntergang bei einer Fahrt mit dem Heißluftballon
Text: Martina Jansen
Fotos: privat