Bestattungs- und Trauerkultur im Wandel

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Bestattungs- und Trauerkultur im Wandel

Für jeden von uns kommt irgendwann die Zeit für immer zu gehen.

Ob alters- oder krankheitsbedingt, darauf haben wir wenig Einfluss. Was wir allerdings beeinflussen können, ist der Ablauf der Bestattung an sich. Viele Angehörige wollen sich nicht mehr an alte Bräuche oder Regeln halten, sie möchten den Abschied vom geliebten Menschen selber gestalten, einen persönlicheren und individuellen Weg finden, seinem verstorbenen Angehörigen die letzte Ehre zu erweisen – oder für sich selbst Vorsorge zu treffen.
Das Wissen um die rechtlichen und kulturellen Möglichkeiten einer Bestattung ist hier ein ganz wesentlicher Punkt auf der Suche nach einem Abschied, der letztendlich gut tut – so skurril dies auf den ersten Anschein auch klingen mag. Die Anforderungen an einen guten Bestatter sind in den letzten Jahren stets gestiegen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass qualifizierte Betriebe sich stetig fort- und weiterbilden. So gibt es heutzutage im Bestattungsgewerbe Qualifikationen, in denen Bestatter ihre Kenntnisse und Fähigkeiten vor unabhängigen Prüfungsausschüssen der Handwerkskammer unter Beweis stellen können und so die Bezeichnungen „geprüfter Bestatter“ oder auch „Bestattermeister“ führen dürfen. Angegliedert an das Handwerk gibt es seit dem Jahr 2003 ebenso die Möglichkeit, nach zwei- oder dreijähriger dualer Ausbildung die Gesellenprüfung zur „Bestattungsfachkraft“ vor der Handwerkskammer abzulegen.
Nicol Matulewski ist eine junge Frau, die diese Ausbildung vor zwei Jahren begonnen hat. Kindergärtnerin: ja, Friseurin: ja, Arzthelferin: ja. Aber Bestatterin? So ungewöhnlich scheint dieser Ausbildungsberuf für eine junge Frau jedoch gar nicht zu sein. „In unserer Klasse sind wir Frauen in der Überzahl“, berichtet die 24-Jährige.

Wie in anderen Berufen des Handwerks auch, nimmt sie an überbetrieblichen Lehrunterweisungen teil. Für den Beruf der Bestattungsfachkraft finden diese im bayrischen Münnerstadt im „Bundesausbildungszentrum der Bestatter“ statt, zur schulischen Ausbildung in Wermelskirchen fährt sie alle zwei Monate für drei bis fünf Wochen. „Dort sind wir zwischen den Büroleuten und Handwerkern die Außenseiter und hinter vorgehaltener Hand wird gefragt, ob wir wohl die Bestatter sind. Zum Glück reagieren meine Familie und Freunde ganz normal und akzeptieren meine Berufswahl.“

Praktische Erfahrungen sammelt Nicol Matulewski im Bestattungshaus Geismann. Dort wird sie ausgebildet und befindet sich mittlerweile im dritten Ausbildungsjahr.

Foto oben rechts: Rainer Geismann (rechts) und sein Sohn Marcus betreiben das 1910 gegründete Bestattungsunternehmen bereits in der dritten und vierten Generation

Nicht nur im Vorfeld, auch bei den Vorbereitungen zum Ablauf einer Beerdigung können sich Angehörige selber einbringen und Wünsche äußern. So muss die junge Auszubildende nicht nur wie alle Bestatter die verschiedenen Möglichkeiten der Beisetzung kennen, sondern auch im Detail wissen, worin sie sich unterscheiden. Urne oder Sarg? Gruft oder Einzelgrab? Anonym oder mit großem Stein? Unter einem Baum oder auf See? Was ist rechtlich gestattet und was nicht. Welche religiösen Vorschriften sind bei den verschiedenen Glaubensrichtungen einzuhalten? Welche Erinnerungen bleiben? Karten, Fotos, Fingerabdrücke auf einem Schmuckstück oder gar ein Diamant aus der Asche des Verstorbenen? Welche Möglichkeiten gibt es online, damit auch entfernt wohnende Verwandte oder Freunde Abschied nehmen oder Trost spenden können? 

Nicol Matulweski versucht gemeinsam mit ihren Ausbildern Rainer Geismann und dessen Sohn und Nachfolger Marcus, die Wünsche umzusetzen und einen Weg zu finden, der den Trauernden guttut. Sei es, dass Kinder den Sarg eigenhändig bemalen oder schmücken möchten, die Urne von Angehörigen zum Grabe getragen oder die Trauerfeier selber gehalten werden soll. Auch beim Einkleiden des Verstorbenen dürfen Angehörige dabei sein – sofern sie es denn wünschen“, ergänzt Marcus Geismann die Möglichkeiten, die Hinterbliebenen angeboten werden.

Diese Gespräche erfordern viel Einfühlvermögen, das die junge Frau und ihre Ausbilder offensichtlich haben. Nicht nur ihre ruhigen, angenehmen Stimmen, auch ihr besonnenes und seriöses Auftreten bei Trauergesprächen, würdigen diesen traurigen Anlass.

Obwohl dieser Ausbildungsabschnitt erst zu einem späteren Zeitpunkt in Bayern stattfindet, so konnte Karin Geismann ihrer Auszubildenden von Anfang an sehr wertvolle Tipps geben. Seit Jahren begleitet sie Kinder und Erwachsene in verschiedenen Trauergesprächen, beim mediativen Singen oder Wandern und hat daher das nötige Wissen.  

Die junge Auszubildende hat durch ihren eigenen familiären Hintergrund  einen anderen Umgang mit Tod und Trauer kennengelernt. In Polen, der Heimat ihrer Eltern, ist der ganz persönliche Abschied am offenen Sarg etwas Selbstverständliches. Obwohl auch in Deutschland die Hausaufbahrung für 36 Stunden ohne besondere Genehmigung möglich ist, wird sie jedoch kaum genutzt.

Im Hause Geismann gibt es als Alternative individuelle Abschiedsräume, zu denen Angehörige einen eigenen Schlüssel erhalten, um ohne Terminabsprache 24 Stunden am Tag kommen und gehen zu können, um Abschied zu nehmen – wann immer es ihnen guttut. Sowohl diese Abschiedsräume, als auch Trauerfeiern auf Friedhöfen und in Kirchen werden individuell dekoriert

Die Veränderung in der Trauerkultur zeigt sich auch darin, dass Kinder immer öfter mit in den Trauerprozess einbezogen werden. Aufgrund Ihrer Erfahrung wurde Frau Matulewski als Projektarbeit die Organisation und Planung des „Türöffner-Tag“ der Sendung mit der Maus des WDR übertragen. Am 3.Oktober 2017 öffnete das Bestattungshaus Geismann erneut seine Türen für kleine und große Maus-Fans und so konnten sich interessierte Kinder und Eltern in den Räumen umsehen und erfahren, was alles geschieht, wenn jemand gestorben ist. Teddy Trost war den ganzen Tag dabei und begleitete die Kinder.
Im Bestattungshaus steht seit einiger Zeit zusätzlich der „Museumskoffer Vergissmeinnicht“, der „coole Koffer“ vollgepackt mit kindgerechten Informationen rund um das Thema Tod. KiTas, Schulen oder andere Organisationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, können ihn gerne bei Karin Geismann kostenlos ausleihen.

Foto oben rechts: Der „Museumskoffer Vergissmeinnicht“ kann kostenlos bei der Familie Geismann ausgeliehen werden

Die Aus- und Weiterbildung der Bestatter, die zusätzlichen Möglichkeiten einer individuellen Beisetzung und letztlich die Erkenntnis, dass der Tod zum Leben gehört, tragen dazu bei, dass sich die Trauerkultur in Deutschland im Wandel befindet.
Doch wie immer sich die Trauerkultur auch ändern mag, eines bleibt: „Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ (Berthold Brecht)

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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