Auf einen Kaffee mit ….
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Auf einen Kaffee mit ...

Engelbert Bellendorf, dem Hüter der Königsketten
„Unsere Familie ist seit ein paar Jahrhunderten als Metzger in Dorsten ansässig. Nur der Bruder meines Opas schlug einen anderen Weg ein und ließ sich bis 1990 als Uhrmacher in der Altstadt nieder“, erinnert sich Engelbert Bellendorf. Alle männlichen Mitglieder der Dorstener Familie Bellendorf waren natürlich im Verein der Altstadtschützen aktiv, mehr noch, zumindest vier von ihnen waren auch Schützenkönige. „1887 mein Ur-Ur-Großvater Engelbert, 1903 mein Großvater Josef, 1967 mein Vater Engelbert und 2013 habe ich selbst den Vogel abgeschossen“, fährt der Gold- und Silberschmied fort.
Für alle, die mit dieser Tradition wenig vertraut sind: Dem neuen Schützenkönig wird die Schützenkette als Zeichen der neuen Regentschaft umgelegt. Diese Kette wird jeweils um die Münze des jeweiligen Schützenkönigs erweitert. Ein älterer Königsorden wird dafür entfernt, da die Kette sonst zu schwer wäre. „Zwei alte komplette Ketten liegen bereits im Tresor, sie sind zu wertvoll und auch zu historisch, um getragen zu werden, denn unser ältester Schützenorden stammt immerhin aus dem Jahr 1827“, weiß der ehemalige Schützenkönig.
Foto oben rechts: Engelbert Bellendorf

Was nicht heißen soll, dass die neuen Ketten nicht wertvoll sind. Es sind wahre Kunstwerke, in denen viel Arbeit steckt, denn jeder neue Schützenkönig kann seinen Orden vom Schützenbruder Engelbert nach eigenen Ideen gestalten lassen. Wurden die Orden früher und in Kriegszeiten aus der Laffe eines Silberlöffels hergestellt und lediglich mit Namen und Jahreszahl versehen, so hinterlassen dort die Schützenkönige heute ihre eigenen Fußabdrücke mit Motiven wie beispielsweise der Mondlandung oder der WM im eigenen Land, einem Bierglas oder dem Konterfei eines lokalen Geschäftshauses.
Der Dorstener Gold- und Silberschmied fertigt diese traditionellen Orden für den offiziell 1487 gegründeten Schützenverein Altstadt. Da jedoch dem Buch „Dorsten, eine Zeitreise“ zu entnehmen ist, dass Dorstener Schützen am 20. August 1464 bei einer Xantener Prozession durch eine „Dreistigkeit sondergleichen“ aufgefallen sind, besteht der Verein möglicherweise doch schon etwas länger.
„In jeder Münze der Königskette steckt nicht nur handwerkliches Können, sondern auch ein unschätzbarer ideeller Wert. Daher achte ich natürlich ganz besonders auf die Königskette und lasse sie kaum aus den Augen“, schmunzelt der „Hüter“ der Königsketten. „Nach dem großen Umzug und dem Krönungsball nehme ich sie direkt wieder an mich, bessere sie nach wilden Throntänzen regelmäßig aus und bewahre sie anschließend für besondere Anlässe gemeinsam mit der Königinnenkette sicher im Tresor auf. Der König trägt bei festlichen Anlässen dann stattdessen die kleine Königskette, die sogenannte Ausgehkette.“
Foto oben rechts: die große "Ausgehkette" des Schützenkönigs

Und damit komme ich jetzt zur Königinnenkette. Die Gemahlin des Königs trägt diese Kette, die für den Verein einen unschätzbaren Wert hat, da sie ursprünglich ein Teil der Königskette war. In der Mitte des silbernen Schützenwappens thront der heilige Nikolaus, einst Schutzpatron der alten Hansestadt Dorsten. Zu seiner Rechten ist das kurkölnische Schild mit dem Kreuz zu sehen, als Erinnerung an die Verleihung der Stadtrechte durch den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden am 1. Juni 1251. Zu seiner Linken lehnt das städtische Wappen mit dem Schlüssel. „Die heutige Königinnenkette ist vermutlich Mitte des 16. Jahrhunderts von dem Dorstener Goldschmied Peter Counter gefertigt worden, der auch die berühmte goldene Monstranz, im Besitz der Dorstener Kirchengemeinde St. Agatha, hergestellt hat. Dies belegen zumindest die auf der Rückseite der Kette eingravierten Jahreszahlen, die erste davon aus dem Jahr 1544“, erzählt mir Engelbert Bellendorf.
Alle Königsketten und -münzen werden zu gewissen Anlässen öffentlich präsentiert. Momentan befinden sich 68 Münzen an der „großen Königskette“. Es sind jedoch leider nicht mehr alle alten Münzen vorhanden. So befanden sich 1755 einst 61 Königsmünzen an der Kette, die jedoch nicht mehr aufzufinden sind. „Diese Ketten sind ein starker Kontrast zu unserer digitalen Welt und Erinnerungen, die über Jahrhunderte hinweg wieder lebendig werden. Ich sehe sie mir immer gerne an und erinnere mich an verstorbene Schützenbrüder und sehe deren Gesichter und Geschichten vor mir. Es ist, als blättere ich in einem alten Bilderbuch.“
Foto oben rechts: die Königinnenkette
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak