Bernhard Honsel, innovativer Kaufmann aus Holsterhausen

von Martina Jansen

„Es war nicht immer einfach“, erinnert sich Bernhard Honsel.

Und dennoch: Er kann auf ein schönes Leben mit seiner Familie, insbesondere mit seiner Frau Änne zurückblicken.

Ich treffe mich mit dem freundlichen Senior in seinem alten Büro auf der Freiheitsstraße in Holsterhausen. Arbeit und Sport, zwei Konstanten in seinem Leben, die geblieben sind. Und so lässt er es sich auch nicht nehmen, jeden Morgen, nachdem er ein paar Bahnen in Schermbeck geschwommen ist, in der Firma nach dem Rechten zu sehen.

Aber von Anfang an:
Da nur der jeweils älteste Sohn den elterlichen Hof erben konnte, zog es Bernhard Honsels Vater von Vardingholt (bei Bocholt) nach Dorsten. Hier wurde Bernhard Honsel geboren. Mit 16 Jahren wurde er in den Krieg eingezogen, konnte jedoch glücklicherweise nach drei Monaten flüchten. Zurück in der Heimat begann der junge Holsterhausener eine Ausbildung zum Kaufmann bei der „Bäuerlichen“ in Dorsten und wechselte danach in die Lembecker Genossenschaft, bei der er später auch Geschäftsführer wurde. Es war damals üblich, dass Angestellte auch in der Familie des Betriebes übernachteten. So konnte er jeden Tag „seine Änne“ sehen. Aber nur von Weitem oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn von ihrer Beziehung wussten die Wenigsten. Fünf Jahre lang, seit 1950, hielten sie sie geheim, denn ein Holsterhausener, der den Lembeckern die schönsten Mädchen wegschnappt, der war dort nun mal nicht gerne gesehen.

„Ich habe mich sofort in Änne Cosanne verliebt“, erinnert sich Bernhard Honsel. „Ich sah sie jeden Tag, wenn sie von der Schule nach Hause kam und ihre beiden fliegenden Zöpfe hatten es mir echt angetan“. Seine Augen strahlen und ich habe in dem Moment das Gefühl, der junge Herr Honsel sitzt vor mir, der von den Anfängen seiner großen Liebe erzählt. „Änne wohnte genau gegenüber und zwischen den beiden Grundstücken gab es eine gemauerte Scheune mit einer geheimen Mauerlücke. Dort legten wir unsere Briefe für einander ab und eilten anschließend schnell in unsere Zimmer und hängten unsere Scheibengardinen etwas schräg. Das war das verabredete Zeichen, dass ein neuer Brief im Versteck lag. Wir waren also immer in Bewegung. Entweder rauf ins Zimmer oder runter, um den neuen Brief zu holen.“
Ihre Liebe hielt an und so feiern Änne und Bernhard Honsel in diesem Jahr zusammen mit ihren vier Kindern und acht Enkelkindern ihren 60. Hochzeitstag.

Foto oben rechts: Änne und Bernhard Honsel feierten vor fast 60 Jahren Hochzeit

Trotz aller Schmetterlinge im Bauch war Bernhard Honsel aber auch ein Geschäftsmann und eröffnete während dieser Zeit zusammen mit seiner Schwester Maria einen Lebensmittelmarkt in seinem Elternhaus. Auf sage und schreibe 24 Quadratmetern, die er kurz darauf verdoppelte – und dann noch einmal auf 250 Quadratmeter vergrößerte. Eine riesige Fläche für damalige Zeiten.
Das Glück meinte es gut mit dem jungen Kaufmann, der den Betrieb mittlerweile ohne seine Schwester weiterführte. Gingen die meisten anderen Lebensmittelgeschäfte um ihn herum pleite, so wurde er zum Pionier und schuf 1962 den ersten Selbstbedienungs-Supermarkt in Dorsten. Lebensmittel selbst anzufassen, zu begutachten und in einen Einkaufskorb zu legen, das gab es noch nie in Dorsten, dementsprechend groß war auch die Ver- und Bewunderung. Damit aber nicht genug. Auch hinsichtlich der Arbeitserleichterung war Bernhard Honsel ein Pionier. So mussten seine Mitarbeiten die angelieferten Waren nicht mehr in den Keller tragen; sie wurden mit einer Rollenbahn weiterbefördert. Und später gab es, neben der ersten Rolltreppe in Dorsten, ein weiteres Highlight in seiner Firma, über das die heutige Jugend sicherlich lachen wird: Der erste Computer. Oder zumindest schon nahe dran. Ein Buchungstisch, mit dem mittels Modem die Daten zum Rechenzentrum übertragen wurden. Seine Ausmaße: Tischgröße.  

Die Erweiterung des Lebensmittelgeschäftes ging zuvor jedoch – quasi gezwungenermaßen – dadurch weiter, dass Bernhard Honsel das Nachbargrundstück kaufte, wollte er doch verhindern, dass COOP dort baute. Und so sind aus den anfänglichen 24 Quadratmetern und zwei Mitarbeitern mehrere tausend Quadratmeter und 200 Mitarbeiter, verteilt auf fünf verschiedene Geschäfte, geworden. Das sechste Geschäft in Hervest steht kurz vor Baubeginn.

Die Produkte aus der seit 1966 eigenen Wurstproduktion mit zahlreichen Prämierungen wird es natürlich auch dort zu kaufen geben.  

Foto oben rechts: Einkaufsnostalgie in Holsterhausen

Kurzerholung und Entspannung fanden die Eheleute Honsel zwischendurch immer wieder beim gemeinsamen Tennisspielen und bei diversen Firmenevents, zu denen sie eingeladen wurden.
„Wir verkauften damals Tennisschläger der Firma Donnay und wurden von dieser Firma nach Köln eingeladen. So ergab es sich, dass wir zusammen mit Björn Borg eine kurze Partie spielen konnten“, erinnert sich der erfolgreiche Dorstener Tennisspieler. Drei gewonnene Stadtmeisterschaften im Doppel, sowie drei Siege bei den Deutschen Hallenmeisterschaften im Seniorendoppel kann er vorweisen.
Den älteren Lesern ist der schwedische Tennisspieler Björn Borg sicherlich noch ein Begriff, den jüngeren Lesern sei gesagt, er war damals wohl genauso umschwärmt wie heutzutage Cristiano Ronaldo.

Auch wenn die Freizeit knapp war, so hatte er dennoch Zeit für diverse Ehrenämter. Ob Prüfungsausschuss bei der IHK, CDU-Vorstand der Mittelstandsvereinigung, sachkundiger Bürger im Dorsten Rat, ob Schöffe am Landgericht oder im Vorstand des Einzelhandelsverbandes Recklinghausen, „Berni“ war überall gern gesehenen.

Foto oben rechts: Drei erfolgreiche Tennisspieler: Änne Honsel, Björn Borg und Bernhard Honsel

Doch sein Herz schlug nicht nur für die Familie, die Arbeit und den Sport. Für Menschen, denen es nicht so gut ging, setze er sich immer wieder ein. Und so erfahre ich von einer gelungenen Aktion zugunsten der „Aktion Mensch“, damals noch „Aktion Sorgenkind“: Mitte der Siebziger kaufte der Holsterhausener Kaufmann jede Menge abgelaufener Schaumküsse bei der Herstellerfirma auf. Bei der Aktion „Treff den Chef“ konnte jeder für ein kleines Entgelt den „Häuptling“ im Indianerkostüm am Marterpfahl mit den Schaumküssen bewerfen. Die Aktion wurde so erfolgreich, dass mehrere tausend D-Mark der „Aktion Sorgenkind“ gespendet wurden. Selbst das ZDF wurde auf diese Spendeninitiative aufmerksam und stellte die Aktion im Studio mit allen Mitarbeitern noch einmal nach. 

Foto oben rechts: "Treff den Chef" zugunsten der "Aktion Sorgenkind"

Der jetzige Geschäftsführer Ralf Honsel ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat nach der Kaufmannsprüfung zunächst das Fachabitur Wirtschaft gemacht, um dann in Nagold sein Betriebswirtschaftsstudium zu absolvieren. Dort verliebte er sich in die Hanseatin Martina, praktischerweise auch vom Fach. Und der Nachwuchs steht schon in den Startlöchern: Die beiden Mädchen Julia und Christina studier(t)en beide ebenfalls Wirtschaft und während Christina noch überlegt, wird Julia demnächst in den elterlichen Betrieb einsteigen.   

Ob Kaufring, SPAR, REWE oder EDEKA – wenn sich in den ganzen Jahren auch viel geändert hat, geblieben sind die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Angestellten und die Kundennähe der gesamten Familie Honsel.

Foto oben rechts: Bernhard und Änne Honsel im Kreise ihrer Kinder und Enkel 

Text: Martina Jansen
Fotos: Martina Jansen, privat

Zurück