Von wegen Old School
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Von wegen Old School
Selbstgestrickte Socken liegen im Trend
Elke geht zielstrebig die Einkaufsstraße entlang. Noch zwei Geschenke fehlen ihr in diesem Jahr, dann hat sie alle beisammen. Es war nicht immer einfach, die Geschenke zu besorgen, die sich ihre Liebsten gewünscht haben, aber die Freude der Beschenkten wird sie für ihre Mühe entschädigen.
Bevor sie das Wollgeschäft betritt, sieht sie sich ihr Spiegelbild im Schaufenster an. „Nicht schlecht dafür, dass ich schon eine 13-jährige Enkelin habe“, lächelt sie sich selbst zu. Sie zögert, bevor sie das Wollgeschäft betritt und denkt an früher. Ihre Großmutter und auch ihre Urgroßmutter, die Tick-Oma, wie sie von allen genannt liebevoll wurde, sahen in ihrer Erinnerung dagegen schon immer alt aus. Stets in Schwarz gekleidet, an Sonn- und Feiertagen auch mal mit einer weißen Bluse oder einem weißen Spitzenkragen, waren sie kein Vergleich zu den aktiven und auch attraktiven Großmüttern in der heutigen Zeit.
Viel weiß sie nicht mehr von damals, hat aber immer noch das Bild im Kopf von ihren beiden Großmüttern, die strickend im Lehnsessel saßen und mit ihren Werken die ganze Familie versorgten. Dass auch sie zu Weihnachten stets selbst gestrickte Socken bekam, daran erinnerte sich Elke auch noch ganz genau. Es waren Strümpfe, die in ihrer Erinnerung kratzig und quitschebunt waren. Die Arbeit und die Liebe, die in den selbst gemachten Geschenken steckten, die sah sie als Kind natürlich nicht. Sie freute sich viel mehr über die Puppe, die „Mama“ sagen konnte, über ihre erste Jeans oder über einen eigenen Kassettenrekorder. Erst viel später wusste sie die warmen Socken zu schätzen, aber da war ihre Uroma längst verstorben.
Die Zeit verging, nun ist Elke selbst Oma. Und seit geraumer Zeit sitzt auch sie im Sessel und hat dabei immer öfter fünf Stricknadeln in der Hand. Es dauerte lange, bis sie sich traute, ihrer Tochter handgestrickte Socken unter den Weihnachtsbaum zu legen. Aber mittlerweile freut sich Julia jedes Jahr sehr über die kuscheligen Strümpfe, die ihre Füße so mollig warmhalten.
Selbstgestrickte Socken erleben seit einiger Zeit ein Comeback. Sie sind keine Verlegenheitsgeschenke mehr, wenn man gar nicht weiß, was man schenken soll und möchten auch keinen Preis mehr in der Parade der „Ugly Christmas Sweats and Socks“ gewinnen, bei der Hässlichkeit Trumpf ist. Socken haben etwas von Herzlichkeit und von der guten alten Zeit an sich. Sie müssen nicht einmal originell oder aufwendig verpackt sein. Mit einer schönen, selbst gebastelten Banderole oder einer schlichten Schleife drumherum wirken sie für sich.
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„Wo ist nur die Zeit geblieben“, denkt sich die junggebliebene Oma. Sie betritt das Wollgeschäft und kauft die herrlich weiche Alpakawolle, genug, um zwei Paar Socken zu stricken. „Soll ich …?“ Ganz kurz überlegt sie, ob sich ihre Enkelin Paulina nicht mittlerweile auch über dieses handgemachte Geschenk freuen würde. Sie besinnt sich jedoch eines Besseren und betritt kurz darauf das unter Teenagern so angesagte Schnick-Schnack-Geschäft. Wohl fühlt sie sich hier in dem Trubel nicht, aber wenn sich Paulina dieses bestimmte glitzernde Rumstehchen wünscht, dann soll sie es auch haben. Ungeduldig wartet Elke, bis sie an der Kasse an der Reihe ist, bezahlt und ist froh, wieder frische Luft zu schnappen. Welch ein krasser Unterschied zum angenehmen Aufenthalt in dem alteingesessenen Wollgeschäft in der Seitenstraße.
„Es gibt lustige und verrückte Socken, bunte und einfarbige, warme und dünne und es gibt ganz besondere Socken, Socken, die Oma gestrickt hat. Und wer weiß, vielleicht werde ich ja im nächsten Jahr auch hier Wolle für Paulina einkaufen können“, denkt sich Elke und freut sich schon auf ihr warmes Zuhause. Sie kann es kaum erwarten, sich ihre Kuschelsocken anzuziehen und zu spüren, wie die weiche Wolle durch ihre Hände gleitet.
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Text: Martina Jansen