Sternenkindfotograf Detlev Wischerhoff
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Sternenkindfotograf Detlev Wischerhoff
Das erste und letzte Bild
Es gibt sicherlich reichlich Anlässe, die erfreulicher sind. Dennoch haben sich 600 Fotografen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bewusst dafür entschieden, sich ehrenamtlich für die Stiftung „Dein Sternenkind“ zu engagieren. Sie schenken Eltern von totgeborenen oder todgeweihten Kindern Erinnerungsfotos. Der Dorstener Detlev Wischerhoff ist einer von ihnen.
Manchmal ändert sich das Leben von jetzt auf gleich. In Erwartung eines gesunden Babys erfahren die Eltern stattdessen, dass ihr Kind ein Sternen- oder Schmetterlingskind ist und still geboren wird, wurde oder in den nächsten Stunden sterben wird. Dieser emotionale Begriff ist das genaue Gegenteil der offiziellen Bezeichnung „Tot- oder Fehlgeburt“.
Oft ist den Eltern in ihrer Trauer nicht bewusst, dass es nur jetzt die Möglichkeit gibt, um später greifbare Erinnerungen zu haben. Vielleicht sind sie auch in dem Moment noch nicht bereit, sich ihr Neugeborenes anzusehen.
Hier ist Detlev Wischerhoff gefragt. Ohne groß zu stören, ist er dennoch mittendrin in einer ganz persönlichen Situation und fotografiert das Neugeborene, gerne auch zusammen mit seinen Eltern und/oder Geschwistern. Es werden die ersten und zugleich auch letzten Fotos des neuen Erdenbürgers sein. Das Willkommensfoto ist zugleich auch ein Foto des Abschieds und der Erinnerungen.
„Warum hast du dir gerade dieses emotional belastende Thema ausgesucht?“, möchte ich von ihm wissen. „Ich bin durch Zufall auf der Seite der Sternenkinder-Stiftung gelandet und ich war sofort sicher, dass ich dort mitmachen wollte. Ich habe zwei gesunde Töchter und zwei gesunde Enkelkinder und bin dafür sehr dankbar, denn nicht jeder hat dieses Glück“, antwortet er mir. „Ich fotografiere seit 45 Jahren und habe so manchen Preis gewonnen, aber hier geht es nicht um mich, sondern um das Geschenk, das ich den verwaisten Eltern mache“, fährt er fort.
Seit dem 14. November 2017 ist der 67-Jährige bereits als Sternenkindfotograf registriert. Durch seinen ehemaligen Job beim Dorstener Ordnungsamt erlebte er zwar viele Extremsituationen, aber das hier ist für ihn ein ganz besonderer emotionaler Ausnahmezustand. „Ich bin bei jedem Termin nervös und angespannt und versuche die Balance zwischen Empathie und nötigem Abstand zu halten, aber dennoch kommen mir manchmal beim Fotografieren die Tränen. Je älter das Kind ist, umso mitfühlender bin ich, denn dann ist es irgendwie für mich ‚greifbarer‘, dass es ein Mensch ist“, berichtet mir der Dorstener Fotograf. „Ich bin ja schließlich keine Maschine“, fügt er noch hinzu.
Foto oben rechts: Sternenkindfotograf Detlev Wischerhoff bearbeitet seine Fotos am Computer
Wenn von der Stiftung die Anfrage kommt, welche Fotografin oder welcher Fotograf im Umkreis Zeit hat zu fotografieren, muss es gerade bei sehr jungen Sternenkindern schnell gehen. „Viel Zeit bleibt uns in den meisten Fällen nicht, bevor die Kinder sich verändern und es gibt nun Mal keine zweite Chance für diese Fotos.“ Mit zwei Taschen voller Kleidung, speziell für die Stillgeborenen, die Ehrenamtliche nähen und spenden, macht sich Detlev danach auf den Weg ins Krankenhaus oder zum Bestatter.
Und dennoch ergeben sich in diesen traurigen Momenten auch sehr schöne Begegnungen. „Ich habe zum Beispiel von Anfang an eine sehr gute emotionale Beziehung zu Karl Friedrichs Mutter gehabt und wir stehen auch heute noch in Kontakt. Während ich bei meinem Besuch im Krankenhaus am Fenster die letzten Fotos von Karl Friedrich und seiner Mutter machte, zeigte sich, wie zum Abschied, draußen am Himmel ein Regenbogen. Dieses Foto ist mein auch mein absolutes Lieblingsbild und sein Anblick verschafft mir heute noch Gänsehaut.“ Der Regenbogen, als Zeichen der Hoffnung, hat eine doppelte Bedeutung: Zum einen gehen sterbende Kinder über die Regenbogenbrücke, zum anderen werden Kinder, die nach einem Sternenkind geboren werden, als Regenbogenkinder bezeichnet.
Erst seit zehn Jahren haben Frühgeborene unter 500 Gramm das Recht auf einen Namen und auf eine Bestattung. Damit erfolgte auch eine andere Sichtweise auf Schmetterlingskinder und deren Eltern. „Wird im Dorstener St. Elisabeth-Krankenhaus ein Kind totgeboren oder stirbt es kurz nach der Geburt, dann wenden sich unsere Hebammen, natürlich nur im Einvernehmen mit den betroffenen Eltern, an die Stiftung. Die gute Betreuung ist uns auch in diesen Fällen ein sehr wichtiges Anliegen“, berichtet mir Pressesprecherin Sarah Höchst.
Foto oben rechts: Auch wenn Marians kleine Füße die Erde nie berührten, so hinterließ er dennoch Spuren
Text: Martina Jansen
Fotos: Detlev Wischerhoff und privat