Stadtteilserie Alt-Wulfen

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

In der heutigen Ausgabe unserer Stadtteilserie weichen wir ein wenig von unserem bisherigen Format ab und betrachten Wulfen in zwei einzelnen Stadtteilberichten.

Der Stadtteil Wulfen, bestehend aus Alt-Wulfen und Wulfen-Barkenberg, hat nicht nur zwei Gesichter, er hat auch zwei völlig unterschiedliche Geschichten. Es ist für uns daher kaum möglich, beide „Wulfen“ in einem Bericht „unter einen Hut“ zu bekommen.
Dorstens nördlicher Stadtteil liegt südlich von Lembeck, östlich von Deuten, nördlich von Hervest und westlich von unserer Nachbarstadt Haltern. Östlich von Alt-Wulfen schließt sich Barkenberg an.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dem ersten Teil der sechsten Stadtteilserie – Ihr Team der Lokallust Dorsten.

Alt-Wulfen: Gemeinschaft im Vereinsleben
Wer von der B58 in die Hervester Straße einbiegt, dem fällt sofort der Wappenbaum gegenüber dem Ehrenmal ins Auge. Er ist zusammen mit dem Brauturm der ehemaligen Rose-Brennerei das Wahrzeichen des Stadtteils. Gegenüber des 1925 erbauten Ehrenmals, das damals vielen Wulfenern zu pompös erschien, haben sich 28 Vereine mit ihren Wappen verewigt und zeigen damit die Verbundenheit untereinander sowie ihre Zugehörigkeit zu Wulfen.

Die Geschichte
Soweit zurück, als die Nordsee noch Wulfen überflutete gehe ich jetzt nicht, ich starte bei Ausgrabungsfunden aus der Stein-, Bronze und Eisenzeit in Form von Beilen oder Friedhöfen. Es folgten die Römer, die auf ihrem Weg von Haltern nach Holsterhausen in der Nähe von Wulfen vorbeizogen, danach fanden Germanen, Franken und Sachsen Gefallen an Wulfen.

Woher der Name „Wulfen“ stammt, das wird wohl nie ganz geklärt werden können. Die einen sagen so, die anderen sagen so. Für die einen leitet sich der Ortsname vom Vorkommen zahlreicher Wölfe her, die noch im letzten Jahrhundert hier zahlreich vorhanden waren, für die anderen geht der Name auf den Ritter von Wulffheim zurück. 875 tauchte der Name „Wolfhelm“ auf, als er zum sechsten Bischof von Münster ernannt wird. 1172 wurde Wulfen dann urkundlich zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Ritterfamilie „Wulffheim“, den Nachfahren des Bischoffs, erwähnt, die die Gemeinde St. Matthäus gründeten. Geblieben ist aus der Zeit der Straßenname „Burgring“. Mehrere Jahre und Schreibweisen später, wurde aus Wolfhelm, Wulffheim und Wulphen schließlich Wolfen und nun Wulfen.

Zu der kleinen selbständigen Gemeinde gehörten damals die drei Bauerschaften Dorf, mit dem Dorfkern und den Ansiedlungen Lehmkuhle, Wauert und Köhl, die Bauernschaft Dimke mit Dimke, Surik und Kippheide sowie Deuten, das bis 1975 zu Wulfen gehörte, mit Deuten, Sölten und Brosthausen. Die politische Gemeinde der Bauernschaften wurde 1810 von Napoleon in eine Bürgermeisterei mit Sitz in Lembeck umgewandelt. Zwei Jahre später entstanden aus den drei Bauernschaften die sieben Gemeinden Wulfen, Lembeck und Rhade, Altschermbeck und Erle sowie Hervest und Holsterhausen. 1816 wurde die „Herrlichkeit Lembeck“, zu der auch Wulfen gehörte, dem Kreis Recklinghausen zugeordnet. 25 Jahre später wurden neun Gemeindeverordnete gewählt, dessen Namen und Nachfahren heute noch im Dorf zu finden sind. 1929 wurde, gegen den Willen der Gemeinden, das Amt Lembeck-Altschermbeck, zum Amt Hervest-Dorsten mit Sitz in Wulfen zusammengeschlossen, die Stadt Dorsten folgte im Jahre 1937. 
Fortschrittlich waren die Wulfener, wie zu lesen ist. Bereits 1678 wird eine Schule hier im Ort erwähnt, 1902 wurden abends die ersten Laternen an den Straßen angezündet und im Jahre 1954 fanden bereits Wettbewerbe zum Bau von Nisthöhlen auf, die sofort an die Nistkästen-Wettbewerbe in der jetzigen Zeit denken lassen.

Foto oben rechts: Die Urpfarre von St. Matthäus ist eine der ältesten Kirchen im Bistum Münster

Das Vereinsleben
Das Vereinsleben hatte in Wulfen schon immer einen großen Stellenwert. Das Jubiläumsschützenfest vor zwölf Jahren sowie der Bau des Heimathauses drei Jahre später haben verstärkt dazu beigetragen, dass sich die Vereine untereinander stärker verbunden fühlen und sich gegenseitig unterstützen. „Dazu gehört auch, dass wir uns absprechen und nicht zeitgleich unsere Feste feiern oder Veranstaltungen planen“, so Andreas Wanning, Vorsitzender des Schützenvereins.
Hier findet jeder den Verein, der ihm zusagt. Ob traditionell beim Schützenverein oder der Freiwilligen Feuerwehr, musikalisch bei Musikkapellen oder dem Gesangsverein, sportlich beim Fußball, Schießen oder Tanzen, aber auch heimatverbunden beim örtlichen Heimatverein. Gebündelt werden die Interessen der verschiedenen Vereine im 2014 gegründeten Wappenbaumverein. Getreu dem Motto: „Unser Dorf soll schöner werden“, wurde die Wiese gegenüber dem Ehrenmal gesäubert und bepflanzt, Bänke und eine Wetterschutzhütte wurden aufgestellt. Gut sichtbar als Wahrzeichen des kleinen Parks steht der Wappenbaum, um den 2011 die Wulfener zum ersten Mal in den Mai tanzten. Die Veranstaltungen, insbesondere die des Fußballvereins Blau-Weiß Wulfen und des Schützenvereins, die des Tanzsportvereins TSZ Royal Wulfen, die Konzerte der Chöre und der Blasmusik oder auch die Feste des Heimatvereins ziehen regelmäßig auch „Auswärtige“ an und machen Wulfen damit über die Ortsgrenzen bekannt.

Foto oben rechts: Der Wulfener Spielmannszug führte den Festumzug mit musikalischer Begleitung zum Festplatz. Hier über den Wittenbrink in Wulfen.

Der Heimatverein
„Tradition ist die Bewahrung des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.“ Dieses Motto von Gustav Mahler hat sich der mitgliederstärkste Verein des Dorfes, der Heimatverein Wulfen 1922 e. V., auf seine Fahne geschrieben. Und so agiert er auch. „Unser Vorstand ist immer offen für neue Ansichten“, erzählt Reinhold Grewer, Gruppensprecher des Vereins. „Wir sehen über den Tellerrand hinweg und legen das ein wenig angestaubte Image des Heimatvereins ab“, fährt er fort. Der Heimatverein Wulfen könnte somit auch „Familienverein“ heißen. Für die 1154 Mitglieder wird von klein bis groß viel geboten: Bei Veranstaltungen für die „Junge Lüüd“ über die Brau- oder auch die Imkergruppe hin zu Kochgruppen oder die Brauchtumspflege wie dem Erhalt der Dorfgeschichten und alter Handwerkskunst, um nur einige der 16 Gruppen zu nennen, findet hier jeder seinen Platz.

Foto oben rechts: Reinhold Grewer, Gruppensprecher des Heimatvereins

Als Repräsentanten des Vereins bei Geburtstagen ab 80, zu Silber- und Goldhochzeiten, aber auch bei allen anderen Ereignissen der Heimatfreunde sind die Kiepenkerle immer mit dabei. Die fliegenden Händler von früher in ihrer Tracht, der Kiepe auf dem Rücken, mit Holzschuhen an den Füßen und mit Neuigkeiten im Gepäck, sind das Aushängeschild des Vereins.

Kräftig angepackt haben die Mitglieder und in Eigenhilfe 1997 das Flachsrösthaus sowie 2011 das Heimathaus gebaut. Letzteres dient dem Verein nicht nur als Möglichkeit für seine Ausstellungen, auch andere Vereine können es gerne nutzen. Der vom Verein organisierte Flachsmarkt, der jedes Jahr Tausende Besucher anzieht, musste dieses Jahr ebenso wie alle anderen Veranstaltungen abgesagt werden“, bedauert Reinhold. „Aber wir schauen nach vorne und bereiten uns momentan auf das 100-jährige Vereinsjubiläum in zwei Jahren vor.“

Foto oben rechts: Der Kiepenkerl Kalle Lutz steht in seiner Pracht vor dem Wulfener Heimathaus am Rhönweg

Die Schützen
Am 30. September 1833 fand Wulfens erstes urkundlich belegtes Schützenfest der „Vormaligen Wulfenschen Tuchmacherzunft“ statt. Dieses Datum gilt als Gründungsdatum des Allgemeinen Bürgerschützenverein Wulfen / Westfalen e. V. Aber schon weit vorher, in den Jahren 1592 und 1609 wurde in Wulfen gefeiert, wie in Chroniken nachzulesen ist. Das Schützenfest ist somit das älteste Fest im Ort. Über vier Tage lang feiern die Wulfener Schützen mit ihren Gästen. Bereits freitags haben die Jüngeren das Zelt mit der Disko für sich, gefolgt vom Ball am Samstag und dem Platzkonzert am Sonntag, bevor Montag das Vogelschießen beginnt.

„1908 wurde der Verein wiederbelebt und bereits zwei Jahre nach dem 1. Weltkrieg feierten wir wieder Schützenfeste bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges“, weiß Andreas Wanning, Vorsitzender des Vereins. Mit einer kurzen Unterbrechung stand das nächste Fest 1948 an, allerdings wurde mit der Armbrust geschossen, eine Genehmigung mit Gewehren zu schießen wurde nicht erteilt. „1995 fand unser letztes Schützenfest auf dem Gelände hinterm Sportplatz Wittenbrink statt, seitdem feiern wir Schützen auf dem Festplatz am Großen Ring“, erzählt Andreas weiter.

Foto oben rechts: Andreas Wanning, Vorsitzender des Schützenvereins

Der Jubiläumsumzug zum 175-jährigen Jubiläum im Jahre 2008 mit 2000 Teilnehmern, ist bei allen Wulfenern noch in guter Erinnerung. 80 Vereine, 11 Musikkapellen, alle 13 Dorstener Schützenvereine und der Schützenverein Lippramsdorf beteiligten sich am zwei Kilometer langen Festumzug durch die geschmückten Straßen im Dorf. Im 2007 erschienenen Bildband ist das Ereignis für die Nachwelt festgehalten. Das Ehrenmal, die Gedenkstätte gegen Krieg und Gewalt zum Gedenken an verstorbene und vermisste Wulfener während des Krieges, wird von den Mitgliedern gepflegt. Auch heute steht es nach wie vor auch für den Wunsch nach Frieden und Freiheit.

Foto oben rechts: Carsten Mecking (3.v.r.) und Nadine Pohlmann (4.v.r.) regieren seit Juli 2019
das Wulfener Schützenvolk. Ihr Thron setzt sich zusammen aus den Ministern Sebastian Lorenz, Christian Maag, Dennis Heming. Zu den Ehrendamen gehören Lina Maag, Rebekka Heming und Yvonne Krüger.

Die Blasmusik
Auch wenn der Verein seit der Gründung umbenannt wurde, so bleibt die Blasmusik Wulfen e. V. weiterhin ein Garant für gute Musik. 100 Jahre Blasmusik, das sollte groß gefeiert werden. Zwei Jahre lang wurden Veranstaltungen übers ganze Jahr verteilt geplant, dann kam das Virus. Die Folge: keine Auftritte, keine Proben, keine Treffen mit ehemaligen Blasmusikern, kein Jubiläumskonzert, kein Benefizkonzert, kein Festwochenende.

„Das ist natürlich sehr schade“, bedauert Anne Theemann, die erste Vorsitzende des Traditionsvereins. „Aber wir konnten zumindest einen neuen Termin für das Benefizkonzert mit dem Musikkorps der Bundeswehr festmachen. Die Veranstaltung wurde auf den 19. Januar 2021 verlegt und unterstützt durch ihren Erlös den Förderverein für die Jugendarbeit in der Blasmusik als auch die Lebenshilfe“, fährt sie fort.

Foto oben rechts: Anne Theemann, erste Vorsitzende der Blasmusik Wulfen

Durch die Kooperation mit der Dorstener Musikschule, hofft der Verein neue Mitglieder zu gewinnen und ihnen eine noch bessere Ausbildung an unterschiedlichen Musikinstrumenten bieten zu können. „Wir spielen von Märschen und Polkas auf Schützenfesten hin zu Filmmusik, Klassik, Rock und Pop, aber auch auf Weihnachtskonzerten“, weist Anne auf das Repertoire des Vereins hin.

Wie alle anderen Vereine auch, ist die Blasmusik aus Wulfen nicht wegzudenken. „Hier helfen wir uns untereinander“, bestätigt Anne die vorherigen Aussagen von Reinhold und Andreas. So, wie es aussieht, müssen sich die Wulfener keine Sorgen um den Fortbestand aller Traditionsvereine machen.

Foto oben rechts: Die Blasmusik Wulfen führte den Einmarsch beim Schützenfest 2019 in das Festzelt an

Infrastruktur
Das Münsterländer Dorf hat sich gewandelt, die Straßen um die Matthäuskirche haben jedoch ihren Jahrhunderte alten Charme behalten. An der stark befahrenen B58 haben sich entlang der Hervester Straße, getrennt vom Ortskern, zahlreiche meist inhabergeführte Geschäfte angesiedelt. Hier ist alles vorhanden, was man zum täglichen Leben und Überleben benötigt. Neubaugebiete, meist mit Einfamilienhäusern, sind ebenfalls jenseits des Ortskerns entstanden. Dennoch prägen immer noch Wälder, Felder und Wiesen das Bild. Die Einwohnerzahl Alt-Wulfens ist in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben, die Menschen sind hier seit Generationen verwurzelt. Auch wenn mal nicht hier geboren wurde, so wird man doch gerne in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Wulfener wohnen meist dort, wo sie aufgewachsen sind, zur Arbeit fahren sie über die B58 zu den Autobahnen A43 und A31. Auch der seit 2007 unter Denkmalschutz stehende Bahnhof bietet gute Möglichkeiten ins Münsterland oder in die andere Richtung, ins Ruhrgebiet.

Als der Schacht der Zeche Wulfen um die Jahrtausendwende geschlossen wurde, fielen viele Jobs weg. Dennoch sind auch in Wulfen weiterhin Firmen angesiedelt, die zahlreiche Arbeitsplätze bieten. Angefangen vom kleinen Einkaufszentrum auf dem Gelände der ehemaligen Rosebrauerei, Wulfens erstem Großbetrieb, über das Transportunternehmen Humbert sowie dem Metallwerk Kleinken hin zum Autohaus Borgmann, um nur einige zu nennen.

An einem zentralen Treffpunkt hapert es hier leider, wie vielfach bedauert wird. Es gibt zwar vereinzelt Möglichkeiten draußen zu sitzen und etwas zu essen oder zu trinken, aber sie sind verteilt über den Ort. Es fehlt ein zentraler Platz mit kleinen Cafés wie in der Altstadt, zum Sehen und Gesehen werden.

Foto oben rechts: Auf dem Gelände der ehemaligen Rosebrauerei findet man heute Einzelhandel und Gastronomie

Das Wappen
Das Wulfener Wappen der Ritter von „Wulffheim“ existiert bereits seit 1258. Der silberne Wolfskopf auf blauem Hintergrund erinnert an den Gründer der damaligen Gemeinde Wulfen. Die Neugestaltung des historischen Wappens geschah im Jahre 1929 durch Initiative des Heimatvereins.

Liebe Leserinnen, liebe Leser, da es sich bei Alt-Wulfen und Barkenberg um einen Stadtteil handelt, sind die offiziellen Einwohnerzahlen sowie die Flächen der beiden Ortsteile nicht nach getrennt.
GPS-Koordinaten: 51° 42' 56.988" N     7° 0' 50.206" E
Fläche gesamt 2079,09 ha, Wohnfläche 170,26 ha, Industrie- und Gewerbefläche 219,10 ha
Einwohner: 14.143
Schulen Alt-Wulfen: Wittenbrink Grundschule, Raoul-Wallenberg-Schule, Maria-Montessori Grund- und Realschule
Kindergärten Alt-Wulfen: St. Matthäus, FZ Wittenbrink
Kirchen: St. Matthäus, Gnadenkirche

Quelle: Stadt Dorsten, www.laengengrad-breitengrad.de

Eckpunkte der Geschichte (Alt-Wulfen)
1280: Wulfen ist eine selbständige Pfarre
1831: Letzte Beerdigungen auf dem Friedhof am Kirchplatz
1840: Erzabbau in den „Olle Wieschen“
1871: Gründung der Kornbrennerei Mergen
1879: Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Dorsten – Coesfeld
1880: Eröffnung der Bahnlinie von Dorsten nach Borken
1902: Erste Straßenbeleuchtung
1907: Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Wulfen
1916: Anschluss ans Abwassernetz
1925: Einweihung des Ehrenmals
1953: Einführung von Straßennamen
1961: Einweihung der Matthäusschule
1975: Eingemeindung nach Dorsten
1999: Übernahme der Muna durch die Bundeswehr

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat
Quelle: Stadt Dorsten, wulfen-wiki.de

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