Stadtgeschichte

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Stadtgeschichte

Die englische Professorin Dr. Gilly Carr besucht Dorsten und erinnert sich mit Bürgermeister Tobias Stockhoff und Stadtarchivar Martin Köcher an finstere Tage vor 80 Jahren.

„Ich habe das Gefühl, dass ich alles erreicht habe, was ich mir erhofft hatte, als ich nach Dorsten gekommen bin. Gemeinsam haben wir der Verstorbenen gedacht, haben uns das Lager angesehen und ich konnte noch wertvolle Informationen für mein Buch sammeln“, sagte Dr. Gilly Carr zum Abschluss ihres Kurzbesuchs in Dorsten. Die Professorin für Archäologie an der Universität zu Cambridge ergänzte: „Außerdem hat die Reise mir noch etwas gebracht: Neue Freunde und die Förderung der Versöhnung.“

Es war Mitte März, als die Engländerin eine E-Mail an Martin Köcher, den Leiter des Dorstener Stadtarchivs, schrieb. Ihr Anliegen: Allzu gerne wollte sie Dorsten besuchen, um mehr über die Lagerbauten unweit der Schleusenanlage am Wesel-Datteln-Kanal zu erfahren, die 1935 fertiggestellt und am 18. Mai 1938 erstmalig belegt wurde. Anfang Juni 1942, also vor 80 Jahren, wurden hier die ersten Kriegsgefangenen untergebracht, im Sommer/Herbst des gleichen Jahres wurde das „Offizierslager VI E“ einige Wochen als Internierungslager für wohl etwa 1000 Bewohner der Kanalinseln Guernsey und Jersey genutzt, die britische Staatsangehörige waren.

Sie selbst hatte Angehörige von den Kanalinseln, die im Zweiten Weltkrieg im September 1942 in Dorsten interniert worden sind. Außerdem ist Dr. Gilly Carr Vertreterin der Interessengemeinschaft „Guernsey Deportees Association“.

In der vergangenen Woche reiste Dr. Gilly Carr nach Deutschland und besuchte gemeinsam mit Bürgermeister Tobias Stockhoff und Martin Köcher zunächst den Friedhof von St. Agatha an der Gladbecker Straße. Hier befinden sich die Gräber von Brian Skipton, James Waters und Florence Manning, die während ihres Aufenthalts in Dorsten wohl an einer Lungenentzündung gestorben sind.

Nachdem Dr. Gilly Carr und Tobias Stockhoff Blumen an den Gräbern niedergelegt hatten, ging es in Richtung Schleusenareal. Heute erinnert kaum noch etwas an die finstere Zeit des Zweiten Weltkriegs. Zufällig trafen sie auf einen 87 Jahre alten Dorstener, der in der Gegend aufgewachsen ist und seiner Erinnerungen an die Zeit rund um 1942 in einem hochinteressanten Gespräch teilte. Im Stadtarchiv bekam Dr. Gilly Carr noch Einblick in ein Fotoalbum und weitere historische Dokumente, die in den Räumlichkeiten der VHS aufbewahrt werden, bevor sie zurück nach England gereist ist.

Tobias Stockhoff und Martin Köcher sind sich einig, dass die Geschichte der Lagerbauten und der Menschen, die dort untergebracht waren, weiter aufgearbeitet werden soll. „Auch wenn es ein schwieriges und trauriges Thema ist, muss die Erinnerung an die Deportierten und die im Lager Verstorbenen aufrechterhalten werden“, sagt Martin Köcher.

Bürgermeister Tobias Stockhoff bedankte sich herzlich bei Dr. Gilly Carr für den Besuch und das Engagement und kündigte an, den Kontakt zu pflegen und gemeinsame Projekte zur Aufarbeitung der Geschichte anzugehen. „Es war ein sehr emotionaler Besuch, der uns alle nachhaltig beschäftigt. Und wir sind hier durchaus auf ein Stück unserer Stadtgeschichte gestoßen, das bisher im Schatten anderer Ereignisse der Vergangenheit gestanden hat“, sagt der Bürgermeister.

Foto oben rechts: : Bürgermeister Tobias Stockhoff, Dr. Gilly Carr und Martin Köcher, Leiter des Stadtarchivs (v. l.), besuchen den Friedhof von St. Agatha, auf dem auch Brian Skipton, James Waters und Florence Manning beerdigt worden sind

Text und Foto: Stadt Dorsten

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