Sonnenuntergänge und Dschungelgeräusche

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Sonnenuntergänge und Dschungelgeräusche

Erinnerungen an eine Kindheit in Kenia

Im Durchschnitt zieht jeder deutsche Bundesbürger in seinem Leben knapp fünfmal um. Nicht so Susanna Schönrock-Klenner, die diesen Wert mit 23 Umzügen um ein Vielfaches toppt. Und das alleine bis zu ihrem 16. Lebensjahr.
„Von Weinheim nach Ludwigshafen, von Ludwigshafen nach Menden. Rein in den Kindergarten, raus aus dem Kindergarten, rein in einen neuen Kindergarten, raus aus dem Kindergarten, rein in eine Schule, raus aus der Schule, rein in eine andere Schule.“ Diese Aufzählung könnte die 58-jährige Dorstenerin noch etliche Male weiterführen. Bedingt durch den Beruf ihres Stiefvaters zog sie mit ihm, ihrer Mutter und der kleinen Schwester bis zu ihrem 16. Lebensjahr zweimal im Jahr innerhalb Nordrhein-Westfalens um. Mit Ausnahme von zwei längeren Aufenthalten in Afrika blieb die Familie nie lange an einem Ort und die einzige Regelmäßigkeit in Susannas jungem Leben waren somit die Umzüge.
„Freundschaften knüpfen konnte ich in meiner Kindheit so gut wie nie“, blickt die Dorstenerin zurück, „und dann wollte ich es auch irgendwann nicht mehr. Ich wusste ja, dass wir eh bald wieder in eine andere Stadt ziehen würden, so auch, als ich acht Jahre alt war.“

Susanna Schönrock-Klenners Stiefvater übernahm in Nairobi die Leitung einer Hotelanlage. Gemeinsam mit der gerade geborenen jüngeren Schwester von Susanna ging es zunächst ohne sie nach Nairobi, um das zukünftige Leben in Kenia vorzubereiten. „Ich blieb bis dahin so lange auf einem Bauernhof bei meiner Oma, die dort in einer Art Senioren-WG wohnte. Daran erinnere ich mich noch sehr gerne zurück und dort nahm auch meine Leidenschaft für ältere Mitmenschen den Anfang. Das war damals sicher die Grundlage für mein jetziges Unternehmen Senior-Concept.“
Afrika sagte der damals Achtjährigen nicht viel und so hielt sich auch ihre Vorfreude ziemlich in Grenzen, als sie sich als unbegleiteter Fluggast auf den zwölfstündigen Flug nach Ostafrika machte. „Ich fühlte mich wie eine Prinzessin, denn die ,Rotkäppchen', wie die Stewardessen auf der Fluglinie hießen, betüdelten und kümmerten sich die ganze Zeit lieb um mich.“
Am Flughafen wartete bereits ihre Mutter auf sie und gemeinsam fuhren sie im Range Rover immer weiter hinein in die Nacht und in den Dschungel. „An Schlaf war nicht zu denken, denn wir wurden stundenlang hin und her geschüttelt. Und dann waren sie da plötzlich da: die Stimmen des Urwalds. Um uns herum hörten wir die Vögel und die Affen kreischen und ich dachte, ich wäre mitten in einer ,Daktari-Serie'“, lacht Susanna heute über ihre kindliche Vorstellung.

Foto oben rechts: Die kleinen Häuser waren in Kenia das Zuhause von Susanna Schönrock-Klenner und ihrer Familie

Doch es war die Realität, die sie in Mombasa erlebte. „Anfangs war es ja noch spannend. Alles war neu, das Meer war direkt vor der Tür und ich musste nicht zur Schule, denn sie war viel zu weit weg.“ Auch die Sonne war bedeutend stärker als in Deutschland und das merkte die kleine „Auswanderin“ recht schnell. Gleich zu Anfang ihres Aufenthaltes in Kenia holte sie sich den ersten kräftigen Sonnenbrand ihres Lebens. Von da an wussten alle Gäste der Ferienanlage: Der lebende Feuermelder ist die Tochter des Cateringmanagers.
Auch wenn Susanna abends die wunderschönen Sonnenuntergänge, die ihr heute noch im Gedächtnis sind, bewunderte, kam dennoch schnell Langeweile unter der Sonne Afrikas auf. Die Kinder der schwarzen Angestellten des Hotels durften aufgrund der Klassenunterschiede nicht mit ihr spielen, so fand sie Spielkameraden nur in den Kindern der Feriengäste. Das deutsche Mädchen freute sich daher auf den Unterricht, den sie zweimal die Woche von ihrer Privatlehrerin Monique bekam. Eine weitere Abwechslung vom Nichtstun bestand für Susanna darin, auf ihre kleine Schwester aufzupassen, die zahlreichen aufdringlichen Meeraffen zu verscheuchen und nachts Hilfe zu holen, wenn sich wieder mal die giftigen schwarzen Mambas oder Klapperschlangen unter ihr Bett verkrochen oder sich die Leoparden zu nahe fauchend ans Haus gewagt hatten.

Foto oben rechts: Die kleine Susanna mit dem Sohn einer Urlaubsfamilie am Indischen Ozean. (Foto: Charles Paul Wilp)

Etwas ganz Besonderes waren für sie jedoch die Massai, die traditionell gekleideten Hirten, die regelmäßig im Hotel nach Arbeit fragten. Da Susanne schnell außer den üblichen Worten „Jambo“ (Guten Tag) und „Kwaheri“ (Auf Wiedersehen) recht schnell die Landessprache Swahili (Suaheli) beherrschte, verstand sie auch, dass die Nomaden ihrer Mutter 100 Ziegen boten, wenn sie ihre Tochter mitnehmen und heiraten könnten. „Mit zehn Jahren war ich für die Massai ja bereits im heiratsfähigen Alter, aber was sollte meine Mutter mit 100 Ziegen?“, lacht Susanna Schönrock-Klenner.
So zogen sich die zwei Jahre in der Nähe von Mombasa an der Diani Beach, bis das junge Mädchen endlich nach Deutschland zurück und wieder eine Schule besuchen konnte. „Ich wurde von der dritten Klasse sofort in die fünfte gesetzt. Wie ich das damals packte, das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht“, wundert sich Susanna heute noch. Die damals Elfjährige wohnte nun, bis ihre Eltern nachkamen, in Neuss bei einem befreundeten Ehepaar des Stiefvaters. „Meine Eltern zog es jedoch nach zwei Jahren erneut nach Afrika, dieses Mal in ein Stadthotel in Nairobi und ich musste schon wieder mit. Dort erlebte ich ein völlig anderes Kenia als ein paar Jahre zuvor“, erinnert sich die die seit zwei Jahren in Lembeck wohnende Dorstenerin. „Kolonialismus und Armut dominierten das Stadtbild und ich lernte dort zu schätzen, wie gut es uns damals ging und auch noch heute geht. Demut und Dankbarkeit sind seitdem zwei meiner wichtigsten Lebensbegleiter.“
Nach zwei Jahren war das Abenteuer Afrika erneut vorbei und die Familie flog wieder zurück in die Heimat. Als kurz darauf der 24. Umzug anstand, widersetze sich die 16-Jährige zum ersten Mal. „Ich war es so leid, immer wieder umzuziehen und alle Brücken hinter mir abzureißen. Ich begann eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin, lernte meinen späteren Mann kennen und bin seitdem in Dorsten angekommen und kann endlich Freundschaften pflegen. Ich habe hier meine ,Wurzeln' gefunden, die mir als Kind so lange gefehlt haben und das verbindet mich ungeheuer mit dieser Stadt“, zieht Susanna Schönrock-Klenner ein Resümee ihres bisherigen Lebens in Dorsten.

Foto oben rechts: Die Massai kamen regelmäßig in die Hotelanlage, um zu arbeiten

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

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