Serie zum Bürgerbahnhof

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Serie zum Bürgerbahnhof

Teil 2: Das Bahnhofsgebäude. Bürgermeister Tobias Stockhoff freut sich auf ein gemeinschaftlich genutztes Wohnzimmer von Bürgerinnen und Bürgern.

Bis zur feierlichen Eröffnung des Bürgerbahnhofs am 23. Februar sind es nur noch drei Wochen. Zu Beginn dieser Woche werden Umzugskartons ins Bahnhofsgebäude getragen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gastronomieteams der Dorstener Arbeit lernen sich untereinander und ihren Arbeitsplatz immer besser kennen. Es ist schon etwas Leben eingezogen ins Gebäude des alten Bahnhofs Dorsten, der nun als Bürgerbahnhof am östlichen Rand der Innenstadt deutlich auf sich aufmerksam macht.

Michael Wieners ist Architekt im Zentralen Gebäudemanagement (ZGM) der Stadt Dorsten und mit dem Ergebnis „sehr zufrieden“, wie er sagt. Wohl niemand hat den weiten, manchmal auch etwas steinigen Weg vom Projektbeginn 2017 mit der Bestandsaufnahme und Untersuchung der Bausubstanz des Gebäudes bis heute so eng begleitet wie der Dorstener. „Die Vielzahl der beteiligten Partnerinnen und Partner haben das Projekt schon zu Beginn zu einem so genannten Multiprojekt gemacht“, sagt er.

Neben der Deutschen Bahn, den Verkehrsbetrieben Vestische und VRR, den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen und der „Bahnhofsfamilie“ mussten - gesetzlich vorgeschrieben - auch die offiziellen Stellen für die Bereiche Denkmalschutz, Brandschutz, Arbeitsschutz, Artenschutz usw. beteiligt werden. Hinzu kam, dass die Regeln der Fördergeber vorsahen, dass alle Gewerke und Planungsleistungen EU-weit ausgeschrieben wurden. „Das ging vom Fundament über die Küchentöpfe bis zum Blitzschutz“, erklärt Michael Wieners. Denn beim Umbau des imposanten Gebäudes, das schon 1879 errichtet wurde, sagt er, hätten nahezu alle tragenden Teile ertüchtigt werden müssen.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sprach Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff sowie allen Akteuren schon bei ihrem Besuch vor drei Jahren ihre Anerkennung aus: „Es gibt vermutlich wenige kommunale Entwicklungsprojekte, die die Komplexität der integrierten städtebaulichen Entwicklung eines denkmalgeschützten Bahnhofs und seines Umfelds übertreffen.“

Für Bürgermeister Tobias Stockhoff ist der neue Bürgerbahnhof ein „gemeinschaftlich genutztes Wohnzimmer der Bürgerinnen und Bürger von Dorsten, ein Zentrum für bürgerschaftliches Engagement“.

Es war der Kölner Architekt Gustav Päffgen, der vor 145 Jahren ein Gebäude entwarf, das für die Dorstener Bürgerinnen und Bürger von identitätsstiftender und baukultureller Bedeutung sein sollte. Als Ende der 1980er-Jahre die Fahrkartenschalter an Sonntagen geschlossen wurden, dauerte es nicht lange, bis der Betrieb ganz eingestellt und der Zutritt ins Bahnhofsgebäude versperrt wurde.

1986 wurde der Bahnhof Dorsten unter Denkmalschutz gestellt. Als charakteristische Merkmale der damaligen Denkmalschutzstellung werden die Insellage des Gebäudes und die im Stil des Historismus gestaltete Fassade mit den durch hölzerne Streben gestützten Dachüberständen benannt.

Im Jahr 2004 hat die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft Dorsten (WINDOR) das Bahnhofsgebäude und zwei Jahre später auch die stillgelegten Bahnflächen erworben.

Seit 2014 ist der Bahnhof im Eigentum der Stadt Dorsten. Der angestrebte Verkauf des Gebäudes an einen Investor konnte aufgrund wirtschaftlicher und konzeptioneller Probleme jedoch nicht realisiert werden.

Im städtischen Besitz bot sich die Chance, im Rahmen des integrierten Innenstadtkonzepts „Wir machen MITte“ ein Nutzer- und Umbaukonzept sowie ein Betreibermodell zu erarbeiten, mit denen ein Mix aus gemeinnützigen und bürgerlichen Nutzungen etabliert werden konnte. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern hat das Team des Büros für Bürgerengagement, Ehrenamt und Sport unter der Federführung von Joachim Thiehoff das Konzept „Neues Leben für den alten Bahnhof“ gestaltet. Treibende Kraft war hier die „Bahnhofsfamilie“ – ein Zusammenschluss ehrenamtlicher Vereine und Personen, die am Konzept Bürgerbahnhof intensiv mitgearbeitet haben. „Ein Glücksfall für die Bürger der Stadt Dorsten“, sagt Michael Wieners über die „Bahnhofsfamilie“.

Der Umbau erfolgte mit finanzieller Unterstützung vom Bund und vom Land NRW (Städtebauförderung) sowie aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Schnell war klar, dass das Bahnhofsgebäude eines der großen und bedeutsamen Projekte zur Aufwertung der Dorstener Innenstadt werden sollte.

Den interessierten Akteuren am Innenstadtkonzept „Wir machen MITte“ zeigte sich bereits zu Anfang, dass es eine vollständige Umnutzung und Instandsetzung des Gebäudes geben musste und dass dies große Herausforderungen mit sich bringen würde. Welche Nutzung ist in dem Gebäude langfristig denkbar, sinnvoll, trag- und finanzierbar? Die Antwort mit der Grundidee des „Bürgerbahnhofs“ war schnell und überzeugend gefunden. Einer gemeinnützigen Nutzung stand nichts mehr im Wege.

Im Januar 2021 wurde mit dem Umbau begonnen, geplant waren zwei Jahre Bauzeit. „Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben mit den allseits bekannten Begleitumständen auch den Baubetrieb beim Bürgerbahnhof schwer durcheinandergebracht“, sagt der Architekt.  

Ein Ziel der Umbauarbeiten war neben der Sanierung der Bausubstanz die Wiederherstellung des historischen Gebäudecharakters und damit die Korrektur der wenig behutsam durchgeführten baulichen Änderungen der vergangenen Jahrzehnte.

So wurden beispielsweise im Erdgeschoss überdimensionierte Wandöffnungen und Durchbrüche wieder geschlossen und die historischen Bögen, die dem Gebäuderaster folgten und für den ursprünglichen Hallencharakter prägend waren, wiederhergestellt.

Das Treppenhaus hat einen zentral gelegenen Aufgang in die Obergeschosse bekommen, der viel Licht und Transparenz ermöglicht. Alle drei Geschosse sind mit einem Aufzug barrierefrei zu erreichen.

Durch den Umbau hat das Gebäude zahlreiche Gruppen-, Seminar- und Arbeitsräume erhalten, die von Vereinen und Gruppen jeder Art genutzt werden können. Zudem gibt’s kleinere Lagermöglichkeiten und viele gemütliche Ecken.

Die Gastronomie, die die gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Dorstener Arbeit übernommen hat, steht im Mittelpunkt und allen Besucherinnen und Besuchern des Gebäudes zur Verfügung. Die Einrichtung hat einen Bezug zum Thema Bahnbetrieb. Die Wandfarbe, ein eleganter Grünton, ist nicht zufällig gewählt, sondern im Stadtbild wiederzufinden, etwa am Kirchturm von St. Agatha. Vom Speisesaal aus haben Gäste einen herrlichen Blick auf die Gleise. Für Reisende wird es außerdem einen Kioskverkauf geben.

„Der Bürgerbahnhof ist nach dem Umbau und der Sanierung nun fit für die nächsten 145 Jahre“, sagt Michael Wieners und ergänzt: „Jetzt muss dieser attraktive, inspirierende und kreative Ort nur noch mit Leben gefüllt werden.“

Zur feierlichen Eröffnung am 23. Februar wird die Stadt Dorsten in enger Zusammenarbeit mit der „Bahnhofsfamilie“ ein Buch vorstellen, das den Titel trägt „Bahnhof Dorsten – der Weg zum Bürgerbahnhof“. Auf rund 80 Seiten wird auf die Chronologie des Umbaus, aber etwa auch auf die Geschichte(n) des 145 Jahre alten Bahnhofsgebäudes geblickt. Wer nicht nur Bahnhof, sondern Bürgerbahnhof Dorsten verstehen will, der sollte dieses Buch unbedingt lesen. Es ist ab dem 23. Febraur kostenlos im Bürgerbahnhof und in der Stadtagentur erhältlich.

Foto oben rechts: Bahnhofsgebäude Umfeld Vorplatz 

Text: Stadt Dorsten
Foto: Guido Bludau

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