Schweinestall der Zukunft!?

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Schweinestall der Zukunft

Das Büro Thieken plante und realisierte innovativen Prototyp

Schweinestall ist Schweinestall! Von wegen! Oder wussten Sie, dass Schweine eine eigene Toilette benutzen? „Wir haben ja bereits einige Ställe geplant, aber dieses Forschungsobjekt war und ist für uns absolutes Neuland“, betont Rainer Thieken, Dipl.-Ing. Architekt und Beiratsvorsitzender des gleichnamigen Architektur- und Ingenieurbüros.

Bereits im Jahre 2019 begann die Planung des Projektes im Kreis Soest, für das das Landwirtschaftsministerium NRW die notwendigen Gelder zur Verfügung stellte. Das Versuchs- und Bildungszentrum Haus Düsse der Landwirtschaftskammer NRW in Bad Sassendorf bildet nicht nur Landwirte aus und fort, sondern forscht dort auch nachhaltig im Bereich des Tierschutzes und der Tierhaltung.

Foto oben rechts: Prototyp des Schweinestalls der Zukunft in Haus Düsse
Foto: privat

2020 erhielt das Architekturbüro Thieken aus Holsterhausen aufgrund seiner guten Referenzen den Zuschlag bei der öffentlichen Ausschreibung. „Zum Glück konnten wir stets auf die sehr gute und enge Zusammenarbeit mit Bernhard Feller, dem Referent der Landwirtschaftskammer im Bereich ‚Verfahrenstechnik Schwein‘ vertrauen“, freut sich Rainer Thieken. „Es war ein spannendes Projekt, das wir aber ohne seine Beratung auch nicht hätten stemmen können.“ Christopher Naujoks, Projektleiter und geschäftsführender Gesellschafter, ergänzt: „Es machte uns allen Spaß, etwas zu konzipieren, was vorher noch niemand umgesetzt hat.“

Foto oben rechts: Projektleiter Christopher Naujoks

Damit meint er die Planung der beiden Ställe, die die Anforderungen der Haltungsformkennzeichnung 3 und 4 erfüllen, die jedoch nicht gemeinsam in einem Stall verwirklicht werden konnten. Auf die jeweiligen Unterschiede einzugehen, würde hier sicherlich zu weit gehen, aber auf den Punkt gebracht bedeutet es: Der Stall nach Haltungsform 3 ist evolutionär, eine Weiterentwicklung des Außenklimastalls, der Stall für das Tierwohl-Label 4 ist revolutionär mit einem Glasdach und Wühlbereich mit Hackschnitzeln.
„Es gab vieles zu überdenken, wobei das Design der Funktion folgte. Planungsgrundlage ist das Tierverhalten für ein hohes Tierwohlniveau“, erklärt Rainer Thieken und fährt fort: „Auch das Thema Biosicherheit stand zur Diskussion. Wir konnten daher keinen direkten Freilauf für die Tiere umsetzen, damit sie keinen Kontakt mit Wildtieren haben, die Krankheiten einschleppen können.“

Foto oben rechts: Dipl.- Ing. Architekt Rainer Thieken

Bestehende Meinungen über das Verhalten dieser Tiere revidiert Bernhard Feller: „Schweine liegen gerne eng beieinander, suchen die Nähe, auch in Haus Düsse, obwohl die Schweine hier doppelt so viel Platz haben, wie gesetzlich vorgeschrieben ist.“
Aber Schweine suchen nicht nur Nähe, es sind auch saubere Tiere, die ihre eigene Schweinetoilette aufsuchen, auch wenn es erst einmal albern klingt. Dort, wo es warm ist, da „wohnen“ sie. An kalten, zugigen Stellen verrichten sie ihr Geschäft, aber auch nur, wenn ihr Wohlfühlbereich nicht zu groß ist. Sonst ist ihnen der Weg zur Toilette zu weit.
Dieses separat angelegte stille Örtchen hat durchaus auch seinen Nutzen für die Anwohner: Der strenge Geruch nach Ammoniak entsteht durch den Harnstoff im Urin, der sich im Zusammenspiel mit Schweinekot verstärkt. Durch das sofortige Trennen und Auffangen der Hinterlassenschaften in unterirdischen Kanälen und in Silos ist der strenge Geruch kaum noch wahrnehmbar. Auch der Landwirt hat einen Nutzen von diesem Verfahren: Der Liegebereich sowie der Aktivitätsbereich mit Hackschnitzeln werden weniger verschmutzt und müssen seltener gereinigt werden. Zudem kann der Kot gemischt mit Stroh in der Biogasanlage verwertet werden.

Foto oben rechts: Bernhard Feller, Referent der Landwirtschaftskammer

„Lange tüfteln mussten wir bei der Klimatechnik. Wir planten offene Fassaden, die durchlässig fürs Außenklima sind“, erklärt Christopher Naujoks. Sensoren erfassen die Luftfeuchtigkeit, die Außen- und Innentemperatur, Futter- und Wasserverbrauch sowie Sonneneinstrahlung, um nur einige zu nennen. Über ein Hustenmonitoring wird die Gesundheit der Schweine überwacht. Sämtliche Funktionen werden kameratechnisch überwacht, automatisiert und per App gesteuert, wie beispielsweise die Stellung der Glasdächer. Bei Sonnenstrahlung sollen sie den Stall belichten und mit Unterstützung einer Verschattungsanlage beschatten, aber auch für Belüftung sorgen und sich bei Regen schließen. Zudem verhindern Vogelschutznetze, dass Vögel in den Stall fliegen.

Foto oben rechts: Gegenüber des Aktivitätsbereiches gelangen die Schweine zum Futter und zu ihrer „Toilette“

Foto: privat

Natürlich funktionieren auch Entlüftung, Entmistung und Kühlung digital gesteuert und selbst das Befinden der Schweine wird überwacht und aufgezeichnet. So wirken farbige LED-Lampen positiv auf ihr Befinden, denn fühlen sich die Schweine wohl, nehmen sie schneller zu. Die gewonnenen Daten werden aufgezeichnet und analysiert, um daraus Beratungsempfehlungen für die Landwirte abzuleiten.

Die Bauzeit dauerte 14 Monate, die erste Einstallung erfolgte im Mai 2024. Da es sich um ein Ausbildungs- und Forschungsprojekt handelt, werden die Forschungsergebnisse und Erkenntnisse aus den Haltungsverfahren ausgewertet, natürlich veröffentlicht und in Seminaren den Landwirten vermittelt. Beide Ställe sind von außen jederzeit ohne Voranmeldung über Besucherplattformen einsehbar.
Haus Düsse 2, 59505 Bad Sassendorf.
Weiterführende Informationen über die eingesetzte Technik erhalten Sie unter www.duesse.de

Foto oben rechts: Der Wohlfühlbereich mit Hackschnitzeln
Foto: privat

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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