Riga-Komitee
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Riga-Komitee
Die Stadt Dorsten ist in dieser Woche offiziell dem Riga-Komitee beigetreten.
Den Beitritt der Stadt Dorsten zum Deutschen Riga-Komitee hat der Rat bereits im Sommer 2021 einstimmig beschlossen. Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich die offizielle Aufnahme Dorstens in das in Europa einzigartige erinnerungskulturelle Städtebündnis zeitlich etwas verzögert. Seit dieser Woche ist die Stadt Dorsten nun offiziell Mitglied. Bei einem kleinen Festakt im Jüdischen Museum Westfalen überreichte Regierungspräsident Andreas Bothe als Bezirksvorsitzender des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff die Beitrittsurkunde. Dorsten ist die 78. Stadt, die dem Bündnis beigetreten ist.
Das Riga-Komitee erinnert an das Schicksal von über 25.000 Jüdinnen und Juden, die in den Jahren 1941 und 1942 nach Riga in Lettland deportiert und dort in ihrer überwiegenden Zahl im Wald von Bikernieki ermordet wurden. In Zusammenarbeit mit dem Riga-Komitee, seiner lettischen Partnerorganisation und der Stadtverwaltung Riga errichtete der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge den Opfern die würdige Gräber- und Gedenkstätte im Wald von Bikernieki. Mit der Pflege der Anlage und der Begegnung durch lettische und deutsche Jugendliche vor Ort wird ein lebendiges Band der Erinnerung und der Begegnung zwischen Riga und den deutschen Städten geknüpft, von denen damals die Sammeltransporte ausgingen.
Im Jüdischen Museum begrüßte zunächst Dr. Kathrin Pieren die knapp 30 Gäste, unter denen auch Vertreterinnen und Vertreter weiterer Städte aus dem Kreis Recklinghausen waren. Die Leiterin des Jüdischen Museums betonte, dass es sie sehr freut, dass die feierliche Übergabe der Urkunde an dem Ort stattfindet, an dem Menschen für jüdische Kultur und Menschenrechte, Vielfalt und gesellschaftliche Beteiligung der Menschen jeder Religion und Herkunft eintreten.
Dr. Kathrin Pieren nannte die Namen der 20 Dorstenerinnen und Dorstener jüdischen Glaubens, die vor über 80 Jahren nach Riga deportiert wurden. Von ihnen überlebten nur zwei. Die Museumsleiterin sagte zu, die Stadt Dorsten bei all ihren Aktivitäten im Rahmen des Riga-Komitee-Beitritts nach Kräften zu unterstützen.
Bürgermeister Tobias Stockhoff hob in seinem Grußwort hervor, dass ‚sich Erinnern‘ niemals als Fundament die staatliche Anordnung haben dürfe, sondern dass es bürgerschaftlich getragen werden müsse. Das sieht auch der Beschluss des Rates zum Riga-Komitee-Beitritt der Stadt Dorsten vor. Im Beschluss heißt es, dass der jährliche Förderbeitrag von 2.000 Euro als starkes Zeichen aus der Bürgerschaft maßgeblich über Spenden finanziert wird. Die Stadt Dorsten wird dazu jährliche eine Gedenkveranstaltung unter Beteiligung von politischen und anderen Gruppierungen organisieren.
In Richtung der Gäste Dr. Mark Gutkin, dem Vorstandsvorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde im Kreis Recklinghausen, sowie Issac Tourgman, Kantor der Gemeinde, stellte Tobias Stockhoff klar: „Uns ist das Miteinander wichtig. Wir in Dorsten freuen uns, dass wir einander einen so wunderbaren Kontakt pflegen, dass wir wieder Jüdisches Leben in unserer Stadt haben und dass ein enges Band der Freundschaft entstanden ist!“
Henner Maas ist Lehrer am Dorstener Gymnasium St. Ursula sowie evangelischer Pfarrer und nahm die Gäste in Form eines beeindruckenden knapp 20-minütigen Vortrags mit auf seine Bildungsreise nach Riga im vergangenen Herbst. Mit in die Stadt, die sein „Herz erobert und ihn total geflasht“ hat.
Trotz zehntägiger intensiver Suche vor Ort nach Spuren der grausamen Geschehnisse in den Jahren 1941 und 1942 spüre er, dass er dem Ganzen noch „ziemlich ungläubig“ gegenüberstehe. Wenn auf den Stolpersteinen – auch in Dorsten – ‚ermordet in Riga‘ zu lesen sei, sagte Henner Maas, sei ihm das zu wenig. Henner Maas: „Das ist mir viel zu blass. Das wird dem nicht gerecht, was die Menschen, die auf schrecklichste Art und Weise nach Riga deportiert wurden, erleben und durchmachen mussten. Das herauszuarbeiten, ist auch eine Aufgabe für Dorsten.“
Regierungspräsident Andreas Bothe hieß die Stadt Dorsten im Riga-Komitee herzlich willkommen und mahnte zugleich: „Dass Jüdinnen und Juden beim Verlassen der Synagoge ihre Kippa absetzen, das sichtbare Tragen des Davidsterns vermeiden, ihre Namen auf den Briefkästen abkürzen, im täglichen Leben bloß nicht auffallen wollen – das alles will ich nicht. Ich will, dass Jüdinnen und Juden in unserem Land sichtbar und sicher leben können. Für diese Sichtbarkeit und Sicherheit müssen wir etwas tun.“
Andreas Bothe erinnerte auch an das „größte Massaker an Jüdinnen und Juden nach der Schoa“ am 7. Oktober 2023, als 1200 Menschen von der Hamas getötet und über 240 Menschen entführt wurden. Er sprach mit Blick auf diesen Tag im vergangenen Herbst von „einer „Zäsur in der Geschichte Israels und damit auch in unserer Geschichte.“
Der Regierungspräsident führte weiter aus: „Der ausschließlich auf Ermordung, Folter, Erniedrigung von Juden gerichtete Überfall der Hamas hat auf die unmenschlichste, grauenhafteste Weise deutlich gemacht, wie bedroht der Staat Israel, wie bedroht jüdisches Leben weltweit und damit auch bei uns ist. Dieser Zivilisationsbruch muss auch dem Letzten bei uns klar machen, dass die vor uns liegenden Wochen, Monate, vielleicht Jahre eine Zeit der Bewährung sein werden.“ Unmissverständlich stellte Andreas Bothe klar: „Es gibt kein ja aber. Nie wieder ist jetzt!“ Die knapp 30 Gäste applaudierten.
Musikalisch begleitet wurde der würdige Festakt im Jüdischen Museum Westfalen von Hannah Buchholz und Felix Hochstrat, die das Gymnasium St. Ursula besuchen.
Zum Abschluss hatte Tobias Stockhoff noch die Bitte nach einem Gruppenbild. Darauf sollten alle Personen zu sehen sein, die zur kleinen Feierstunde gekommen waren – unter anderem auch Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Gerdes, der stellvertretende Landrat Dr. Marco Zerwas, Oberstleutnant Olaf Schneider vom Reservistenverband der Bundeswehr, Jens Effkemann vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die stellvertretende Bürgermeisterin Christel Briefs und der stellvertretende Bürgermeister Achim Schrecklein sowie der CDU-Fraktionsvorsitzende Bernd Schwane, der Grünen-Fraktionsvorsitzende Thorsten Huxel, SPD-Ratsherr Friedhelm Fragemann und FDP-Ratsherr Lutz Ludwig. Ebenso Dr. Norbert Reichling, der Vorsitzende des Museumsträgervereins und Vorstandsmitglied Kurt Langer. „Mit einem Eintritt in das Riga-Komitee haben wir eine Vereinbarung mit guten Partnerinnen und Partnern sowie starken Nachbarinnen und Nachbarn geschlossen. Sie alle tragen eine wichtige Rolle in der Erinnerungskultur unserer Stadt“, sagte der Bürgermeister.
Hinweis: Das Riga-Komitee wurde im Mai 2000 von 13 Städten und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet. Es will an die Deportation und Verschleppung ihrer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn über Riga in die Vernichtungslager nach Osteuropa erinnern. Heute gehören dem Riga-Komitee fast 80 Städte an. Weitere Informationen gibt es auf http://www.riga-komitee.eu/
Wer das Engagement der Stadt Dorsten im Städtebündnis Riga-Komitee durch eine Geldspende unterstützen möchte, kann eine Betrag auf das Konto der Stadt Dorsten bei der Sparkasse Vest, IBAN: DE 46 4265 0150 0010 0007 01 unter dem Verwendungszweck „Riga-Komitee“ überweisen.
Foto oben rechts: Rund 30 Gäste kamen zum kleinen Festakt ins Jüdische Museum Westfalen anlässlich des Beitritts der Stadt Dorsten zum Riga-Komitee
Text und Foto: Stadt Dorsten