Pinguine in der Wüste
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
Pinguine in der Wüste
Hochbegabte Schülerinnen und Schüler
„Das ist unser Wohnmobil, mit dem wir nun zu Familien mit hochbegabten und hochsensiblen Kindern fahren, sie beraten, unterstützen und zusätzlich eine Anlaufstelle bieten können“, sind Daniela Kasche, stellvertretende Schulleiterin der „Neuen Schule Dorsten“ und Dr. Stefanie Marzian sichtlich stolz. „Jetzt fehlt nur noch die Folierung mit Pinguinen, dann wird der AbenteuerBus auch wiedererkannt.“
Die Vorstellung von „Pinguinen in der Wüste“ prägte Dr. Eckard von Hirschhausen. Pinguine sind geschickt und sehr beweglich, wenn sie sich in ihrem Element, dem Wasser bewegen. In der Wüste dagegen sind sie hoffnungslos verloren und können ihre Fähigkeiten nicht einsetzen. „So ergeht es auch vielen der etwa 60 kognitiv deutlich überdurchschnittlich begabten Kindern, die jedes Jahr in Dorsten eingeschult werden“, berichtet Daniela Kasche, die Erste Vorsitzende des Vereins „HerausForderung“. Der Name ist Programm, denn für viele hochbegabte Schülerinnen und Schüler ist nicht nur der Schulalltag eine Herausforderung, auch die Eltern und Lehrkräfte wissen oft nicht, wie sie diese Kinder fördern sollen.
Daniela Kasche weiß, wovon sie spricht, denn 28 überdurchschnittlich oder hochbegabte Schülerinnen und Schüler besuchen zurzeit die „Neue Schule Dorsten“. Für sie ist das System Schule nicht zugeschnitten, weiß sie aus eigener Erfahrung, denn auch sie ist hochbegabt. Sie zeigt mir eine Kurve, auf der deutlich wird, dass es ebenso viele Schulkinder gibt, die unter dem Durchschnitt eines IQs von 85 bis 114 liegen, wie oberhalb dieser Kurve. Während Förderschulen und Inklusionsklassen sowie Sonderpädagogen für lern- oder geistigbehinderte Kinder vorhanden sind, gibt es für hochbegabte Kinder mit einem IQ ab 130 weder ein systematisches Bildungsangebot noch Begabtenpädagogen.
Auch Dr. Stefanie Marzian, Neurophysiologin, Zweite Vorsitzende des Vereins und ebenfalls hochbegabt, kennt diese Situation. Da Daniela Kasche und sie keine Hilfe von offiziellen Stellen bekommen, bildeten sich die beiden engagierten Frauen auf eigene Initiative weiter und schulen mittlerweile auch Lehrkräfte speziell zu diesem Thema. „Wir wollen Inklusion, und zwar auf beiden Seiten der Durchschnittskurve“, betonen sie.
Dr. Marzian unterrichtet in der „Neuen Schule Dorsten“ die betreffenden Schülerinnen und Schüler im Begabtenförderprogramm. Auch einer ihrer zwei Söhne nimmt an diesen Kursen teil. Ansonsten wird David kurzbeschult, das heißt, er besucht nur täglich die Kurse „Mathe plus“, „English Go!“ und „Deutsch 3D“. Auch der 14-jährige Nico besucht Förderkurse, denn er lernt in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch nicht schneller oder besser als seine Klassenkameraden, er lernt nur anders. „Nico wurde anfangs als lernschwach eingestuft, nun bin ich froh, dass er getestet wurde und wir nun wissen, dass er hochbegabt ist. Das erklärt einiges“, erzählt seine Mutter Janine Pudenz.
„Hochbegabte Schulkinder haben es oft schwer, sich im Klassenverband zurechtzufinden. Häufig haben sie die Fehldiagnose ‚ADHS‘ erhalten und kommen mit der Empfehlung für die Hauptschule zu uns“, bedauert Daniela Kasche. „Wir sehen, dass sie unkonzentriert und unruhig sin. Bis wir jedoch merken, dass sie unterfordert sind und besonders gefördert werden müssten, vergeht manchmal einfach zu viel Zeit.“ Dr. Stefanie Marzian ergänzt: „Ein hochbegabter Mensch ist nicht sofort zu erkennen. So kann er durchaus auch ein Legastheniker sein, braucht dann aber eine völlig andere Förderung als Menschen mit einem durchschnittlichen IQ“, und hat auch gleich ein weiteres einleuchtendes Beispiel aus ihrer eigenen Schulzeit parat: „Ich brauchte beim Dreisatz oder der Prozentrechnung keine Formeln, der Rechenweg war mir völlig klar. Dann bekam ich Physikunterricht und stand plötzlich vor einem Riesenproblem: Nun musste ich Formeln anwenden und lernen, mich auf sie zu verlassen, wusste aber nicht wie.“
Foto oben rechts: Durch eine Spende in Höhe von 2.000 Euro, überreicht durch die Beisitzerin des Vereins „Arbeitskreis Jugend e.V.“ (AKJ) Anke Borg, ist der AbenteuerBus zum Wohlfühlort für Kinder und Jugendliche geworden
Text: Martina Jansen
Foto: Christian Sklenak
Das umgebaute und gebraucht gekaufte Wohnmobil steht nun regelmäßig an verschiedenen Orten in Dorsten. Weitere Infos dazu finden Sie unter www.herausforderung.online. Wenn Sie zudem spenden möchten, gerne. Spendenkonto HerausForderung e.V.
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