3720 Gramm pures Glück
von Martina Jansen (Kommentare: 0)
3720 Gramm pures Glück
„Wir würden alles wieder genauso machen“
Ein Kind braucht Mama und Papa! Ein Kind braucht Mama und Papa? Nein! Es braucht Eltern, die es lieben und es liebevoll großziehen. Ob es dabei nun um Mama und Mami, um Papi und Papa oder um welche Konstellation auch immer geht, das ist völlig unerheblich.
Wie unerheblich das ist, sehe ich daran, wie der kleine Felix Klinge aufwächst: in einer behüteten Familie mit Mami und Mama. Leicht hatte es das Ehepaar Klinge bisher auf ihrem gemeinsamen Weg nicht. Hochzeit, künstliche Befruchtung, kommende Adoption, all das erfordert von beiden einen großen Zeitaufwand, erhebliche Kosten und reichlich Nerven.
Damit nicht genug, kam ihnen bei der Geburt ihres Wunschkindes auch noch die Pandemie dazwischen. So verbrachte Jennifer Klinge den 4. April 2021 elf Stunden im Auto vor dem Krankenhaus, bis sie endlich zu ihrer Frau in den Kreißsaal durfte. „Das St. Elisabeth-Krankenhaus in Dorsten hat uns super unterstützt, aber sie mussten sich ja an die gültigen Hygieneregeln halten“, hat Jennifer Verständnis für die damalige Situation. „Zum Glück wurde ich gut unterstützt von der Familie, die mich mit Decken, Tee und Essen versorgte“, fährt sie fort.
Ebenso alleine war aber auch die werdende Mutter. „Mir fehlte natürlich die Unterstützung von Jenny, aber es ging ja nun mal nicht anders“, bedauert dennoch Marie Klinge. Sieben Stunden später war um 23:29 Uhr, nun endlich in Anwesenheit der zweiten Mutter, das 54 Zentimeter große Wunschkind da und wie bei allen jungen Eltern waren die Schmerzen und Strapazen schnell vergessen.
Dennoch liegt noch eine große Hürde vor dem Paar. Die Adoption des kleinen Wonneproppens verzögert sich leider auch durch Corona, denn die Besuche vor Ort durch das Jugendamt konnten bisher nicht stattfinden. „Ich weiß, dass ich mich komplett nackig machen und meine Lebensgeschichte aufschreiben, psychologische Untersuchungen über mich ergehen lassen und die Höhe meines Verdienstes einreichen muss“, erklärt Jenny. „Aber wir wissen ja, wofür wir das machen“, lächelt sie ihren kleinen Sohn an.
Foto oben rechts: (v. l.) Eine glückliche kleine Familie: Marie und Jenny Klinge mit ihrem Sohn Felix
Entscheidungen treffen oder Rechte in Anspruch nehmen, die anderen verheirateten Partnern zustehen, das kann Jenny nicht. Sollte Felix krank werden, ist Jenny auch nicht dazu berechtigt, einen Kinderkrankenschein zu nehmen, denn offiziell gilt Marie als alleinerziehend. Diese Logik verstehen nicht nur Jenny und Marie nicht. „Wir nehmen die Geburt von Felix daher zum Anlass, unsere Geschichte erneut öffentlich zu machen, damit sich in absehbarer Zeit vielleicht endlich etwas ändert.“
In ihrer Funktion als Schulbegleitung spricht Jenny ganz offen mit ihren Schülern darüber, dass sie eine Frau liebt und dies ebenso selbstverständlich angesehen werden muss wie alle anderen Beziehungsformen auch. „Wenn die Kinder unbefangen mit dem Thema umgehen, dann haben wir schon viel gewonnen“, ist sich Marie sicher, denn oft übernehmen sie die Einstellung ihrer Eltern.
„Warum sollte denn Felix in der Kita gehänselt werden, nur weil er zwei Mütter hat?“, fragt sich Marie, der diese Bemerkung bereits zu Ohren gekommen ist. „Ich würde mir wünschen, dass nun Lehrer, aber auch die Erzieher in der KiTa dieses Thema aufgreifen“, fährt sie fort.
Marie und Jennifer Klinge hoffen nun, dass der Adoptionsantrag positiv entschieden wird. „Wir würden die Mühen immer wieder auf uns nehmen und geben erst dann auf, wenn wir auch rechtlich eine Familie sind“, bringen es beide auf den Punkt.
„Felix ist ein absolutes Anfängerbaby“, freuen sich die Eltern. „Ich hoffe das Baby, das ich irgendwann austragen werde, wird genauso zufrieden sein wie unser Kleiner es jetzt ist“, wünscht sich Jenny. Und wenn es dann so weit ist, dann geht die ganze Prozedur, dieses Mal für Marie, von vorne los.
Foto oben rechts: Zwei kleine Füße hinterlassen Spuren im Leben von Marie und Jenny
Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat