Hans von der Forsts „Baby“

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Hans von der Forsts „Baby“

Rock Orchester Ruhrgebeat: die musikalische Visitenkarte des Ruhrgebiets

„Ich bereue nichts!“ Dieses Fazit zog Hans von der Forst am Ende unseres Gespräches. Ist es nicht schön und zufriedenstellend,  sich mit fast 81 Jahren zurückzulehnen und rückblickend alles wieder genauso zu machen? Lehnen auch Sie sich zurück und freuen Sie sich auf den interessanten musikalischen Lebensweg des Gründers des Rock Orchesters Ruhrgebeat.
„Zur Musik gekommen bin ich durch meine Großkotzigkeit“, lacht der Barkenberger. „Ich hörte Musik und dachte mir: ‚Das kann ich besser.‘“ Gedacht, getan und so war der Schlagzeuger Hans von der Forst, damals noch Hans Lißeck, Mitbegründer der Beat-Band die German Blue Flames und einer der ersten Männer, die 1993 den Namen ihrer Frauen angenommen haben.

Foto oben rechts: Das ROR bei einem Auftritt in Dortmund

„Als Vorzeigejugendliche oder junge Erwachsene wurden wir regelmäßig von den Jugendämtern gebucht. Wir waren stets adrett, wenn auch manchmal verrückt gekleidet. Mit Anzug und immer mit Fliege oder Krawatte und ordentlichen Haarschnitten, waren wir der Schwarm aller Schwiegermütter“, erinnert sich der Musiker. Die Band sollte ein Vorbild für die von den Ämtern betreuten Jugendlichen sein, schaffte es aber trotzdem als einzige deutsche Band zweimal in den legendären Beat-Club, mit Uschi Nerke. Die älteren Leser unter uns erinnern sich sicher gerne, auch an diese Frau.
„Wir spielten zunächst auf Vereins- und Schulfesten, gewannen zweimal beim Vestischen Gitarrenfestival und nahmen 1964 unsere erste Schallplatte auf. Der WDR hatte unseren Auftritt damals im Jahnbad in Gelsenkirchen mitgeschnitten“, fährt er fort. „Unsere Band wird öfter als lebende Legende bezeichnet und wird sind im Archiv für populäre Musik im Ruhrgebiet in Dortmund vertreten. Und auch in der Chronik des Ruhrgebiets1964 sind wir als Besonderheit erwähnt“, freut sich Hans von der Forst noch immer. „Ich war damals stolz wie Oscar“, schmunzelt das lebende Lexikon der Musikszene.
„Wir waren jung. Wir waren erfolgreich! Und wir verdienten richtig viel Geld, haben es aber auch mit vollen Händen wieder ausgegeben. Und wir sind auch manchmal etwas abgehoben“, gibt er offen zu. „Wir lebten ein echtes Studentenleben, dennoch haben wir alle jeweils unser Studium beendet. Ich wurde zum Beispiel Grundschullehrer, mit der späteren Zusatzausbildung für Gehörlose.“
Die Band hatte bis dato etwa 150 Auftritte pro Jahr, 1968 war dann plötzlich Schluss. Die Jugendämter hatten aufgrund der Wirtschaftskrise kein Geld mehr und nun waren Diskotheken mit DJs und auch Soul angesagt. Livebands hatten das Nachsehen. „So lösten wir uns nach dreieinhalb Jahren auf.“

Foto oben rechts: Hans von der Forst (2. v. l.) mit den German Blue Flames beim beim legendären Beat-Club von Radio Bremen

Beat war aber nicht das einzige Genre, das Hans von der Forst bediente. Der Produzent Hans Lißek spielte als Songschreiber, Sänger und Musikmanager gerne mit seinem Namen. So komponierte und textete er die LP „Schalker Kreisel“ mit Opa Pritschikowskis Fußball-Hymne „Immer auf Schalke“ (Wenn ich verroste und verkalke, ich gehe immer noch auf Schalke). „Ich bin immer noch stolz, wenn ich höre, dass tausende Fans das Lied im Stadion singen“, outet er sich zudem auch als Sänger Leopold Füchslein auf dieser LP. Leopold ist Hans von der Forsts‘ zweiter Vorname, Füchslein die deutsche Übersetzung seines polnischen Namens Lißek. Humor und Fantasie hat er jedenfalls, wie man sieht!  
Aus der 1986 in Gelsenkirchen entstandenen Revival-Bewegung „Die Wilden Sechziger“ mit zahlreichen Bands in Gelsenkirchen gründete Hans Lißek drei Jahre später die Ruhrgebeat Bigband, die er kurz darauf umbenannte in Rock Orchester Ruhrgebeat. „Bei der Neueröffnung des ‚Spinnrades“ durften wir den ganzen Tag im BuGa-Park Gelsenkirchen musikalisch gestalten. Als nach Kassensturz am Ende noch Geld übrig war, verwirklichte ich meinen Traum und habe Musik so gespielt, wie der Komponist sie sich vorgestellt hatte: mit großem Orchester.“
Seitdem repräsentiert das ROR mit Musikern aus zehn Nationen heute wie keine andere Band das Feuer, das immer noch in den Menschen des Ruhrgebietes brennt. „Wir sind eine große Familie, alle mögen sich untereinander“, freut sich der Gründer. „Kein Musiker steht ständig im Vordergrund. Nach den Soloeinsätzen gehen die Sängerin oder der Sänger wieder zurück in den Chor. Vielleicht geht deshalb von der Bühne diese große Strahlkraft aus, die zahlreiche namhafte musikalische Gäste mit ihrem Auftritt bei uns spürten.“
Alle Erlöse dienen der Förderung der Integration von hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen. „Da mein Sohn leider gehörlos ist, sind meine Frau und ich 30 Jahre lang mit weiteren gehörlosen Jugendlichen verreist. 1998 gründeten wir schließlich das „Ohrwerk“, das bereits sein 25-jähriges Jubiläum feiern konnte. Entstanden ist daraus mittlerweile in Gelsenkirchen ein Wohnheim für 15 gehörlose Kinder“, erwähnt Hans von der Forst zu Recht mit Stolz und fährt fort: „Leider werden gehörlose Kinder öfter als sprechende Kinder Opfer von Misshandlungen und Missbrauch. Daher ist es wichtig, dass ich mein Geld auch weiterhin in das ‚Ohrwerk‘ stecke. Zum Glück hat mich das Finanzamt wegen mangelnder Gewinne auf Liebhaberschaft gesetzt, daher mache ich mit Elan weiter, weil ich durch die strahlenden Augen der Zuhörer und der Aktiven auf der Bühne belohnt werde.“

Foto oben rechts: Gelassen mit einem Glas Wein in der Hand blickt Hans von der Forst zurück auf sein Leben

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

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