Ein unschätzbarer ideeller Wert

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Ein unschätzbarer ideeller Wert

Der Nachlass Tisa von Schulenburgs

„Was passiert denn da auf dem Gelände neben dem Förderturm?“, fragen sich seit Wochen nicht nur die Hervester. Mit den großen Fenstern sieht das Gebäude repräsentativ aus, ist jedoch „nur“ der Ersatz-Wasserhaltungsstandort Fürst Leopold. Viel wichtiger für Freunde, die die Kunstwerke Tisa von Schulenburgs schätzen, ist jedoch das Zentralarchiv, in dem in Zukunft ihre Arbeiten aufbewahrt werden. Die Ruhrkohlestiftung unterstützt die Einrichtung des Archivs und stellt hier geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung, um den Nachlass der Dorstener Ehrenbürgerinfür die Nachwelt zu erhalten.

Bereits vor zehn Jahren wurde das Gebäude auf dem Gelände der RAG gebaut, um gegebenenfalls steigendes Grubenwasser aus den umliegenden stillgelegten Bergwerken zu pumpen. Da dies momentan jedoch nicht nötig ist, steht die gesamte Anlage auf Standby. Hier gilt jedoch weiterhin das Bergbaurecht und der Zutritt ist daher nur nach Anmeldung gestattet. Damit das Gebäude dennoch genutzt und auch instandgehalten wird, wird die Tisa-von-Schulenburg-Stiftung nun einige der Räume nutzen. „Ein Glück für uns“, freut sich der erste Vorsitzende Lambert Lütkenhorst. „Das ist eine echte Wertschätzung der Arbeiten Schwester Paulas.“ Ingrid Sommer-Brinkamp, die den Nachlass in den Räumen der RAG verwaltet und archiviert, ergänzt: „Durch die klimatisierten Räume hier leiden die Unikate nicht und sind daher auch noch nach Jahren sehr gut erhalten.“  

Seit über 300 Jahren sind die Ursulinen in Dorsten auf dem Gelände des Gymnasiums St. Ursula zu Hause. Tisa von der Schulenburg war als Schwester Paula die wohl bekannteste Ursuline in Dorsten. „Am 8. Februar jährte sich Schwester Paulas Jahrestag bereits zum neunzehnten Mal“, erinnert sich Schwester Barbara, die die zahlreichen Werke der Künstlerin im „Tisa-Keller“ des St. Ursula-Gymnasiums archiviert. Und das ist eine echte Mammutaufgabe. Schublade an Schublade war gefüllt mit Zeichnungen, von denen sie meisten jedoch bereits archiviert und verpackt hat.

Foto oben rechts: Schwester Barbara verwaltet das riesige Erbe ihrer Mitschwester Paula

Sie führt mich zum Atelier und bereits im Vorraum reise ich in die Vergangenheit. Fotos aus etlichen Jahrzehnten sind hier ausgestellt: Schwester Paula mit Johannes Rau, der sie auf einer Mahnwache zur Schließung Fürst Leopolds als „Perle des Ruhrgebietes“ bezeichnete, Fotos mit Schwester Paula und der jungen Angela Merkel sowie Fotos aus ihrer eigenen Jugend – eine riesige Sammlung Schwarz-Weiß-Fotos.

Und dann stehen wir endlich eine Tür weiter im Atelier der begnadeten und vielseitigen Künstlerin. Hier blieb die Zeit stehen, selbst die obligatorischen Mützen, die Tisa von Schulenburg stets trug, liegen auf der Lehne des Schaukelstuhles, in dem sie ihre Gäste empfing. Dieses Atelier bleibt weitgehend im Original erhalten und steht auch weiterhin der Öffentlichkeit für Besuche offen.

Foto oben rechts: Dorstens bekannte Künstlerin Tisa von Schulenburg

„Hier habe ich Schwester Paula vor etwa 30 Jahren zum ersten Mal getroffen“, erinnert sich Lambert Lütkenhorst. „Ich hatte eine tiefe Achtung vor ihr und ihrem Menschenbild“, fährt er fort: „Für sie waren alle Menschen Kinder Gottes und so handelte sie auch.“

„60 Jahre lang hat Schwester Paula mit Holz gearbeitet, später mit Wachs, aber gezeichnet hat sie bis zum Schluss“, erwähnt Schwester Barbara und zeigt dabei auf die vielen Unikate, die noch überall im Raum verteilt sind. Ein sehr großer Teil davon wird jedoch, möglicherweise bereits ab Ende des Jahres, im neuen Tisa Archiv, in den RAG-Räumen in Hervest zu sehen sein. Die Werke wurden aus ganz Deutschland zusammengetragen. Sie sind eine Dauerleihgabe an die Ruhrkohlestiftung, bleiben damit also weiterhin im Bestand des Klosters.

Die ersten Meter rund ums Gebäude pflastert die RAG-Stiftung, das übrige Gelände wird „Weg und Raum“ gestalten. Die Dorstener Arbeit bietet somit als Gesellschafter arbeitslosen Jugendlichen eine längerfristige Beschäftigung und auch eine Perspektive.

„Wir planen langfristig Kooperationen mit heimischen Künstlern, die in den Räumen des Wasserhaltungsstandortes ihre Werke ausstellen können. Weiterhin befindet sich hier eine eingerichtete Metallwerkstatt, in der Jugendliche in Kooperation mit dem „LEO“, aber auch Berufsschüler künstlerisch mit Holz oder Metall arbeiten können“, erzählt der erste Vorsitzende weiter.

Einen wichtigen Satzungszweck erwähnt er zum Schluss noch: den alle drei Jahre vergebenen Förderpreis der Stiftung. „Allerdings sind die Rückflüsse dieses Jahr bisher aufgrund der Pandemie ziemlich spärlich. Daher haben wir den Abgabetermin bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Eingereicht werden können Arbeiten zu den Themen, die sich in Tisa von Schulenburgs künstlerischen Arbeiten widerspiegeln: Lepra, Ungerechtigkeit in der Welt, Bergbauarbeiter, Menschenrecht und Umwelt.“

Ein Film in Dauerschleife über die Arbeit der Dorstener Nonne, der zurzeit erstellt wird, macht Lust darauf, ihrer Wirkungsstätte im Kloster zu besichtigen. Führungen durch das Atelier können bei Schwester Barbara unter der Telefonnummer 02362/7852676 angemeldet werden. Gerne führt sie Sie durch die Räume und unterhält sie mit interessantem Wissen über ihre Mitschwester Sr. Paula.

Foto oben rechts: Ingrid Sommer-Brinkamp (r.) und Lambert Lütkenhorst archivieren die Werke Schwester Paulas

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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