Ein Leben im Flug

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Ein Leben im Flug

Sommerquartier gefunden

Seit Anfang Mai sind die ersten Mauersegler zurück aus ihren Winterquartieren in Afrika. Wie jedes Jahr beziehen die standort- und partnertreuen Vögel auch in diesem Jahr wieder ihre Nester in Hervest bei Werner Kiekenbeck. Diese verteidigen sie vehement gegen Artgenossen, aber auch gegen die massiveren Stare, die sich gerne in ihren Nistkästen breit machen.

Der Vogelfreund aus dem Marienviertel ist schon seit vielen Jahren fasziniert von den gefiederten Freunden. Seine Begeisterung begann vor zehn Jahren, als er den ersten Mauersegler in den Dachgiebel seines Hauses fliegen sah. „Da mein Vater mir auf unseren Spaziergängen die verschiedenen Vogelarten zeigte, habe ich nun ein geschultes Auge dafür. So konnte ich auf Anhieb den Mauersegler von Schwalben unterscheiden. Ich finde es übrigens erstaunlich, dass der Segler nicht mit den Schwalben, sondern eher mit den Kolibris verwandt ist“, verrät er mir.
Der Mauersegler, der im Flug den Schwalben ähnlich sieht, hat am Boden aufgrund seiner großen Augen sowie seiner Augenbrauen eher Ähnlichkeit mit einem Greifvogel. Mit den Eulen hat er wiederum gemeinsam, dass er seinen Hals um 180 Grad drehen kann.

Foto oben rechts: Die Mauersegler sind aus ihren Winterquartieren zurück
Foto: stock.adobe.com/ gallinago_media

Apus apus, „der Vogel ohne Füße“, wie der wissenschaftliche Name übersetzt bedeutet, widerspricht seinem Namen gehörig. Er hat Füße, setzt sie jedoch nicht oder so gut wie nie zum Laufen ein, da er sich sein gesamtes Leben fast ausschließlich in der Luft aufhält. Insekten fangen, trinken, schlafen und paaren, all das findet im Flug statt. Ein zehnjähriger Mauersegler kommt so im Laufe seines Lebens auf zwei Millionen Flugkilometer. Seine Füße sind im Laufe der Evolution als Klammern ausgebildet, mit denen er sich an Felsvorsprüngen perfekt festhalten kann. Aber nicht nur das, auch können sie Menschen, die sie festhalten, gehörige Schmerzen verursachen, indem sich ihre Krallen in die Haut bohren.
Nur zum Brüten kommt der Vogel während der Sommermonate aus Afrika zu uns und fliegt sein altes Nest an. Da jedoch oft Nistmöglichkeiten unterm Dach fehlen, sind die Vögel auf Menschen wie Werner angewiesen. Der Vogelfreund baut die Nistkästen mittlerweile selbst, da die gekauften Kisten für die Vögel, die eine Spannweite von 40 bis 44 Zentimetern haben, zu klein sind. Er bestückt sie mit einem Hartschaumstoffnest und installiert in jeden Kasten eine Kamera.

Foto oben rechts: Ein Blick ins Vogelnest
Foto:
stock.adobe.com/ Marc

Von Mai bis August weiß seine Frau Regelind stets, wo sie ihren Mann findet: Regengeschützt wartet er in seinem Sessel im Garten, wann der erste Vogel heimkommt und rasendschnell im Nistkasten verschwindet, das erste Ei gelegt wurde oder der erste Jungvogel ausfliegt. „Das ist für mich tausendmal schöner als Fernsehen“, lacht der ehemalige IT-Dienstleister und einer der dienstältesten VHS-Dozenten in Dorsten. Er weiß, dass zwei Wochen, nachdem die ersten Schwalben zurückgekehrt sind, auch die Mauersegler folgen. „Ich höre zu, wenn sich die Altvögel untereinander von Kasten zu Kasten oder sich mit den Jungvögeln ‚unterhalten‘. Besonders freue ich mich auf die abendlichen Screaming-Partys, wenn sich die Mauersegler mit lauten Sri-Sri-Rufen am Himmel zu abendlichen ‚Jagdspielen‘ um ihre Nistplätze herum treffen“, fährt er fort . „Mit 20 bis 30 Kilometern pro Stunde fliegen sie aufs Nest zu und ich höre nur ein ‚Klock‘ und sie sind drinnen verschwunden. Das wäre so, als würden wir mit 50 Kilometern pro Stunde mit dem Auto auf die Garage zufahren, im allerletzten Moment die Handbremse anziehen und dann so rückwärts einparken“ ergänzt er.
Wie sehr Werner an seinen Vögeln „hängt“, das weiß auch seine Frau: „Selbst beim Spazierengehen mit Mieke hält Werner Ausschau nach ‚seinen‘ Seglern und mittlerweile schaut selbst der Hund ständig in die Luft“, lacht sie.

Foto oben rechts: Werner Kiekenbeck mit den beiden Jagdhunden Mieke und Rocky

Aus seinen Beobachtungen weiß der Hervester, dass sich bei der Aufzucht die Altvögel abwechseln. „Mehr noch, sie schubsen sich quasi vom Nest, wenn der Wechsel ansteht“, bemerkt Werner. In den letzten Tagen vor Abflug im August füttern die Eltern nicht mehr, im Gegenteil, die bis zu 60 Gramm schweren Jungvögel müssen sich auf ein ideales Fluggewicht runterhungern, um mit etwa 40 Gramm abheben zu können. Für die Flugkünstler geht’s dann oft sofort ab in Richtung Süden und sie schließen sich unterwegs nicht selten riesigen Schwärmen an. Für ihren Abflug brauchen sie eine gewisse Starthöhe sowie eine freie Flugbahn, die jedoch nicht immer vorhanden sind. Sollten Sie also einen Mauersegler am Boden finden, dann gilt es, ihn zu wiegen. „Anfassen ist in diesem Fall kein Problem, denn Elterntiere überlassen ihren Nachwuchs vor dem Abflug sich selbst und fliegen getrennt nach Afrika. Wiegt der junge Segler nur kaum mehr als 30 Gramm, muss er zu einer Aufzuchtstation. Ab 38 Gramm setzen Sie ihn am besten an einen hohen Ort mit freier Flugbahn, denn er kann noch nicht vom Boden starten. Er wird von alleine wegfliegen. Werfen Sie ihn aber auf keinen Fall in die Luft. In diesem Fall würde er abstürzen und sich verletzen.“

Foto oben rechts: Erschöpft erholt sich der Mauersegler auf Werner Kiekenbecks Hand nach seinem verunglückten Startversuch

Einen gefundenen Jungvogel selbst aufzuziehen ist keine gute Entscheidung und ist zudem auch äußerst schwierig. Die Elternvögel fangen im Flug bis zu 500 kleine Insekten, die sie in ihrem Kehlsack zu einer haselnussgroßen Kugel verkleben. Diese Kugeln bekommen die Jungvögel dann, wobei der Kopf der Eltern oft komplett im Hals der Jungen verschwindet. Bitte bringen Sie den Vogel daher besser zu einer Aufzuchtstation. Adressen und weitere Infos hierzu bekommen Sie unter www.mauersegler.com .

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

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