Donau-Challenge

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Donau-Challenge

Paddeln, paddeln, paddeln

„Anfangs hieß unser Motto noch ‚Der Weg ist das Ziel‘, aber ab etwa der Hälfte der Zeit war dann nur noch das Ziel unser Ziel“, lacht Johannes „Hennes“ Düpmann. Er ließ sich mit seinem besten Freund Stefan auf eine Reise ein, die beide 46 Tage 24 Stunden nonstop aneinander band.

„Mein Traum war schon immer, die Donau bis zur Mündung hinunter zu paddeln, bist du dabei?“ Hennes sagte seinem Freund spontan zu. „Bis zu meinem Frühruhestand dauert es ja schließlich noch ein bisschen“, dachte sich der Industriemeister Chemie. Was sich im Jahre 2016 zunächst als harmlose Frage darstellte, gestaltete sich schließlich zu dem größten Abenteuer, das die beiden Männer gemeinsam erlebten.
„Wir wollten sehen, wie weit wir kommen und wenn wir abbrechen, dann brechen wir eben ab. 60 Tage haben wir uns für die 2400 Kilometer lange Reise ans Schwarze Meer als Limit gesetzt. Gesundheitliche Zipperlein und schlechtes Wetter eingerechnet, wollten wir diese Tour dennoch ‚in einem Rutsch‘ bewältigen“, erzählt mir der empathische Holsterhausener.

Foto oben rechts: Johannes "Hennes" Düpmann auf seiner Donautour

Die beiden Freunde kauften sich ein fünf Meter langes Faltkajak Baujahr 1972 aus DDR-Zeiten, möbelten es etwas auf, bauten es zusammen, zerlegten es wieder und paddelten in Griechenland ihre ersten Kilometer im Kanu überhaupt, übten das Ein- und das Aussteigen und überlegten, wer wo am besten sitzen sollte. „Stefan, die ‚Maschine‘ saß hinter mir und steuerte mit seinen Füßen das Ruder, damit wir auf Kurs bleiben.“ Danach ging es an die Zuladung, die mit 100 Kilogramm nicht allzu viel Spielraum bot. „Wir waren uns einig, dass wir zum Campen zu alt sind, nahmen aber dennoch Zelt, Luftmatratzen und Schlafsäcke für alle Fälle mit. Zum Schluss fertigten wir eine exakte Liste der Gegenstände an, die jeder mitnehmen darf. Das war, wie du dir denken kannst, nicht viel“, lacht Hennes und zeigt mir die minimale Ausstattung, mit der eine Frau nie und nimmer 60 Tage „überlebt“ hätte.

Foto oben rechts: Darauf einen Ouzo. In Griechenland wurde auf die kommende Challenge angestoßen

„Stefan plante so weit wie möglich die Strecke. Verfahren konnten wir uns zwar nicht, aber er notierte mögliche Hotels direkt am Weg“, fährt der 58-Jährige fort.
Am 30. April starteten die beiden Kanuten schließlich in Irlingen bei Kilometer 2346 und paddelten ihre ersten 15 Kilometer zur Probe. „Zur Vorsicht wartete Stefans Frau in Straubingen auf uns, um uns eventuell wieder einzusammeln. Unsere Hintern taten uns jetzt schon weh, aber das gaben wir natürlich nicht zu. Und da die Beschriftung des Streckenabschnitts der Donau bei der Mündung beginnt, wussten wir, dass wir ja ‚nur‘ noch 2331 Kilometer vor der Brust hatten.“
Tag drei, die Stimmung im Boot ist gut, die ersten 100 Kilometer sind geschafft, aber ein neues Sitzkissen musste her. Auf ihrer Fahrt durch die zehn Länder, durch die die Donau fließt, verwandelte sich die Umgebung zusehends. „Deutschland bot eine abwechslungsreiche Natur“, erinnert sich Johannes. „Österreich konnte mit Bergen und Schlössern aufwarten, aber hier der Fluss zu einem Kanal, eingebettet in Steine, mit zehn Stauwerken im Verlauf, sodass wir dort oft nicht an Land kamen. Nach jeweils einer Stunde wollten wir eigentlich unsere Beine ausstrecken. So war der Plan. Aber es vergingen auch manchmal zweieinhalb Stunden, bis wir aussteigen oder schon fast aus dem Boot kriechen konnten“, lacht er. „Und darüber hinaus ging die geringe Fließgeschwindigkeit echt in die Arme. Dennoch sind wir am zehnten Tag bereits bei Kilometerstand 2000 angelangt und haben am Tag 13 in Bratislava in der Slowakei angelegt.“

Foto oben rechts: Ausstrecken konnte Johannes Düpmann seine Beine im Boot nicht

Durch den Starkregen in Italien und Österreich ist der Wasserpegel angestiegen und die Fließgeschwindigkeit der Donau nahm zu. Das brachte uns zwar schnell voran, allerdings gab es nun erneut keinen Ausstieg mehr für uns.“
Tag 15: erneuter Fahnenwechsel am Kajak. „Die ungarische Landesfahne über der deutschen Fahne begleitete uns ab da an. Nicht nur die Fahne sieht anders aus, als unsere, auch die Mücken unterscheiden sich von unseren. Sie sind groß wie Fliegen und haben uns ständig gepiesackt.“ Nicht Mücken, sondern ungarische Polizisten waren nun das Ärgernis. Unterschriften von sechs verschiedenen Behörden waren nötig, damit die Kanuten endlich die Papiere zum Einreisen nach Serbien bzw. Kroatien erhielten.

Foto oben rechts: Die jeweilige Fahne des bereisten Landes, hier die der Slowakei, wehte stets über der deutschen Fahne

Fünf Tage später:: Die Motivation nach über 150 Stunden Paddeln sank gegen null. Was es zu erzählen gab, war erzählt, die ältesten Witze waren ausgegraben und es gab keine Highlights, auf die sich die Beiden gegenseitig aufmerksam machen konnten, außer auf die Plastikflaschen, die vermehrt angeschwemmt wurden. „Für uns stand immer fest: alle oder keiner. Wir wollten unsere Freundschaft nicht gefährden, sondern dann besser aufhören. Aber wir haben durchgehalten, sicher auch, weil sich keiner von uns die Blöße geben wollte, zuzugeben, dass er nicht mehr kann.“
Sechs Tage später, nach gepaddelten 1000 Kilometern, erreichte die Zwei-Mann-Crew nun wieder in bester Stimmung Kroatien und Serbien an der Drei-Länder-Grenze und am Tag 30 nach der Hälfte der zurückgelegten Strecke schließlich Bulgarien. „Ich dachte der Fluss ist abwechslungsreicher, stattdessen ist er ab Ungarn charakterlos und einfach nur riesig groß. Ich war erstaunt, wie selten es Brücken gab und wenig Schiffsverkehr auf der Donau, dem größten und längsten Fluss Europas nach der Wolga, herrschte. Es gab Tage, da haben wir kein Schiff gesehen und jedes zweite oder dritte Schiff war ein Kreuzfahrtschiff. Aber Fähren, die gab es genug.“

Foto oben rechts: Die Stimmung im Kajak am 26. Tag war hervorragend

Die letzten 300 Kilometer kamen in Sicht, aber durch den Ukrainekrieg hätten die Beiden dort keine Hotels bekommen. „In allen anderen Unterkünften hatten wir bis dahin immer Zimmer mit Blick auf die Donau. Es war sicherlich gut gemeint, aber wir konnten dann irgendwann einfach kein Wasser mehr sehen“, schmunzelt der Holsterhausener und erinnert sich kurz darauf an den Geburtstag seiner Frau Kirsten am Tag 43. „Leider konnte ich nicht bei ihr sein, wir haben einfach zu langsam gepaddelt“, bedauert er.
Am Tag darauf beschlossen sie den Donau-Schwarzmeer-Kanal zu benutzen, die ukrainische Grenze zu umfahren und die Strecke somit um circa 240 Kilometer abzukürzen. „Da auf dem Kanal jedoch Paddelboote verboten waren, baten wir einen Fischer, uns zum Schwarzen Meer zu bringen. Zusätzlich zum Fahrpreis für die zweieinhalb Stunden lange Fahrt schenkten wir ihm für seine Kinder unser Kanu samt kompletter Ausrüstung. Obwohl wir die letzten 60 Kilometer unserer Reise nicht mit dem Kajak zurücklegen konnten, waren wir total überwältigt, dass wir es geschafft hatten und sprangen natürlich ins kühle Nass. Aber dann wollten wir einfach nur noch nach Hause, das Heimweh zu unseren Liebsten war einfach zu groß“, gibt der 58-Jährige ehrlich zu.
Stefan hat schon ein neues Ziel mit ähnlich weiter Entfernung vor Augen: mit dem Rad nach Griechenland. „Aber da muss ich vorher erst einmal mit Kirsten reden, ob sie noch einmal so lange auf mich ‚verzichten‘ kann“, schmunzelt Hennes und zieht ein Fazit der 46 Tage, wobei er sicher auch für seinen Freund Stefan spricht: „Es war eine anstrengende, aufregende, überwältigende, begeisternde, emotionale, teilweise aber auch langweilige, enttäuschende, erschreckende und schmerzvolle, aber dennoch insgesamt eine schöne Reise, auch wenn ich sie so nicht mehr unternehmen würde.“ Und für sich selbst hat Johannes, der seiner Meinung nach viel und oft redet, festgestellt, dass er, der früher Stille nicht haben konnte, sie dort ohne Peinlichkeit genießen konn

Foto oben rechts: Abendstimmung auf dem Wasser

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

Zurück