Stadtteilserie Deuten

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Stadtteilserie Deuten

In der heutigen Ausgabe unserer Stadtteilserie betrachten wir Deuten, Dorstens Stadtteil mit der geringsten Bevölkerungsdichte.
Er liegt mitten im Grünen, umgeben von den Stadtteilen Rhade, Lembeck, Wulfen, Hervest, Holsterhausen sowie westlich von der Gemeinde Schermbeck. Deuten wird zwar von der viel befahrenen B 58 durchschnitten, die Lage inmitten von Feldern und Wiesen und am Naturschutzgebiet „Witte Berge und Deutener Moore“ entschädigt jedoch für diesen Umstand.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dem neunten Teil unserer Stadtteilserie – Ihr Team der Lokallust Dorsten.

Deuten: das kleine „gallische Dorf“ der Unbeugsamen
Der Stadtteil heißt nicht ohne Grund „Deuten“, „auf etwas hinweisen“. Ob damit die Schönheit der Natur oder die Herzlichkeit der Deutener gemeint ist, das muss jeder für sich selbst herausfinden.
Ein wenig übertrieben ist die oben genannte Bezeichnung „gallisches Dorf“ zugegebenermaßen schon, aber halt nur ein wenig. Neben der Freude, seine Gäste reich zu beschenken, sei es materiell oder mit guten Gesprächen, neben seiner Fähigkeit der gemeinsamen übergreifenden Vereinsarbeit, ist der Deutener dabei eigenständig und ein wenig unbeugsam.

Die Geschichte
Deuten wurde 890 als Thiutina (Volksplatz) zum ersten Mal in den Büchern der Abtei Werden erwähnt. Über die Namensänderungen Duthene (1280) und Doyten (1436) gelangte der Stadtteil zu seinem jetzigen Namen.
Neben der Bauerschaft Dimke und dem Dorf Wulfen gehörte Deuten zur Gemeinde Wulfen, die bis 1975 selbstständig war. 1978 spaltete sich der Deutener Stadtteil jedoch von Wulfen ab, womit nun die „Muna“ und der „Wienbecker Mühlenhof“ auf Deutener Gebiet liegen.

Herz-Jesu-Kirche
Deuten gehörte von je her zur Pfarrei Wulfen. Da jedoch manchem Christen der Weg zur Wulfener Pfarrkirche zu weit war, plante der 1910 neu gegründete Kirchenbauverein eine eigene Kirche. Die Planungsarbeiten wurden durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, 1920 aber wieder aufgegriffen. Da die Bauernschaft jedoch über keine finanziellen Möglichkeiten verfügte, ein Gebäude aus Stein zu errichten, kaufte sie kurzerhand die Holzkirche eines Gefangenenlagers in Dülmen, holte sie im Juni 1920 mit festlich geschmückten Fuhrwerken ab und baute sie auf dem Gelände des jetzigen Pfarrheims wieder auf. „Weil im Herz-Jesu-Monat der langersehnte Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus in Erfüllung ging und auch in Deuten die Herz-Jesu-Verehrung in den Familien seit Jahrhunderten im Vordergrund stand, wurde das Kirchlein dem Herzen Jesu geweiht“, so ist es auf der Webseite der Pfarrei nachzulesen. Ein absolut passender Name, den die Deutener, die jeden mit ihrer Herzenswärme willkommen heißen, ihrer Kirche gaben.
Bis 1929 übernahmen die Pater des Franziskanerklosters aus der Dorstener Altstadt die Messen. Etwas später in den 30er-Jahren äußerte Bischof Klemens August auf einer Firmungsreise folgende Worte: „Was, das soll Eure Kirche sein? Das ist ja ein Stall, ein Holzstall, ein Koddenschöppken. Euer Vieh wohnt besser als der Herrgott! Eine neue Kirche müsst Ihr bauen!“, gibt die Historie der Kirchenwebseite ein Anekdötchen aus jener Zeit wieder. Aber die Deutener hingen weiterhin an ihrer Holzkirche, außerdem fehlte lange das nötige Geld zur Finanzierung. Erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg entschieden sie sich dazu, den berühmten deutschen Kirchenbauer Domenikus Böhm mit der Planung eines neuen Gotteshauses zu beauftragten. 1942 wurde die Rektoratskirche eingeweiht und trägt deutlich die Handschrift der unkonventionellen Bauweise seines Architekten. Heute steht der Stolz der Deutener unter Denkmalschutz.
Herz-Jesu bildet mit St. Matthäus Wulfen seit 2003 eine katholische Pfarrgemeinschaft, die im August 2014 mit St. Barbara in Barkenberg zur neuen Großgemeinde St. Matthäus erweitert wurde.
www.stmatthaeus-dorsten.de

Foto oben rechts: Die Herz-Jesu-Kirche in Deuten steht unter Denkmalschutz

Die neue Dorfmitte Deutens
Dreh- und Angelpunkt des Dorflebens ist der Platz rund um die Kirche mitten im Grünen. „Durch die zentrale Lage der Kirche und des Pfarrheims, des Kindergartens sowie der Grundschule am Verkehrs- und Radweg kommen wir hier generationenübergreifend immer wieder vorbei“, weiß Daniela Rudolph, Vorsitzende des Heimatvereins, aus eigener Erfahrung.

Die Frage stellte sich nun, ob Kirchplatz und Schulhof umgestaltet und modernisiert werden dürfen. Das Projekt einer neuen Dorfmitte befindet sich noch in der Entwurfsphase, nimmt aber schon deutliche Formen an. Vereinsübergreifend ist der Grundstein dafür, etwas für das Dorf zu machen, gelegt worden, erste Gedanken sind entstanden. Ideen wurden mit Deutener Bürgern in Workshops entwickelt, Pläne angefertigt und das alles in der Absicht, die Dorfmitte stark zu machen, Kirche und Kultur zu verbinden.
„Wir haben uns erlaubt, groß zu denken und wollten einen Ort nutzen, den es bereits gibt“, erinnert sich Daniela Rudolph an die Anfänge des Projektes. Die bisherigen Sommer- und Pfarrfeste sollen ebenso weiterhin stattfinden wie auch das gemeinsame Singen unter dem Weihnachtsbaum. Aber auch die Jugend soll mit in die Pläne eingezogen werden. Ralf Brüggemann, Trainer beim Rot-Weiß Deuten, erinnert sich noch gerne an seine Zeit als Jugendlicher, als sich das pralle Leben für sie im Pfarrkeller abspielte, den es nun so leider nicht mehr gibt. Heute sollen verschiedene Spielgeräte, ein Barfußpfad oder auch ein grünes Klassenzimmer den Wünschen der Jugend gerecht werden. Mehrere Pflanzbeete, grüne Abgrenzungen, ein Insektenhotel sowie die Terrasse am Pfarrheim, die als Amphitheater genutzt werden kann, vervollständigen das spannende Projekt.
www.heimatverein-deuten.de/dorfmitte/

Foto oben rechts: (v. l.) Anne Heßbrügge vom Förderverein der Tüshausmühle und Daniela Rudolph,
Vorsitzende des Heimatvereins, engagieren sich stark in ihrem Stadtteil

Heimatverein(t)
Abseits gelegen, ruhig im Wald des Naturschutzgebietes der Üfter Mark liegt das Heimathaus. Durch den verjüngten weiblichen Vorstand ist frischer Wind in den Heimatverein gekommen. So gibt es nun im offenen Treffpunkt „Rasselbande“ eine Möglichkeit für ein ungezwungenes Kennenlernen mit Spielen, Lachen, Basteln, Singen mit Eltern und ihren Kindern bis zum Kindergartenalter.
Nicht nur der Naturschutzgruppe des Vereins liegt die Natur am Herzen, auch allen anderen Deutenern soll sie nahegebracht werden. So stehen bei den Kleinen unter anderem Ausflüge zu den Störchen auf dem Programm, die älteren Naturfreunde treffen sich dagegen beim Äpfelpflücken auf den Streuobstwiesen, bei den Winterwanderungen oder beim Bau von Nistkästen oder Insektenhotels.
„Wir möchten die Deutener einladen mitzumachen“, erwähnt Daniela Rudolph. Mitmachen ist das Motto des Vereins, mitmachen, selbst etwas beitragen, beim Sternenpicknick an der langen Tafel mit Livemusik im Juni, beim Apfelpflücken im Herbst oder beim Verzehren der Alles-was-der-Naturgarten-des-Heimatvereins-hergibt-Suppe nach den Winterwanderungen.
www.heimatverein-deuten.de

Die Tüshaus-Mühle
„In der Deutener Wassermühle wird der Hammbach von Rhade kommend im Mühlenteich gestaut. Bis 1880 diente die Mühle zum Filzen der Schafwolle“ beginnt Margarete Tüshaus, Besitzerin der gleichnamigen Mühle, mit der Geschichte des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. „1752 wurde die Mühle um ein zweites Mühlenrad erweitert und diente somit zusätzlich als Ölmühle“, fährt sie fort. 1890 baute Heinrich Tüshaus eine zusätzliche Getreidemühle ein, der Betrieb beider Mühlen wurden jedoch 1948 und zuletzt 1970 bei der Getreidemühle aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben.
Die Stadt Dorsten pachtete und restaurierte die Mühle, der Museumsbetrieb der Mühle wurde daraufhin 1987 als technisches Kulturdenkmal aufgenommen. Um dieses Denkmal zu erhalten, gründete sich 2014 der Verein „Kulturdenkmal Tüshaus Mühle e. V.“.

Foto oben rechts: Margarete Tüshaus, Besitzerin der gleichnamigen Wassermühle

Fördervereinsmitglied Anne Heßbrügge führt als zertifizierte Natur- und Landschaftsführerin in die Umgebung der Tüshaus Mühle, backt aber ebenso gerne mit Schulkindern, die die Mühle als außerschulischen Lernort nutzen, Mühlenmäuse. „Wir möchten unserer Jugend kindgerecht erklären, wie aus Korn Mehl und aus Mehl Brot wird.“ Beim Stichwort „Brot“ schmunzeln alle Anwesenden und Margarete Tüshaus erklärt: „Wenn wir alle zwei Monate den Ofen im 200 Jahre alten Backhaus gegenüber der Mühle anmachen, dann muss man das Brot schon frühzeitig reservieren, um noch eines zu erhalten, so heiß begehrt ist es.“
An jedem 1. und 3. Sonntag im Monat und auf Anfrage finden Führungen in der Tüshaus-Mühle statt, jedes Jahr am Pfingstmontag öffnet sie sich beim deutschlandweiten „Mühlentag. Alle zwei Jahre feiert die Mühle gemeinsam mit dem Heimatverein das große Mühlenfest. Und das findet bei der Deutenern großen Anklang nicht nur wegen des leckeren Brotes.
www.tueshaus-muehle.de

Foto oben rechts: Das technische Kulturdenkmal "Tüshaus-Mühle" ist als Veranstaltungsort sehr beliebt

MGV Deuten e. V.
Mit Mut und Zuversicht aus der Sackgasse. Aufgrund der immer weniger werdenden aktiven männlichen Sänger nannte sich der traditionelle Männer-Gesang-Verein (MGV) nach 94 Jahren um in den Musik- und Gesang-Verein (MGV). „Der gemischte Chor besteht heute aus gut 30 aktiven Sängerinnen und Sängern, auch teils noch aus dem ehemaligen Kirchenchor ‚Deutener Domkrähen‘, berichtet Georg Alfes, seit 1976 aktiver Sänger und seit vielen Jahren im Vorstand tätig.
„Mit angenehmen Frauenstimmen machen wir gemeinsam mit den schon vorhandenen Männerstimmen richtig gute Chormusik. Unser Repertoire geht dabei von Popmusik über Weihnachtslieder bis zu Kirchenmusik“, fährt er fort.

Der MGV Deuten gründete zudem einen Kinderchor, der aber derzeitig ruht. Die sehr aktive Gospelgruppe dagegen, die im Jahre 1990 gebildet wurde und bis 2015 über Dorstens Grenzen hinaus sehr bekannt war, ist nun den Umständen geschuldet zum Projektchor geworden.
„Seit der Gründung unseres gemischten Chores hält unser Verein gute Beziehungen zum VHS-Chor ‚Tonart‘ Dorsten, dessen Chorleiter Walter Erdmann auch gleichzeitig unser Chorleiter ist“, erwähnt Georg Alfes und blickt stolz auf das Jubiläum, das im nächsten Jahr ansteht. „Dann blickt der MGV als ältester Verein in unserer kleinen Gemeinde auf 100 Jahre Vereinsleben zurück.“
Die Planungen für die Jubiläumsfeier sind bereits seit zwei Jahren im vollen Gange. Ab März soll es dann mit zahlreichen Konzerten gefeiert werden. Auf dem Programm steht dabei alle Fälle ein Konzert der „Sängergruppe Hohe Mark“, die dann ebenfalls auf 100 Jahre zurückblicken kann. Denn 15 sangesfreudige Männer gründeten 1921 nicht nur den MGV, sie gehörten auch zu den Gründungsmitgliedern der „Sängergruppe Hohe Mark“, der zurzeit noch elf Vereine angehören.
www.mgv-deuten.de

Foto oben rechts: Georg Alfes, Vorsitzender des Gesangvereins

Rot-Weiß Deuten e. V.
Bis 1969 war der Fußball die einzige Sportart, die in Deuten gespielt wurde. Heute haben sportbegeisterte Deutener die Wahl zwischen Fußball, Tennis und Mountainbiken.

„Im Laufe der Zeit hat sich unsere Sportplatz-Anlage zur modernsten und schönsten Anlage in Dorsten etabliert“, erwähnt Ralf Brüggemann nicht ohne Stolz. Er trainierte seinen Sohn bereits in der „Pampersliga“ und wechselte mit ihm jeweils in die nächsthöhere Klasse. „Wir können in Worten kaum wiedergeben, wie schön und modern auch unser Vereinsheim geworden ist. Und all das verdanken wir unserem Jugend- und Hauptvorstand, der Jahrzehnte mit Leidenschaft und viel Engagement sehr, sehr viel Zeit auf dem Platz verbracht hat und weiterhin verbringt.“
Von einem Sportverein mit modernem Vereinsheim und Kunstrasenplatz war bei der Vereinsgründung im Oktober 1959 noch nicht viel zu erkennen. Erst 1972 wurde ein modernes Umkleidegebäude mit Duschmöglichkeiten geschaffen. Bis dato mussten die Spieler noch zum Vereinsgründer Josef „Jupp“ Gerling fahren, wenn sie duschen wollten. 1984 kam ein neues Clubheim dazu, das 2011 einem modernen Vereinsheim weichen musste. Ohne die Eigenleistung unserer Mitglieder hätten Projekte wie der Umbau des Vereinsheimes, der Ascheplatz, der Rasenplatz und nun der Kunstrasenplatz nicht verwirklicht werden können“, betont der Deutener Trainer. „Aufgrund der vielfältigen Freizeitangebote fehlen in den oberen Jugend-Spielklassen oft aktive Spieler, um eine eigene Mannschaft zu stellen, sodass wir vor etwa vier Jahren eine feste Spielgemeinschaft mit Lembeck und Rhade gegründet haben“, so Ralf Brüggemann weiter. „Wichtig bleibt uns jedoch weiterhin das Interesse am Sport zu wecken“, bringt er es auf den Punkt.
https://www.rwdeuten.de/

Foto oben rechts: Ralf Brüggemann, Trainer des Deutener Fußballvereins

Die Infrastruktur
In punkto Nahversorgung sieht es in Deuten schlecht aus, aber zumindest der Brötchenkauf am Wochenende ist gesichert. Für alle anderen Einkäufe fahren die Deutener per Rad oder mit dem Auto schnell mal nach Wulfen oder Holsterhausen. Oder sie nutzen die Bahn, die trotz eines einzigen Gleises in beide Richtungen fährt, wie mir Georg Alfes versichert. Aber damit nicht genug. „Bei uns hat die Digitalisierung zumindest am Bahnhof beim Fahrkartenschalter Einzug genommen, auf den Glasfaseranschluss warten wir trotz zahlreicher Anmeldungen leider immer noch.“

Das Wappen
Die drei Ährenbündel auf grünem Grund stehen für die drei Bauerschaften Deuten, Brosthausen und Sölten. Verbunden sind sie durch den Rhader Mühlenbach und den Hammbach, die durch die blaue Wellenlinie dargestellt sind. Die Tüshaus-Mühle wird durch den Mühlstein symbolisiert.

Eckpunkte der Geschichte
890: Erste schriftliche Erwähnung Deutens
1978: Deuten wird ein eigener Stadtteil
1920: Aufbau der ersten Herz-Jesu-Kirche
1921: Gründung MGV
1922: Gründung Schützenverein
1942: Einweihung der jetzigen Herz-Jesu-Kirche
1959: Gründung Rot-Weiß Deuten
1980: Gründung des TC Deuten
1987: Die Tüshaus-Mühle wird Kulturdenkmal
2003: Pfarrgemeinschaft mit St. Matthäus
2014: Grundschule wird katholischer Teilstandort der Wilhelm-Lehmbruck-Schule
2020: Präsentation der Pläne neuen Dorfmitte

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak, Guido Bludau und privat
Quelle: Stadt Dorsten, wulfen-wiki.de

GPS Koordinaten: 51° 42' 44.96" N     6° 58' 12.148" E
Fläche gesamt 1772,51 ha, Wohnfläche 37,64 ha, Industrie- und Gewerbefläche 39,19 ha
Schulen: Wilhelm-Lehmbruck-Schule
Kindergärten: Kindergarten Herz-Jesu
Kirchen: Herz-Jesu-Kirche (St. Matthäus)
Einwohner: 1708

Quelle: Stadt Dorsten, www.laengengrad-breitengrad.de

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