Rückblick auf ein genügsames Leben

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Rückblick auf ein genügsames Leben

Ihre Familie bedeutet Ruth Bruszies alles

Fast schüchtern steht sie lächelnd im Seniorenzentrum St. Elisabeth und sieht dabei aus wie der Inbegriff einer liebevollen Oma. Ruth Bruszies strahlt eine so große Sympathie aus, dass ich nicht umhinkomme, sie spontan zu umarmen.

„Meine Familie bedeutet mir alles“, betont Ruth Bruszies mit Überzeugung. Aber diese Aussage scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Es ist schön anzusehen, wie liebevoll Tochter Gitta und Enkelin Sandra mit der Seniorin umgehen. Aber auch Urenkelin Lina sucht immer wieder gerne den Kontakt zu ihrer Urgroßmutter. Die Frauen aus vier Generationen sind nicht nur heute fürs Interview zusammen gekommen. „Unsere Mutter und Oma war immer für uns da. Nun sind wir für sie da – und das jeden Tag“, beteuert Gitta Jansen und sieht dabei ihre Mutter liebevoll an.

So selbstverständlich ist der Zusammenhalt leider nicht in allen Familien. Umso schöner ist es, das hier mitzuerleben. Die fast 92-Jährige bekommt die Liebe zurück, die sie ihr Leben lang verteilt hat. So pflegte sie nicht nur unermüdlich und hingebungsvoll ihre vier Geschwister und war für sie da, auch im Freundeskreis war und ist sie aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft sehr beliebt. Trotz ihres unermüdlichen Einsatzes für andere kam jedoch ihre Lebensfreude nicht zu kurz. „Ich habe schon immer gerne mit meinem Mann und unseren Freunden gefeiert, obwohl wir damals ja nicht viel hatten“, so die gebürtige Recklinghäuserin. „Wir konnten uns nicht viel leisten, aber wir hatten auch mit nur einem Getränk viel Spaß“, erinnert sie sich.

Der Freundeskreis ist geschrumpft und auch ihr Ehemann starb 1998 nach 35 gemeinsamen Jahren. „Ich musste nach vorne schauen, ich konnte ja zuhause nicht versauern.“ Die Seniorin versuchte ihren Verlust zu verarbeiten und suchte sich eine neue Beschäftigung. Ruth Bruszies fand sie im 1998 erbauten Seniorenzentrum St. Elisabeth, in dem sie sich um die Vorbereitung der Gottesdienste in der Hauskapelle kümmerte. Auch die Gartenarbeit im eigenen Schrebergarten bot ihr Abwechslung und lenkte sie ein wenig von ihrer Trauer ab. Jede Woche fuhr sie von da an bei Wind und Wetter von ihrer Wohnung auf der Bochumer Straße zum Seniorenheim und kümmerte sich um den Garten und die Bewohner und wurde zur guten Seele des Heimes. Sie begleitete Senioren im Rollstuhl zum Essen oder in den Garten oder nahm als Besucher im Singkreis, bei den Treffen zum Gedächtnistraining oder beim Sitztanz teil. „Wer rastet, der rostet“, ist die liebenswerte Seniorin überzeugt. So erholte sie sich fast vollständig von einem Schlaganfall vor acht Jahren und blieb geistig und körperlich fit.

Dennoch zog sie nach ihrer Reha in eine kleine eigene Wohnung mit Notruf ins Seniorenzentrum. Hier hat sie täglichen Kontakt zu ihrer ältesten Tochter Gitta, die hier in der Verwaltung arbeitet, zu ihrer jüngeren Tochter Iris, die mit ihrem Mann vor einigen Jahren direkt nebenan eine Wohnung bezog und weiterhin zu zwei ihrer ältesten Freundinnen, die ebenfalls hier im Seniorenzentrum leben. Ruth Bruszies besucht sie täglich und unterhält sich mit den beiden Damen, die leider nicht mehr so mobil sind wie sie selbst. Aber auch viele andere Bewohner kennen sie und freuen sich, die lebenslustige Frau zu sehen, die immer noch gerne singt und tanzt, wenn auch mittlerweile öfter mal im Sitzen.

„Bis zu meinem Schlaganfall war ich immer in Bewegung und habe gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit verging“, zieht die sympathische Seniorin ein Resümee ihres Lebens. „Nun habe ich das Rad gegen den Rollator getauscht, sehe auch nicht mehr so gut, aber ich genieße mein Leben immer noch und habe das Lachen nicht verlernt.“

Neben Ruth Bruszies Töchtern Gitta und Iris, ihren Schwiegersöhnen Stefan und Klaus sowie Enkelin Rebecca ist auch Sandra für ihre Oma da. „Sie ist so genügsam und denkt erst an andere und dann an sich. Sie opfert sich für Familie und Freunde auf und nun verwöhne ich sie, so gut es geht“, freut sich Sandra. So ist das Oma-Enkelin-Gespann fast jeden Samstag unterwegs in der Innenstadt in Richtung eines der zahlreichen Cafés. „Bei Kuchen, Cappuccino und Eis kann ich einfach nicht widerstehen“, gibt Sandras Oma schmunzelnd zu. Aber auch Ausflüge, Musical-Besuche oder Aufenthalte im Moviepark, bei dem Ruth Bruszies im hohen Alter von 82 Jahren immer noch und mit viel Freude Achterbahn fuhr, standen und stehen auch weiterhin auf dem Ausflugsplan der Familie.
Am 10. Oktober wird die beliebte Seniorin 92 Jahre alt. Bei dem Zusammenhalt in der Familie werden ihre Lieben Ruth Bruszies sicher auch in diesem Jahr einen unvergesslichen Geburtstag bereiten.

Foto oben rechts: Vier Generationen auf einer Bank vereint: Tochter Gitta, Ruth Bruszies, Urenkelin Linas  und Enkelin Sandra

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak

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