Zu Gast bei der multikulturellen Kochgruppe „Zukunft“

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Zu Gast bei der multikulturellen Kochgruppe „Zukunft“

„shukraan ealaa altaeam alladhidh“

„Zusammen kochen und Nahrung friedlich teilen“ lautet die Philosophie der Kochgruppe „Zukunft“. Gudrun Schade, die Initiatorin des Projektes, und Lothar Möhring haben Christian Sklenak und mich heute eingeladen, Gäste des multikulturellen Kochklubs zu sein.

Seit zwei Jahren treffen sich Dorstener Flüchtlinge mit vier Integrationslotsen im Hervester Begegnungszentrum, um gemeinsam zu kochen. Am Brunnenplatz treffen wir auf Lothar Möhring, der mit Omiar Albuni gerade vom Einkaufen für das heutige Essen zurückkommt. Ich sehe beim Auspacken der Lebensmittel zu, aber mir kommt nicht ein einziges Lebensmittel bekannt vor, außer Knoblauch. Gudrun Schade, die ebenfalls mit auspackt, bemerkt wohl meinen fragenden Blick. „Wir kaufen viele unserer Zutaten beim türkischen Supermarkt in Hervest und bei dem ägyptischen Händler in Holsterhausen“, erklärt sie. „So sind wir sicher, dass die Tiere nach islamischer Schlachtung, also halal, getötet wurden.“

Gudrun Schade, die vor zwei Jahren einen Kurs zur Integrationslotsin absolvierte, überlegte zusammen mit Barbara Wahl, der Migrationsbeauftragten des Verbandes der evangelischen Kirchengemeinden Dorsten, wie sie diese Ausbildung sinnvoll einsetzen könnte. Zunächst war angedacht, sich um einen reinen Frauen-Sprachkurs für afghanische Frauen mit Kindern zu kümmern. Da die Dorstener Integrationslotsin hierin jedoch keinen integratorischen Sinn fand, sah sie ihren Platz dann doch eher darin, junge unbegleitete Geflüchtete zu unterstützen und die Idee des Kochklubs war geboren.
„Alleine konnte und wollte ich das Projekt jedoch nicht stemmen“, so Gudrun Schade und suchte sich daher Mitstreiter, den sie auch in Lothar Möhring fand. Der Integrationslotse ist von Anfang dabei und die ehrenamtliche Tätigkeit macht ihm immer noch Spaß. Später dazu kam das Ehepaar Brigitte und Uwe Moldenhauer, die sich gerade im Urlaub befinden.

Foto oben rechts: Das Essen sah nicht nur gut aus, es schmeckte auch ganz hervorragend

Chef im Ring bzw. in der Küche ist heute der 34-jährige Omiar Albuni. Bevor er die Lebensmittel zubereitet, setzt er sich eine Kochhaube auf, streift sich Handschuhe über und beginnt dann das Lammfleisch zu kochen und die Okra zu frittieren. Okra, das grüne Gemüse, das ursprünglich aus Äthiopien stammt, kannte ich zwar vom Namen her, habe es aber noch nie probiert – frei nach dem Motto: „Was der Bauer nicht kennt…“ Und nun frittiert der syrische Koch Unmengen davon, ich bin gespannt.
„Omiar ist ein sehr talentierter und strukturierter Mann und stellt wunderbare Schnitzarbeiten her“, erzählt Gudrun Schade. Als Innenarchitektin kann sie das sicher beurteilen und so hofft sie sehr, dass er nach seiner B1-Prüfung, dem Deutschtest für Zuwanderer, die Möglichkeit bekommt, in Dorsten als Schnitzer oder Bildhauer arbeiten zu können.

Wie beim Arbeiten mit Holz, so ist der Syrer auch beim Kochen strukturiert und behält die Übersicht. In Seelenruhe bereitet er nun den Reis und die Soße bestehend aus Tomatensoße, viel schwarzem Pfeffer und reichlich Granatapfelsirup zu. Ich muss zugeben, das wird für meinen Gaumen schon etwas ungewohnt sein, aber ich werde das Essen auf alle Fälle probieren.

Hilfe hat Omiar Albuni durch Mohammad Tamam. Der 63-jährige Landsmann Omiars schnappt sich den Knoblauch und beginnt ihn zu schälen. Hier wird nicht in einzelnen Zehen gemessen, hier gelten heute andere Dimensionen. In Mengen wandern die weißen Knollen in den Kochtopf.

Foto oben rechts: Omiar behält auch beim Kochen die Übersicht

Da es sich um einen offenen Klub handelt, wissen die Köche nie, wie viele Gäste kommen werden. Und sie wissen nicht, wann sie kommen. 16:00 Uhr ist angedacht, damit alle mithelfen können, wenn es viel zu Schnibbeln gibt. Pünktlich ist hier aber fast niemand, da viele mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder erst nach der Schule kommen. Im Durchschnitt sitzen sechs bis zehn Personen am gedeckten Tisch, werden es mehr, dann wird das Essen eben verlängert durch Reis, und wenn das dann auch nicht mehr reicht, dann steht auch noch Fladenbrot mit auf dem Tisch.

„Heute sind wir nur wenige Personen“, bemerkt Lothar Möhring, aber wenn alle da sind, dann herrscht hier schon ein echtes Stimmengewirr durch elf unterschiedliche Nationen.“ Und Gudrun Schade ergänzt: “Ich kann mich erinnern, dass wir an einem Tag acht verschiedene Sprachen auf einmal hörten.“

Foto oben rechts:: Heute gibt es Lamm mit Okra in Tomaten-Granatapfelsoße mit Reis

Immer wieder schaue ich dem Koch über die Schulter, während Christian ständig auf der Suche nach guten Fotomotiven ist. Währenddessen kommen die Gäste, heute sind es nur vier Personen: Mahsa mit dem für uns leicht zu merkendem Nachnamen Haddadiansheikhyousefi, ihr Mann Davoud Haddadfar, Faezeh Hashemi, eine befreundete Bewohnerin aus dem Wohnheim für Asyl suchende sowie der Kurde Sabr Ali Hassan. Am 22. Juni wird er in der Uni Bochum seine Prüfung zum Sportlehrer ablegen und dann hoffentlich ebenfalls hier arbeiten dürfen.

Heute ist Sabr in Zivilkleidung da, zum Nouruz, dem kurdischen Neujahrsfest am 21. März, tanzte er hier im Zentrum in Kurdentracht für und mit den anderen Flüchtlingen. Sabr Ali Hassan spricht kurdisch, persisch (farsi) und arabisch. So kann er sich mit Mohammad Tamam in arabischer Sprache unterhalten, mit den drei iranischen Gästen in farsi.

Vor und nach dem Essen gibt es schwarzen Tee, der traditionsgemäß mit einem Stück Zucker im Mund getrunken wird. So saßen wir mit dem heißen Tee in der Hand noch länger zusammen und haben mit freundlichen Menschen geredet, die uns mit offenen Armen in ihrer Kochgruppe empfangen haben, den Willen zur Integration zeigen und ihre fehlenden deutschen Worte einfach weggelächelt haben.   

„Wir laden interessierte Dorstener ein“, weist Lothar Möhring noch einmal extra auf die Möglichkeit hin „unsere ehrenamtliche Integrationsarbeit mit ihren vielschichtigen Facetten, beteiligten Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Essgewohnheiten direkt mit zu erleben.“

Gefördert und bezahlt wird das Projekt durch das Landesförderungsprogramm „Komm-An NRW“ für die Förderung der Integration von Flüchtlingen und zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe.
Treffpunkt ist das Begegnungszentrum am Brunnenplatz in Hervest, immer mittwochs um 16:00 Uhr.

Auch wenn diese Menschen eine andere Sprache sprechen, eine andere Kultur oder eine andere Hautfarbe haben, so sollten wir unsere skeptische Haltung und auch teilweise Ablehnung ablegen und einfach mal in Zukunft „zusammen kochen und Nahrung friedlich teilen“.

Und so bedanke ich mich für das leckere Essen mit meinen ersten arabischen Worten: „shukraan ealaa altaeam alladhidh“

Foto oben rechts: Sabr Ali Hassan in Kurdentracht

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak und privat

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