Ich nehm‘ dich an die Hand: Abschiednehmen mit Kindern

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Ich nehm‘ dich an die Hand: Abschiednehmen mit Kindern

Was vor Jahren noch undenkbar war, wird heute immer mehr zur Selbstverständlichkeit: das Abschiednehmen von verstorbenen Familienmitgliedern oder Freunden gemeinsam mit Kindern.

Sie gehören zur Familie und von daher möchten sie auch Abschied nehmen dürfen. Kinder können und sollen auch trauern.
Den meisten Kindern fällt es schwer zu verstehen, was der Tod bedeutet. Gerade jetzt, wo sie ihre Großeltern vielleicht lange nicht sehen konnten, müssen sie im wahrsten Sinne des Wortes begreifen können, dass ihr Opa, mit dem sie immer im Garten gearbeitet haben, oder Oma, die immer so schön mit ihnen gesungen hat, nicht mehr wiederkommen. Sie können keine Blumen mehr mit ihnen pflanzen, ihre Stimmen nicht mehr hören.
„Manche Erwachsene sind unsicher, wie sie sich Kindern gegenüber verhalten sollen. Kleine Kinder begreifen noch nicht, was es heißt zu sterben, aber sie haben ein sehr gutes Gespür für die Trauer, für die Besonderheit dieser Situation. Deshalb ist es so wichtig, mit ihnen darüber zu sprechen, was passiert ist und nun geschehen wird“, weiß Trauerbegleiterin Karin Geismann aus jahrelanger Erfahrung. „Wenn wir das nicht tun, kann es sein, dass Kinder sich nicht mehr trauen, mit uns zu sprechen, sondern sich ihre eigenen Gedanken machen. Sie entwickeln in ihrer Fantasie Vorstellungen, die schlimmer sind als die Wirklichkeit“, fährt sie fort.

„Nehmen Sie ihre Kinder mit ins Abschiedszimmer“, raten daher heute Bestatter den trauernden Angehörigen. Lassen Sie sich aber möglichst von einer zweiten erwachsenen Person begleiten, damit sie bei Ihrem Kind sein kann, falls es den Abschiedsraum verlassen möchte. Empfohlen wird aber auch, den Verstorbenen zuerst alleine anzusehen, bevor die eigenen Kinder mitgenommen werden. So haben Sie selbst Zeit für ihre eigene Trauer und können Ihren Kindern später besser beistehen.

Der fünfjährige Lukas und seine jüngere Schwester Anna besuchen heute gemeinsam mit ihren Eltern ihren verstorbenen Großvater. Er ist aufgebahrt im Abschiedszimmer des Bestatters, der die Familienangehörigen ins Zimmer begleitet, sich dann jedoch zurückzieht und der Familie Zeit gibt, sich in Ruhe von ihrem Angehörigen zu verabschieden. „Opa Heinz war schon ganz schön alt“, berichtet Lukas unbefangen, „und auch krank“, fährt er fort. „Aber jetzt hat er keine Schmerzen mehr.“

Foto oben rechts: Lukas bemalt einen Paperflieger für Opa

Ihre Eltern haben den beiden vorher genau beschrieben, was sie dort erwartet, wie Opa nun aussieht. Lukas und Anna wissen, dass Opa friedlich aussehen wird und sie keine Angst vor dem Tod haben müssen. Sie sind auch darauf vorbereitet, dass ihre Eltern traurig sind, vielleicht weinen oder beten und dass jeder das Recht hat sich so zu verhalten, wie er sich gerade fühlt.
Die Eltern haben ihm und seiner Schwester die Möglichkeit gelassen, selbst zu entscheiden, ob sie an der Tür stehen bleiben möchten oder ob sie ihren Großvater am offenen Sarg sehen oder ihm sogar noch einmal über das Gesicht streicheln möchten. So können Lukas und Anna sehen, dass der Opa im Sarg vielleicht sehr blass ist, und sie können fühlen, dass er ganz kalt ist.

Beide wollten gerne ihrem Großvater gerne ein Abschiedsgeschenk in den Sarg legen. Ein Foto von den beiden war ihnen wichtig, aber auch Annas selbstgemaltes Bild vom letzten Zoobesuch. Lukas hat etwas gebastelt. Einen Papierflieger, so bunt, wie er vorher noch keinen anderen Flieger bemalt hat. „Wie man solche Flieger baut, hat Opa mir gezeigt“, freut sich der Kleine stolz. „Aber anmalen konnte Opa die nicht so gut, da musste ich ihm immer helfen“, erzählt er weiter. Die beiden erinnern sich an vieles, was sie mit Opa Heinz erlebt haben. „Gemeinsame Erinnerungen sind wichtig“, greift Karin Geismann das Thema auf. „Der gemeinsame Abschied kann trotz der traurigen Situation eine schöne gemeinsame Erinnerung werden. Schließlich hat Opa ja jetzt den schönsten bemalten Papierflieger, den Lukas je gebastelt hat.“

Mama und Papa haben die zwei auf den Abschied vom Großvater vorbereitet und sind da, um Ihre Fragen zu beantworten. „Was sie nicht wissen, das wissen wir und begleiten daher Familien in dieser Situation“, weist Karin Geismann auf die Wichtigkeit der Trauergespräche hin. Eine gute Möglichkeit ist es daher auch, Kindern die Teilnahme an einer Trauergruppe, wie beispielsweise die im Soziokulturellen Zentrum „Das Leo“, zu ermöglichen. Dort treffen sie mit anderen Kindern zusammen, die ebenfalls trauern und fühlen sich in diesem Umfeld besser verstanden.

Foto oben rechts: Opa bekommt den schönsten bemalten Papierflieger, den Lukas je gebastelt hat

Text: Martina Jansen
Fotos: privat

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