Heimathafen Dorsten

von Martina Jansen (Kommentare: 0)

Heimathafen Dorsten

Hier vor Anker zu gehen, ist erst einmal nicht wirklich spektakulär, dafür besitzt Dorsten ja schließlich seine beiden Häfen.

Die vielen kleinen Yachten, die hier liegen, sind auch durchaus ansehnlich, aber die Boote, für die sich die Dorstener Manuel Miserok(42) und Jürgen Scholz (58) interessieren, sind um Nummern größer. Die Beiden engagieren sich nämlich ehrenamtlich sehr stark für die DGzRS, die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
„Hier bei uns in Dorsten?“ mögen Sie sich jetzt vielleicht erstaunt und nicht ganz zu unrecht fragen. Trotz der kilometerlangen Wasserwege in unserer kleinen Hansestadt ist die Möglichkeit hier in Seenot zu geraten doch eher gering anzusehen. Anders sieht es dagegen an Nord-und Ostsee aus, dort treten die Notfälle häufiger auf als gedacht. Da kann schnell mal ein Fischernetz in die Schiffsschraube geraten, ein Seemann an Bord eines Schiffes erkranken oder Wattwanderer von der Flut eingeschlossen werden. Und spätestens dann wäre man sehr dankbar dafür, in diesen Momenten die Kollegen der beiden Dorstener in roter, von weitem sichtbarer Jacke zu sehen.Um in diesem Fall eine optimale medizinische Versorgung zu garantieren, haben die Seenotrettungskreuzer und –boote eine umfangreiche technische und medizinische Ausstattung an Bord.

 

Wie kommen aber jetzt zwei „Landratten“, die vor Ort lediglich die gefährlichen Untiefen der Lippe kennen, dazu, sich jahrelang für die Seenotretter zu engagieren? Die erste Antwort darauf gibt mir Jürgen Scholz: „Ich habe seit Jahren ein Sportboot in Holland liegen und kenne daher die See und damit auch die Gefahren. Ich habe den höchsten Respekt vor der Arbeit der Seenotretter und weiß, wie wichtig sie ist. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, im nächsten Jahr, wenn ich im Vorruhestand bin, an die Küste zu ziehen und freiwilliger Seenotretter zu werden.“
Das hat Manuel Miserok bereits hinter sich. Nicht den Ruhestand, sondern den Schritt, sich als freiwilliger Seenotretter zu bewerben. Erst vor Kurzem hat er seine ersten Ausbildungstage als freiwilliger Rettungsmann an Bord eines an der Nordseeküste stationierten Seenotkreuzers der DGzRS verbracht.

Foto oben rechts: Die Dorstener Jürgen Scholz (l.) und Manuel Miserok engagieren sich ehrenamtlich an Land

Im Gegensatz zur DLRG, die eher Schwimmer und Schlauchbootpaddler in Strandnähe rettet, ist die DGzRS zuständig für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Seegebieten.“
Er erinnert sich: „Die Zeit an Bord war sehr arbeitsintensiv, da die Ausbildung bei den Seenotrettern hervorragend ist. Zusätzlich ist auch die Sicherheitstechnik auf dem neuesten Stand, wir müssen ja auf alle Fälle vorbereitet sein. Leider oder zum Glück, je nachdem wie man es sehen will, hatten wir aber keinen Einsatz, sondern retteten übungshalber über Bord gegangene Bojen, was sich jedoch einfacher anhört, als es in Wirklichkeit ist.“ „Auch wenn die Technik auf noch so hohem Stand ist, bleibt ein Restrisiko. So kam es 1995 zu einem Unfall auf See, als eine Riesenwelle einen Seenotkreuzer während eines Einsatzes zum Kentern brachte und zwei Besatzungsmitglieder dabei ums Leben kamen“ erinnert sich Herr Scholz. „Vor vielen Jahrzehnten, als sie selber noch in offenen Booten zu den Verunglückten ruderten, hatten die Rettungsmänner zunächst eine beschwerliche und oft stundenlange Anfahrt zur Unglücksstelle zu bewältigen, bevor sie ihr Ziel überhaupt erreichten.“ So sind daher in den 151 Jahren des Bestehens der DGzRS von den 45 Rettungskräften, die im Einsatz tödlich verunglückt sind, die meisten Männer zur Zeit der damals offenen Ruderboote ums Leben gekommen. In der heutigen Zeit ist die Flotte von 60 Seenotkreuzern und Seenotrettungsbooten, mit durchschnittlich sechs Einsätzen täglich, rund um die Uhr einsatzbereit und fährt bei jedem Wetter raus.

Foto oben rechts: Historisches Ruderrettungsboot und Seenotkreuzer (Fotograf Peter Neumann)

„Wir kümmern uns sogar manchmal auch um Tiere, die in Seenot geraten sind“ so Herr Scholz weiter.“ Delfine, Heuler und sogar Rehe und Pferde wurden von unseren Kollegen wieder in Sicherheit gebracht.“
„Aber unsere Hauptaufgabe besteht ja darin Menschen zu retten“ kommt  Manuel Miserok wieder auf die eigentliche Mission der DGzRS zu sprechen. „Seit der Gründung 1865 haben unsere Einsatzkräfte über 82.000 Menschen aus Seenot gerettet. Das ist mehr als die komplette Einwohnerzahl Dorstens.“Alleine im Jahre 2015 wurden 55 Menschen aus akuter Seenot, 483 Personen aus drohender Gefahr befreit und 400 Krankentransporte von Seeschiffen und Inseln ans Festland durchgeführt. Fast 1000 Personen, die ihr Leben und ihre Gesundheit den Menschen verdanken, die ihre Zeit opfern, um anderen Mitmenschen zu helfen.

Foto rechts: Auch die Seehund-Heuler-Rettung gehörtr zu den Aufgaben der Seenotretter

Bemerkenswert, dass sich diese Gesellschaft mit dem positiven Image, ohne Skandale, nur aus Spenden finanziert und deshalb auf ehrenamtliche Mitarbeiter für die Öffentlichkeitsarbeit wie Manuel Miserok und Jürgen Scholz angewiesen ist. Auch und gerade im Binnenland. Nein, ich rufe jetzt nicht direkt zum Spenden auf, aber vielleicht mag ja der Eine oder Andere die so wichtige Arbeit der DGzRS dennoch unterstützen, die Möglichkeiten sind da vielfältig. Achten Sie doch bei Ihrem nächsten Einkauf einfach mal auf das, seit Gründungsbeginn nicht veränderte, Symbol der Gesellschaft: Das Sammelschiffchen, das rot-weiße Rettungsboot als Spendenbox.

Aber zurück zum „Praktikanten“ des Seenotkreuzers, der auch beruflich mit Wasser und Booten zu tun hat und Segelreisen auf dem traditionellen Großsegler „Eye of the Wind“ vermittelt. Manuel Miserok wurde schon als Teenager durch zahlreiche Nordseeurlaube vom „Seenotrettervirus“ angesteckt. Dieser Virus scheint nicht heilbar zu sein, denn aus dem Fan wurde der Förderer, aus dem Förderer dann der ehrenamtliche Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit an Land, aus dem Mitarbeiter dann der Bootsbesitzer. Zwei kleine ehemalige Seenotrettungsboote, die er vor dem Verschrotten gerettet hat, nennt er jetzt sein Eigen. Eines davon ist im Schifffahrtsmuseum in Haren an der Ems zu besichtigen, das andere Boot soll noch in diesem Jahr umfangreich restauriert werden.
Tipps und Wünsche, die die beiden ehrenamtlichen Helfer den Wassersportlern ans Herz legen:
- Den Wetterbericht abfragen und überlegen, ob man es sich zutraut, bei schlechtem Wetter rauszufahren.
- Ein Funkgerät mit an Bord nehmen, ein Handynetz ist meistens nicht verfügbar
- Rettungswesten, Seenotsignalmittel und Feuerlöscher mitführen
- Mehr Eigenverantwortung zeigen und dem Hafenmeister Bescheid geben, wohin man fährt und sich auch zurückmelden
- Die Zeiten bei der Wattwanderung unbedingt einhalten
- Und sollte man als vermisste Person gelten und mittlerweile wieder an Land sein, bitte zurückmelden, damit die Suche eingestellt werden kann.

Foto oben rechts: Bergung eines Schiffbrüchigen durch das Tochterboot CASPAR des Seenotkreuzers ARKONA der DGzRS (Foto Thomas Steuer)

Die ehrenamtliche Tätigkeit bei den Seenotrettern ist eine wichtige Säule der gemeinnützigen Organisation. So stehen den etwa 180 fest angestellten Rettern rund 800 freiwillige Seenotretter und 550 Ehrenamtler an Land gegenüber.
Suchen sie doch beim nächsten Lichterfest in unserer Stadt einfach mal den Stand der Seenotretter. Die beiden Dorstener freuen sich mit Sicherheit über Ihr Interesse an ihrer Arbeit und geben, wie auch auf Hafenfesten oder Messen, gerne Auskunft über die interessanten Aufgaben der Seenotrettung. Mit etwas Glück hören Sie dann vielleicht auch die von Generation zu Generation weiter gegebene Anekdote aus einem Funkspruch während eines Seenotfalls:
„Wie ist Ihre genaue Position?“
„Bankdirektor“.
Es ist aber nicht mit überliefert worden, ob es sich hierbei nicht doch vielleicht um Seemannsgarn handelt. Und um zum Abschluss den Bogen zur Dorstener Bergbautradition zu schlagen, sei noch kurz erwähnt, dass das Tochterboot des Seenotkreuzers ALFRIED KRUPP den Namen GLÜCKAUF trägt und auf Borkum stationiert ist.

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak, privat und Pressestelle DGzRS

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