„Fotografie ist meine zweite Sprache“

von Martina Jansen

„Fotografie ist meine zweite Sprache“

Dieses Zitat von Gary Kapluggin trifft voll und ganz auf Horst Weihrauch zu, denn seit seiner frühen Jugend fotografiert er.
Seine stattliche Sammlung diverser Fotoapparate lässt Fotografenherzen höher schlagen: 45 Kameras – teilweise echte Raritäten – stehen dekorativ in seiner Wohnung in Vitrinen verteilt. Von seiner ersten bis zu seiner letzten Kamera hat er sie alle verwahrt, darunter die Linhof Super Technika Kamera aus dem Jahre 1959.

Foto oben rechts: Kuppel des Reichtags in Berlin

Die zweite Rarität ist die Kodac Retina 1. Mit diesem Modell hat Edmund Hillary 1952 die Erstbesteigung des Mount Everest dokumentiert.

„Mein absolutes Highlight ist jedoch eine der ersten brauchbaren Aufnahmen überhaupt.“ Horst Weihrauch zeigt auf ein kleines Etui mit einem Foto auf einer versilberten Kupferplatte hinter Glas. „Danach habe ich sehr lange gesucht, aber nun habe ich sie ja!“ Stolz auf seinen Besitz nimmt er die Daguerreotypie, wie diese Aufnahme von 1845 genannt wird, aus der Vitrine.

Von den ersten Schritten bis zur heutigen Digitalfotografie vergingen nicht einmal 200 Jahre. Diese rasante Entwicklung der Fotografie kann man auch sehr gut an der Kamerasammlung des 64-Jährigen erkennen. Wenn man es auch manchmal nicht glauben mag, so waren die Fotos von damals auch nicht schlechter als die Aufnahmen mit modernen Digitalkameras.

Foto rechts: Familie Dagdelen, 1982 per Videorecorder mit der Heimat verbunden

Konnte früher ein guter Fotograf in der Dunkelkammer vieles retten, stehen dafür heute  Fotoprogramme am PC zur Verfügung.
Doch eine gute Ausrüstung allein macht noch keine guten Fotos. Das erfuhr vor Jahren ein Koch, der den angesehenen Fotografen Helmut Newton mit den Worten „Ihre Fotos gefallen mir, Sie haben bestimmt eine gute Kamera“ ansprach. Er bekam jedoch eine andere Antwort als erwartet, nämlich folgende: „Das Essen war vorzüglich, Sie haben bestimmt gute Töpfe.“ Diese Antwort zeigt, dass damals wie heute gilt: „Es kommt immer darauf an, wer die Hand am Auslöser hat.“ Und diesen Auslöser hat Horst Weihrauch bis jetzt vermutlich 200.000 Male betätigt. 

Foto oben rechts: Touristen vor der Ausstellung über den Krieg in Syrien von Kai Wiedenhöfer 2016 an der Eastside Gallery in Berlin



Seine Fotokarriere begann der junge Dorstener 1965 in Arbeitskreisen der Schule. Später schlug er jedoch einen anderen Weg ein und erlernte zunächst den Beruf des KFZ-Mechanikers, kam 1970 aber wieder auf das Fotografieren zurück. So meldete er sich bei einem VHS-Fotokurs an, aus dem er zusammen mit den Kursmitgliedern nach einem Seminar bei Prof.Dr. Otto Steinert an der Folkwangschule Essen-Werden am 1. März 1978 das Fototeam Dorsten gründete.  Eine große Ehre wurde diesem Fototeam 1981 zuteil, als sie gebeten wurden, die Landesdiashow auszurichten, was mit großem Erfolg im Forum der VHS-Dorsten geschah. Es wurden die prämierten Aufnahmen  des Landes in einer Multivisionshow mit vier gleichzeitig verwendeten Diaprojektoren  präsentiert. Das war damals schon ein völliges Novum. Die technische Steuerung wurde vom Fototeam selbst entwickelt und gebaut.

Foto oben rechts: Selfietag 2015 auf der Zeche Ewald in Herten

Mit der Beteiligung an der großen Ausstellung: „Wie lebt man im Ruhrgebiet“, war man weiterhin auf der Erfolgsspur. Zusätzliche Wertschätzung ihrer Arbeit im Vorfeld dieser Ausstellung erhielten die Dorstener Fotografen, als zehn ihrer eigenen Fotos für die Fotoausstellung  ausgewählt wurden. Doch damit nicht genug: Zwei dieser Fotos zierten die offiziellen Einladungskarten. Und Sie ahnen es vielleicht schon: Eines der beiden Fotos stammt aus der Kamera von Horst Weihrauch.

Foto oben rechts: Junge Menschen tauchen ein in die Virtuelle Realität bei der Photokina 2016

Später war er auch als Fotojournalist tätig und bekam in dieser Zeit etliche Berühmtheiten vor seine Linse. Ob der Meisterchor aus Hervest, einer seiner ersten Fotoaufträge, Politiker, berühmte Maler oder Sänger, bekannte Dorstener Bürger oder seine Familie und Freunde – Horst Weihrauch verfügt über eine immense Fotosammlung, die einen unschätzbaren ideellen Wert besitzt. Aber nicht nur das. Einige seiner Aufnahmen haben einen realen Wert. So wie die Fotos von Schwester Paula, die absolute Unikate sind. In Zusammenarbeit mit dem Dorstener Journalisten Wolf Stegemann fotografierte Horst Weihrauch die 2001 verstorbene Künstlerin Schwester Paula anlässlich des leider nicht erschienenen Buches zu ihrem 80. Geburtstag. Entstanden sind dabei einzigartige Fotos in extrem hoher Auflösung, die sich hervorragend für Plakate eignen und somit sicherlich für Museen oder Ausstellungen interessant sein könnten.

Diese Fotos hat der passionierte Fotograf natürlich nicht mit einer seiner ersten Kameras aufgenommen, obwohl sie noch fast alle einsatzfähig sind. Selbst die passenden Filme lagern noch im Weihrauchschen Kühlschrank. 

Foto oben rechts: Tisa von der Schulenburg 1982

 

Obwohl der zweifache Großvater sich bereits in Rente befindet, hat er seine Leidenschaft für das Fotografieren nicht verloren. So vergeht kein Tag, in dem er nicht in seinem Büro all seine Fotos archiviert, digitalisiert oder bearbeitet. „Auch mit Bearbeitung sind meine Fotos immer noch Fotos“, erklärt er den Unterschied zwischen einem Foto und einem Bild. „Ein Foto ist ein Dokument und bleibt es auch, selbst wenn ich mit einem Bildbearbeitungsprogramm die mangelhafte Technik der Kameras perfektioniere. Zu einem Bild wird es erst dann, wenn ich es manipuliere, also Gegenstände hinzufüge oder das Foto so verändere, dass es mit dem aufgenommenen Foto nichts mehr zu tun hat.“ 

Horst Weihrauchs Fotos regen zum Nachdenken an, zudem lässt er sich immer etwas Neues einfallen. Sein neustes Projekt ist das erneute Fotografieren seiner früheren Modelle aus gleichem Blickwinkel. Begonnen hat er mit Hein Driessen, einem bekannten Maler aus Emmerich, ihm folgte der Künstler Alexander Kress, den er nach 34 Jahren erneut vor die Kamera bekam.   

Und so können wir gespannt sein, bei wem Horst Weihrauch mit seiner Kamera als nächstes vor der Tür stehen wird. 

Foto oben rechts: Hein Driessen – Kunstmaler vom Niederrhein

Text: Martina Jansen
Fotos: Horst Weihrauch

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