Ein Wetterballon Marke Eigenbau

von Martina Jansen

Ein Wetterballon Marke Eigenbau

„Luke, wir kriegen gleich Besuch.“ – Han Solo aus Star Wars

Wie berechnet man das Volumen eines Ballons? Welche Eigenschaften hat Helium? Wie kalt ist es in 30.000 Metern Höhe? Neuntklässlern bleiben die Antworten darauf sicher nicht bis zum Rentenalter im Gedächtnis. Anders sieht es dagegen aus, wenn diese Fragen Bestandteil eines ungewöhnlichen Projektes sind. So geschehen Ende des letzten Schuljahres in der Gesamtschule Schermbeck. Die beiden äußerst engagierten Lehrerinnen Bianca Sadlowski und Stephanie Herbstritt stellten ihren 49 Schülern ein Schulprojekt vor, das es an der Schermbecker Gesamtschule so noch nicht gegeben hat: Sie ließen einen Wetterballon in den Himmel steigen. 

Foto oben rechts: Die vom Wetterballon mitgeführte Kamera lieferte im Steigflug Bilder aus geringer Höhe von Schermbeck und schließlich aus ca. 30.000 Meter Höhe

„Die Schermbecker Gesamtschule ist eine MINT-Schule mit Gütesiegel, verliehen für ihr außerordentliches Engagement in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Da passte dieses Projekt mit den verschiedenen Anforderungen absolut gut ins Thema“, so Bianca Sadlowski.

Nachdem die Schüler und Schülerinnen der Klassen 9c und 9d zugestimmt hatten, arbeiteten die beiden jungen Frauen zusammen mit ihnen vier Wochen lang etwa 10 Stunden daran, aus einem bestellten Bausatz einen funktionsfähigen Ballon zu erstellen und ihn in die Atmosphäre steigen zu lassen. Mit Sender und Kamera ausgestattet sollte er alle 30 Sekunden Bilder von oben auf die Erde senden. Bestand anfangs noch etwas Skepsis bei einigen Schülern, so schlug sie schnell in Begeisterung um. Spaß im Unterricht und „Learning by Doing“ – so bleibt das Gelernte im Gedächtnis.

Foto oben rechts: Starkes Team: Die Schülerinnen und Schüler der Schermbecker Gesamtschule, die an diesem Projekt teilnahmen.

Mit dem Zusammenbau des Wetterballons war es aber noch nicht getan. Zahlreiche Fragen mussten geklärt werden: Wie berechnet man die Steigungsgeschwindigkeit? Wie lange kann man den Ballon sehen, bevor er in der Stratosphäre verschwindet? Warum platzt der Ballon? Wann platzt er und kann man dann den Knall noch hören? 

Besonders drei Schüler waren so fasziniert von diesem Vorhaben, dass sie sogar große Teile ihrer Freizeit opferten und zusammen bastelten, um die Idee voran zu bringen. Mathis Balster (14), Lukas Triptrap (15) und Nico Hatkemper (ebenfalls 15) probierten in zahlreichen Versuchen aus, wie die beiden Kameras am besten gegen Stöße geschützt werden könnten. Das Ergebnis waren zwei Flügel, die die drei Jugendlichen seitlich an der Box zur Stabilisierung anbrachten.

„Unsere Theorie war ja, dass sowohl die Videokamera als auch die Fotokamera Bilder von dem Flug aufnehmen sollten“, beschreibt Nico das geplante Vorhaben. „Dazu haben wir zwei Öffnungen in die Box geschnitten und anschließend gemeinsam getestet, bis wir das perfekte Ergebnis hatten.“ Lukas ergänzt: „Zum Schluss haben wir noch einen Peilsender befestigt, der mit Mathis’ Handy über GPS verbunden war.“

„Etwas Kopfzerbrechen bereitete uns das Problem, die Kameras gegen die Kälte, die oben in der Stratosphäre herrscht, zu schützen“, erinnert sich Bianca Sadlowski, „aber dank gemeinsamer Überlegungen und eines Reptilienfreundes in der Klasse, kamen wir schnell auf die Idee, ein sogenanntes Heatpack zu verwenden, das auch zum Versenden von Schlangen benutzt wird.“

Foto oben rechts: Mathis Balster (14), Nico Hatkemper (15) und Lukas Triptrap (15) waren begeistert von dem Projekt

Und dann ging es endlich los: Die Ballonhülle mit einem Durchmesser von 2,5 Metern wurde zum Bolzplatz gebracht und dort im Beisein eines Gefahrstoffbeauftragten mit Helium gefüllt. Mit einem 15 Meter langen Seil befestigten die Schüler die Sonde unter dem Ballon, der von acht Schülern zunächst noch am Boden gehalten wurde. Das Privileg, ihn gegen halb zehn steigen zu lassen, genossen dann Nico, Mathis und Lukas. „War ein cooles Gefühl“, erinnert sich Nico. Auch die 15-jährige Celine Njaradi freute sich über den gelungenen Start, hatte aber auch Sorge, „dass wir den Ballon nicht mehr wiederfinden.“

10 Minuten lang konnten die Schüler ihren Wetterballon noch verfolgen, der mit einer Geschwindigkeit von fünf bis sieben Metern pro Sekunde 29 Kilometer weit in den Himmel stieg, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Als der Heliumballon dann nach anderthalb Stunden platzte, war dies das Startsignal für die jungen Tüftler, sich auf die Suche nach ihm zu begeben. Da sie den ungefähren Landeort ja vorher berechnet hatten, setzte sich der Bus also schon mal in Richtung Paderborn in Bewegung. Dort warteten sie an einer Raststätte auf weitere Signale. 

Foto oben rechts: Alles startklar. Die Schülerinnen und Schüler opferten viele Stunden ihrer Freizeit für das Projekt

„Als die Kamera uns immer wieder die gleichen Fotos schickte, nämlich Baum, Baum, Baum, war uns allen klar, dass die Sonde irgendwo in der Botanik gelandet sein musste“, so Stephanie Herbstritt. „Vor Ort stellten wir dann schnell fest, dass unsere mitgebrachte Leiter nicht bis oben in den Baum hinein reichte, aber zum Glück half uns der Besitzer des Grundstückes, auf der die Sonde landete, mit seiner Arbeitsbühne und übergab uns die Sonde, die noch intakt war“, erzählt die Lehrerin weiter. Natürlich wurde sofort voller Vorfreude der Deckel der Box geöffnet, um sich die Fotos auf der Kamera anzusehen, wogegen Lukas sich mehr dafür interessierte, in welchem Zustand sich die Kamera befand.   

„Wir werden die Fotos auf eine CD brennen und an alle Schüler verteilen und überlegen auch, ob und wo wir die Fotos ausstellen könnten. Es sind so tolle Aufnahmen dabei, dass es zu schade wäre, sie nicht zu veröffentlichen“, so Bianca Sadlowski. Und Stephanie Herbstritt ergänzt, „dass ohne Sponsoren das ‚Projekt Wetterballon‘ niemals hätte stattfinden können.“ Zusammen ziehen beide Pädagogen ein Fazit:

 „Das Gemeinschaftsgefühl der Schüler beider Klassen ist gestiegen und unsere Schule hat ein zusätzliches positives Image bekommen.“

 Foto oben rechts: Die Bergung der Sonde gestaltete sich schwierig

Text: Martina Jansen
Fotos: Christian Sklenak, Gesamtschule Schermbeck

 

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