Die Ursulinen – seit über 300 Jahren in Dorsten zu Hause

von Martina Jansen

Die Ursulinen – seit über 300 Jahren in Dorsten zu Hause

Weltoffen und der Zeit angepasst – das Leben der Ursulinen hat sich grundlegend geändert.

Durften die Schwestern vor 50 Jahren nicht einmal allein ein Krankenhaus aufsuchen, um dort eine Ordensschwester zu besuchen, so stehen ihnen heute alle Wege offen. Gab es vor 50 Jahren für die Nonnen keine Privatsphäre, so bewohnt jetzt jede Schwester eine eigene Wohnung innerhalb des Klosters.

Wenn Sie lieber Leser, liebe Leserin, dabei an alte Gemäuer mit dicken Wänden und etlichen dunklen Gewölben denken, dann irren Sie gewaltig. Das alte Klausurgebäude wurde bereits 2012 abgerissen und durch einen barrierefreien Neubau ersetzt. Da sich die Anzahl der Nonnen auf ein Fünftel reduziert hat, fiel der Neubau dementsprechend auch kleiner aus, so dass die Schwestern nun freie Sicht auf das Gymnasium St. Ursula haben.

Von ehemals 56 Schwestern wohnen zur Zeit noch neun Nonnen zwischen 70 und 91 Jahren ständig hier im Haus, drei Schwestern, die Privatgelübde abgelegt haben, wohnen außerhalb. Eine weitere Frau hat sich angeschlossen und kommt ebenfalls regelmäßig zu den Gottesdiensten, die meistens von den Franziskanermönchen geleitet werden. Gäste sind hierzu herzlich willkommen.

Leiterin Schwester Teresa (75) sowie Schwester Barbara (77) sind zwei Bewohnerinnen des Klosters. Um ihr altes Leben hinter sich zu lassen, wurden ihnen beim Eintritt in den Orden neue Namen zugeteilt.

Foto oben rechts: Die Klosterkirche – Gäste sind hier willkommen

 

In Zivil gekleidet und alles andere als weltfremd stehen sie noch heute zu ihrer Entscheidung, Ordensfrau zu werden.

„Wir konnten vor etlichen Jahren uns selbst entscheiden, ob wir die Ordenstracht weiterhin tragen möchten, und haben uns einstimmig entschieden, es jeder Schwester freizustellen“ erklärt Schwester Teresa ihr „ weltliches“ Auftreten.

Aber nicht nur die Tracht, die Kleidung der armen Leute, haben die Ursulinen abgelegt, sie haben eine riesige Entwicklung miterlebt.

„Als ich mit 18 Jahren in den Orden eingetreten bin, herrschten sehr strenge Regeln. Privatsphäre gab es nicht, unsere Zellen waren anfangs lange Zeit lediglich durch Planen voneinander getrennt“, erinnert sich Schwester Barbara. Für sie stand schon sehr früh fest, dass sie nicht heiraten wollte, und hat sich daher bereits als junges Mädchen für ein Leben mit Gott entschieden. „Ich wusste, dass ich meine Familie kaum noch sehen würde und das Kloster normalerweise nicht verlassen durfte, aber meine Entscheidung stand.“

Auch Schwester Teresa hatte bis heute kaum einen Zweifel an ihrem Entschluss, Nonne zu werden. „Ich war 22 Jahre alt, als ich ins Kloster ging. Ich erinnere mich noch genau daran, dass es kein fließendes Wasser für uns gab und die Strümpfe schrecklich kratzten. Wir hatten zudem auch, wie Schwester Barbara bereits sagte, keinen Kontakt nach außen. Der Zahnarzt kam zu uns, und noch bis vor 40 Jahren wurde selbst die Wahlurne ins Haus gebracht.“

Dennoch blieb die sympathische Lehrerin für Mathematik, Chemie und Biologie dem Orden. „Ich habe zwar eine Musikstunde gegeben, aber selber gesungen habe ich nie“, verrät sie schmunzelnd.

Foto oben rechts: Eine der beiden Ansichten des Kreuzes über dem Altar der Klosterkirche

Im Haus sind die Nonnen füreinander da, auf Gemeinsamkeit wird Wert gelegt. So kochen sie zwar nicht gemeinsam, das Essen wird in der Regel von der Caritas geliefert, aber sie essen in Gemeinschaft  zu Mittag und verbringen auch tagsüber Zeit miteinander, u. a. im gemeinsamen Gebet. Allein gelassen wird hier niemand und so ist es für jede Nonne eine Selbstverständlichkeit, auch im Krankheitsfall für ihre Mitschwestern da zu sein. „Ich habe Schwester Paula bis zu ihrem Tode gepflegt. Am 8. Februar jährte sich ihr Jahrestag bereits zum sechzehnten Mal“, erinnert sich Schwester Barbara.

„Jede Nonne legt die drei Gelübde „Keuschheit, Armut und Gehorsam“ ab, um in den Orden aufgenommen zu werden. Schwester Paula, Tisa von der Schulenburg, die wohl bekannteste Ursuline in Dorsten, konnte trotz zwei geschlossener Ehen das Keuschheitsgelübde doch noch ablegen, da evangelisch geschlossene Ehen in der katholischen Kirche damals nicht anerkannt waren. In diesem Fall „zum Glück“, denn sowohl Schwester Teresa als auch Schwester Barbara sind sichtlich stolz auf ihre Mitschwester, die 1972 zum Ehrenbürger der Stadt Dorsten ernannt wurde.

Sie führen mich durch ein Labyrinth von Gängen und Stockwerken hinunter zum Atelier. Schwester Barbara kennt diese Gänge sehr genau, saß sie doch lange genug an der Schulpforte und nahm auf dem Weg zur Arbeit und zurück genau diese Strecke.

Wir halten kurz an der Kirche. Etliche Werke der verstorbenen Künstlerin sind hier ausgestellt. Am auffälligsten ist wohl die Bronzetür, gestaltet von Schülerin und Schülerinnen des Gymnasiums St. Ursula. Die Innentür erzählt die Schöpfungsgeschichte, auf der anderen Türseite sind alle Weltreligionen aufgeführt. Auch das von beiden Seiten gestaltete Kreuz über dem Altar entstammt den Händen Schwester Paulas. Schwester Barbara hat dafür eine ganz eigene Interpretation: „Das Antlitz und die Kleidung lassen auf eine Frau schließen und die angewinkelten Knie bedeuten Bewegung. Damit wollte uns Schwester Paula sagen: „Jesus lässt uns nicht allein, er begegnet uns in allen Mitmenschen.“

Im Vorraum ihres Ateliers reisen Besucher in die Vergangenheit. Fotos aus etlichen Jahrzehnten sind hier ausgestellt: Schwester Paula mit Johannes Rau, der sie auf einer Mahnwache zur Schließung Fürst Leopolds als „Perle des Ruhrgebietes“ bezeichnete, Fotos mit Schwester Paula und der jungen Angela Merkel, Fotos ihrer beiden Ehemänner – eine riesige Sammlung Schwarz-Weiß-Fotos.

Foto oben rechts: Schwester Paula im Vorraum ihres Ateliers

Und dann stehen wir endlich eine Tür weiter im Atelier der begnadeten und vielseitigen Künstlerin. Hier blieb die Zeit stehen, nichts wurde verändert. Selbst die obligatorischen Mützen, die Tisa von Schulenburg stets trug, liegen auf der Lehne des Schaukelstuhles, in dem sie – gewöhnlich mit Mütze - ihre Gäste empfing.

Den riesigen künstlerischen Nachlass verwaltet Schwester Barbara. Und das ist eine echte Lebensaufgabe. Schublade an Schublade ist gefüllt mit Zeichnungen. 20 davon sind noch bis Ende März in der Sozietät Woltsche, Brieskorn + Partner GbR ausgestellt. „Mach den Mund auf für die Stummen“, das war Schwester Paulas Lebensmotto. „Daher trägt die Ausstellung auch den Titel: ‚Dem Leid eine Stimme geben‘“, erklärt Schwester Barbara.

Führungen durch das Atelier können bei ihr unter der Telefonnummer 02362/7852676 angemeldet werden. Gerne führt sie Sie durch die Räume und unterhält sie mit interessantem Wissen über ihre Mitschwester Sr. Paula.

Das Titelbild als auch das Foto, das Schwester Paula zeigt, hat uns freundlicherweise Horst Weihrauch aus seinem großen Archiv zur Verfügung gestellt. Bei Interesse an seinen Fotos stellen wir gerne den Kontakt zu Herrn Weihrauch her.

Foto oben rechts: Die Leiterin des Klosters Schwester Teresa (links) und Schwester Barbara freuen sich über die vielen Werke, die Tisa von der Schulenburg hinterlassen hat

Text: Martina Jansen
Fotos: Martina Jansen, Horst Weihrauch,

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